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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

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Wir giengen weiter und weiter, und waren am Ende nicht umsonst gegangen.

O ihr Haine von Angele, wo der Ölbaum und die Zypresse, umeinander flüsternd, mit freundlichen Schatten sich kühlen, wo die goldne Frucht des Zitronenbaums aus dunklem Laube blinkt, wo die schwellende Traube muthwillig über den Zaun wächst, und die reife Pomeranze, wie ein lächelnder Fündling, im Wege liegt! ihr duftenden heimlichen Pfade! ihr friedlichen Size, wo das Bild des Myrtenstrauchs aus der Quelle lächelt! euch werd' ich nimmer vergessen.

Diotima und ich giengen eine Weile unter den herrlichen Bäumen umher, bis eine grosse heitere Stelle sich uns darbot.

Hier sezten wir uns. Es war eine seelige Stille unter uns. Mein Geist umschwebte die göttliche Gestalt des Mädchens, wie eine Blume der Schmetterling, und all' mein Wesen erleichterte, vereinte sich in der Freude der begeisternden Betrachtung.

Bist Du schon wieder getröstet, Leichtsinniger? sagte Diotima.

Ja! ja! ich bins, erwiedert' ich. Was ich verloren wähnte, hab' ich, wonach ich schmachtete, als wär' es aus der Welt verschwun-

Wir giengen weiter und weiter, und waren am Ende nicht umsonst gegangen.

O ihr Haine von Angele, wo der Ölbaum und die Zypresse, umeinander flüsternd, mit freundlichen Schatten sich kühlen, wo die goldne Frucht des Zitronenbaums aus dunklem Laube blinkt, wo die schwellende Traube muthwillig über den Zaun wächst, und die reife Pomeranze, wie ein lächelnder Fündling, im Wege liegt! ihr duftenden heimlichen Pfade! ihr friedlichen Size, wo das Bild des Myrtenstrauchs aus der Quelle lächelt! euch werd’ ich nimmer vergessen.

Diotima und ich giengen eine Weile unter den herrlichen Bäumen umher, bis eine grosse heitere Stelle sich uns darbot.

Hier sezten wir uns. Es war eine seelige Stille unter uns. Mein Geist umschwebte die göttliche Gestalt des Mädchens, wie eine Blume der Schmetterling, und all’ mein Wesen erleichterte, vereinte sich in der Freude der begeisternden Betrachtung.

Bist Du schon wieder getröstet, Leichtsinniger? sagte Diotima.

Ja! ja! ich bins, erwiedert’ ich. Was ich verloren wähnte, hab’ ich, wonach ich schmachtete, als wär’ es aus der Welt verschwun-

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[0161] Wir giengen weiter und weiter, und waren am Ende nicht umsonst gegangen. O ihr Haine von Angele, wo der Ölbaum und die Zypresse, umeinander flüsternd, mit freundlichen Schatten sich kühlen, wo die goldne Frucht des Zitronenbaums aus dunklem Laube blinkt, wo die schwellende Traube muthwillig über den Zaun wächst, und die reife Pomeranze, wie ein lächelnder Fündling, im Wege liegt! ihr duftenden heimlichen Pfade! ihr friedlichen Size, wo das Bild des Myrtenstrauchs aus der Quelle lächelt! euch werd’ ich nimmer vergessen. Diotima und ich giengen eine Weile unter den herrlichen Bäumen umher, bis eine grosse heitere Stelle sich uns darbot. Hier sezten wir uns. Es war eine seelige Stille unter uns. Mein Geist umschwebte die göttliche Gestalt des Mädchens, wie eine Blume der Schmetterling, und all’ mein Wesen erleichterte, vereinte sich in der Freude der begeisternden Betrachtung. Bist Du schon wieder getröstet, Leichtsinniger? sagte Diotima. Ja! ja! ich bins, erwiedert’ ich. Was ich verloren wähnte, hab’ ich, wonach ich schmachtete, als wär’ es aus der Welt verschwun-

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/161>, abgerufen am 26.04.2024.