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Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Des Morgens.

Vom Thaue glänzt der Rasen, beweglicher
Eilt schon die wache Quelle; die Birke neigt
Ihr schwankes Haupt und im Geblätter
Rauscht es und schimmert; und um die grauen
Gewölke streifen röthliche Flammen dort,
Verkündende, sie wallen geräuschlos auf;
Wie Fluten am Gestade, wogen
Höher und höher die wandelbaren.
Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu schnell,
Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort!
Denn offner fliegt, vertrauter Dir mein
Auge, Du Freudiger! zu, so lang Du
In Deiner Schöne jugendlich blickst und noch
Zu herrlich nicht, zu stolz mir geworden bist;
Du möchtest immer eilen, könnt' ich,
Göttlicher Wanderer, mit Dir! -- doch lächelst
Des frohen Uebermüthigen Du, daß er
Dir gleichen möchte; segne mir lieber dann
Mein sterblich Thun und heitre wieder,
Gütiger! heute den stillen Pfad mir!

Des Morgens.

Vom Thaue glaͤnzt der Raſen, beweglicher
Eilt ſchon die wache Quelle; die Birke neigt
Ihr ſchwankes Haupt und im Geblaͤtter
Rauſcht es und ſchimmert; und um die grauen
Gewoͤlke ſtreifen roͤthliche Flammen dort,
Verkuͤndende, ſie wallen geraͤuſchlos auf;
Wie Fluten am Geſtade, wogen
Hoͤher und hoͤher die wandelbaren.
Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu ſchnell,
Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort!
Denn offner fliegt, vertrauter Dir mein
Auge, Du Freudiger! zu, ſo lang Du
In Deiner Schoͤne jugendlich blickſt und noch
Zu herrlich nicht, zu ſtolz mir geworden biſt;
Du moͤchteſt immer eilen, koͤnnt' ich,
Goͤttlicher Wanderer, mit Dir! — doch laͤchelſt
Des frohen Uebermuͤthigen Du, daß er
Dir gleichen moͤchte; ſegne mir lieber dann
Mein ſterblich Thun und heitre wieder,
Guͤtiger! heute den ſtillen Pfad mir!

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[46/0054] Des Morgens. Vom Thaue glaͤnzt der Raſen, beweglicher Eilt ſchon die wache Quelle; die Birke neigt Ihr ſchwankes Haupt und im Geblaͤtter Rauſcht es und ſchimmert; und um die grauen Gewoͤlke ſtreifen roͤthliche Flammen dort, Verkuͤndende, ſie wallen geraͤuſchlos auf; Wie Fluten am Geſtade, wogen Hoͤher und hoͤher die wandelbaren. Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu ſchnell, Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort! Denn offner fliegt, vertrauter Dir mein Auge, Du Freudiger! zu, ſo lang Du In Deiner Schoͤne jugendlich blickſt und noch Zu herrlich nicht, zu ſtolz mir geworden biſt; Du moͤchteſt immer eilen, koͤnnt' ich, Goͤttlicher Wanderer, mit Dir! — doch laͤchelſt Des frohen Uebermuͤthigen Du, daß er Dir gleichen moͤchte; ſegne mir lieber dann Mein ſterblich Thun und heitre wieder, Guͤtiger! heute den ſtillen Pfad mir!

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/54>, abgerufen am 03.12.2024.