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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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Stelle stand, wo er sonst gestanden; da sprach eine
Stimme: "Es ist nur gut, daß Sie wieder da sind,
lieber Herr Peregrinus. -- Ach wären Sie nur frü¬
her gekommen!"

Peregrinus schaute auf und gewahrte dicht vor
sich die Alte, die sein Vater vorzüglich deshalb, weil
sie wegen ihrer furchtbaren Häßlichkeit, schwer einen
Dienst finden konnte, in seiner frühen Kindheit als
Wärterin angenommen, und die das Haus nicht
wieder verlassen hatte.

Lange starrte Peregrinus das Weib an, endlich
begann er, seltsam lächelnd: "Bist du es Aline? --
Nicht wahr, die Eltern leben noch?" Damit stand
er auf, ging durch alle Zimmer, betrachtete jeden
Stuhl, jeden Tisch, jedes Bild u. s. w. Dann sprach er
ruhig: "Ja, es ist noch alles so wie ich es verlassen,
und so soll es auch bleiben!"

Von diesem Augenblick begann Peregrinus das selt¬
same Leben, wie es gleich Anfangs angedeutet. Zu¬
rückgezogen von aller Gesellschaft, lebte er mit seiner
alten Aufwärterin in dem großen geräumigen Hause,
in tiefster Einsamkeit, erst ganz allein, bis er später
ein Paar Zimmer einem alten Mann, der des Vaters
Freund gewesen, miethweise abtrat. Dieser Mann
schien eben so menschenscheu wie Peregrinus. Grund

Stelle ſtand, wo er ſonſt geſtanden; da ſprach eine
Stimme: »Es iſt nur gut, daß Sie wieder da ſind,
lieber Herr Peregrinus. — Ach wären Sie nur frü¬
her gekommen!»

Peregrinus ſchaute auf und gewahrte dicht vor
ſich die Alte, die ſein Vater vorzüglich deshalb, weil
ſie wegen ihrer furchtbaren Häßlichkeit, ſchwer einen
Dienſt finden konnte, in ſeiner frühen Kindheit als
Wärterin angenommen, und die das Haus nicht
wieder verlaſſen hatte.

Lange ſtarrte Peregrinus das Weib an, endlich
begann er, ſeltſam lächelnd: »Biſt du es Aline? —
Nicht wahr, die Eltern leben noch?» Damit ſtand
er auf, ging durch alle Zimmer, betrachtete jeden
Stuhl, jeden Tiſch, jedes Bild u. ſ. w. Dann ſprach er
ruhig: »Ja, es iſt noch alles ſo wie ich es verlaſſen,
und ſo ſoll es auch bleiben!»

Von dieſem Augenblick begann Peregrinus das ſelt¬
ſame Leben, wie es gleich Anfangs angedeutet. Zu¬
rückgezogen von aller Geſellſchaft, lebte er mit ſeiner
alten Aufwärterin in dem großen geräumigen Hauſe,
in tiefſter Einſamkeit, erſt ganz allein, bis er ſpäter
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[23/0028] Stelle ſtand, wo er ſonſt geſtanden; da ſprach eine Stimme: »Es iſt nur gut, daß Sie wieder da ſind, lieber Herr Peregrinus. — Ach wären Sie nur frü¬ her gekommen!» Peregrinus ſchaute auf und gewahrte dicht vor ſich die Alte, die ſein Vater vorzüglich deshalb, weil ſie wegen ihrer furchtbaren Häßlichkeit, ſchwer einen Dienſt finden konnte, in ſeiner frühen Kindheit als Wärterin angenommen, und die das Haus nicht wieder verlaſſen hatte. Lange ſtarrte Peregrinus das Weib an, endlich begann er, ſeltſam lächelnd: »Biſt du es Aline? — Nicht wahr, die Eltern leben noch?» Damit ſtand er auf, ging durch alle Zimmer, betrachtete jeden Stuhl, jeden Tiſch, jedes Bild u. ſ. w. Dann ſprach er ruhig: »Ja, es iſt noch alles ſo wie ich es verlaſſen, und ſo ſoll es auch bleiben!» Von dieſem Augenblick begann Peregrinus das ſelt¬ ſame Leben, wie es gleich Anfangs angedeutet. Zu¬ rückgezogen von aller Geſellſchaft, lebte er mit ſeiner alten Aufwärterin in dem großen geräumigen Hauſe, in tiefſter Einſamkeit, erſt ganz allein, bis er ſpäter ein Paar Zimmer einem alten Mann, der des Vaters Freund geweſen, miethweiſe abtrat. Dieſer Mann ſchien eben ſo menſchenſcheu wie Peregrinus. Grund

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/28>, abgerufen am 26.04.2024.