Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Süße Vergessenheit bei gegenwärtigem Geiste, Drum erfreuest du auch gerne den Sängern das Herz. Aber ihr, ihr Größeren auch, ihr Frohen, die allzeit Leben und walten, erkannt, oder gewaltiger auch, Wenn ihr wirket und schafft in heiliger Nacht und alleinherrscht, Und allmählig emporziehet ein ahnendes Volk, Bis die Jünglinge sich der Väter droben erinnern, Mündig und hell vor euch steht der besonnene Mensch. Engel des Vaterlands! o ihr, vor denen das Auge, Sey's auch stark, und das Knie bricht dem vereinzelten Mann, Daß er halten sich muß an die Freund' und bitten die Theuern, Daß sie tragen mit ihm all die beglückende Last, Habt, o Gütige, Dank für den und alle die Andern, Die mein Leben, mein Gut unten den Sterb- lichen sind. 6. Aber die Nacht kommt! Laß uns eilen, zu feyern das Herbstfest. Heut noch! voll ist das Herz, aber das Leben ist kurz, Hölderlin Gedichte. 10
Suͤße Vergeſſenheit bei gegenwaͤrtigem Geiſte, Drum erfreueſt du auch gerne den Saͤngern das Herz. Aber ihr, ihr Groͤßeren auch, ihr Frohen, die allzeit Leben und walten, erkannt, oder gewaltiger auch, Wenn ihr wirket und ſchafft in heiliger Nacht und alleinherrſcht, Und allmaͤhlig emporziehet ein ahnendes Volk, Bis die Juͤnglinge ſich der Vaͤter droben erinnern, Muͤndig und hell vor euch ſteht der beſonnene Menſch. Engel des Vaterlands! o ihr, vor denen das Auge, Sey's auch ſtark, und das Knie bricht dem vereinzelten Mann, Daß er halten ſich muß an die Freund' und bitten die Theuern, Daß ſie tragen mit ihm all die begluͤckende Laſt, Habt, o Guͤtige, Dank fuͤr den und alle die Andern, Die mein Leben, mein Gut unten den Sterb- lichen ſind. 6. Aber die Nacht kommt! Laß uns eilen, zu feyern das Herbſtfeſt. Heut noch! voll iſt das Herz, aber das Leben iſt kurz, Hoͤlderlin Gedichte. 10
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Suͤße Vergeſſenheit bei gegenwaͤrtigem Geiſte,
Drum erfreueſt du auch gerne den Saͤngern das
Herz.
Aber ihr, ihr Groͤßeren auch, ihr Frohen, die
allzeit
Leben und walten, erkannt, oder gewaltiger auch,
Wenn ihr wirket und ſchafft in heiliger Nacht und
alleinherrſcht,
Und allmaͤhlig emporziehet ein ahnendes Volk,
Bis die Juͤnglinge ſich der Vaͤter droben erinnern,
Muͤndig und hell vor euch ſteht der beſonnene
Menſch.
Engel des Vaterlands! o ihr, vor denen das Auge,
Sey's auch ſtark, und das Knie bricht dem
vereinzelten Mann,
Daß er halten ſich muß an die Freund' und bitten
die Theuern,
Daß ſie tragen mit ihm all die begluͤckende Laſt,
Habt, o Guͤtige, Dank fuͤr den und alle die Andern,
Die mein Leben, mein Gut unten den Sterb-
lichen ſind.
6.
Aber die Nacht kommt! Laß uns eilen, zu feyern
das Herbſtfeſt.
Heut noch! voll iſt das Herz, aber das Leben
iſt kurz,
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/153>, abgerufen am 23.02.2025. |