Der ländliche Garten ist unter allen Gattungen der einfachste, und am meisten entfernt von Schmuck und Kunst. Er ist indessen doch von den gemeinen Gärten des Landmanns unterschieden, die nichts als Küchengewächse und einige Obst- bäume zeigen, und von fruchttragenden Sträuchern umwildert sind. Auch ist der ländliche Garten nicht blos in die Dörfer verwiesen; der Bürger, der ansehnliche Privatmann kann ihn aus Geschmack wählen, und um sein bequemes Wohnhaus anpflanzen.
Seine Lage kann auf einem allmäligen Abhange, in einem gekrümmten Thal, und selbst in der Ebene seyn; sie verlangt keine großen, prächtigen, überraschenden Aussichten. Kleine Erhöhungen umher, wodurch der Prospect ins Weite versperrt wird, ein schattenreicher Wald, eine frische Wiese, ein ruhiges Gewässer, oder ein Fischteich, Viehtristen in der Nähe und selbst in dem Bezirk, scheinen dem Cha- rakter dieser Lage am meisten angemessen; und als zufällige Belebung viel Gesang der Vögel, und in den Tagen des Frühlings das einförmige Getöne des Kukuks und das Gequäk der Frösche.
Die Anlage des ländlichen Gartens, er mag klein seyn, oder sein Bezirk sich etwas erweitern, ist auf Einfachheit und eine angenehme Nachläßigkeit eingeschränket. Er verstattet keine mannichfaltigen und reichen Gegenstände; er liebt die blos einfäl- tigen Scenen der Natur, und er zeigt sie ohne viel Wahl und Anordnung. Seine Pflanzungen bestehen aus gewöhnlichen Bäumen des Landes; er ist zufrieden, wenn sie ihm Schatten und Früchte geben. Man erblicket zwischen Weiden, Linden und Ulmen Aepfel- und Birnbäume; diese wechseln mit Kirschen, Nüssen, Quitten, Mispeln und Pflaumen ab; und findet sich eine hohe Eiche oder eine bejahrte Buche auf dem Platz, so wird ihre wohlthätige Beschattung genutzt, und eine Bank unter ihren Laubdecken aufgestellt. Keine Allee, keine künstliche Anordnung der Bäume; sie erscheinen hin und wieder in freyen Gruppen, bald größer, bald kleiner, bald mehr, bald weniger von einander entfernt. Die Gänge, bequem und rein, winden sich neben diesen Gruppen, und zuweilen zwischen ihren Stämmen durch, und führen hier zu dunkeln Schatten, dort zu einem freyen Platz voll frischen Grases hin. Sie sind bald mit einem Rosengebüsch, bald mit Johannisbeeren, Stachelbeeren, Berberi- tzen, Hanebutten und andern Sträuchern, die eßbare Früchte tragen, eingefaßt.
Zwischen
VBand. J
nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
IV. Landgaͤrten; laͤndliche Gaͤrten.
Der laͤndliche Garten iſt unter allen Gattungen der einfachſte, und am meiſten entfernt von Schmuck und Kunſt. Er iſt indeſſen doch von den gemeinen Gaͤrten des Landmanns unterſchieden, die nichts als Kuͤchengewaͤchſe und einige Obſt- baͤume zeigen, und von fruchttragenden Straͤuchern umwildert ſind. Auch iſt der laͤndliche Garten nicht blos in die Doͤrfer verwieſen; der Buͤrger, der anſehnliche Privatmann kann ihn aus Geſchmack waͤhlen, und um ſein bequemes Wohnhaus anpflanzen.
Seine Lage kann auf einem allmaͤligen Abhange, in einem gekruͤmmten Thal, und ſelbſt in der Ebene ſeyn; ſie verlangt keine großen, praͤchtigen, uͤberraſchenden Ausſichten. Kleine Erhoͤhungen umher, wodurch der Proſpect ins Weite verſperrt wird, ein ſchattenreicher Wald, eine friſche Wieſe, ein ruhiges Gewaͤſſer, oder ein Fiſchteich, Viehtriſten in der Naͤhe und ſelbſt in dem Bezirk, ſcheinen dem Cha- rakter dieſer Lage am meiſten angemeſſen; und als zufaͤllige Belebung viel Geſang der Voͤgel, und in den Tagen des Fruͤhlings das einfoͤrmige Getoͤne des Kukuks und das Gequaͤk der Froͤſche.
Die Anlage des laͤndlichen Gartens, er mag klein ſeyn, oder ſein Bezirk ſich etwas erweitern, iſt auf Einfachheit und eine angenehme Nachlaͤßigkeit eingeſchraͤnket. Er verſtattet keine mannichfaltigen und reichen Gegenſtaͤnde; er liebt die blos einfaͤl- tigen Scenen der Natur, und er zeigt ſie ohne viel Wahl und Anordnung. Seine Pflanzungen beſtehen aus gewoͤhnlichen Baͤumen des Landes; er iſt zufrieden, wenn ſie ihm Schatten und Fruͤchte geben. Man erblicket zwiſchen Weiden, Linden und Ulmen Aepfel- und Birnbaͤume; dieſe wechſeln mit Kirſchen, Nuͤſſen, Quitten, Miſpeln und Pflaumen ab; und findet ſich eine hohe Eiche oder eine bejahrte Buche auf dem Platz, ſo wird ihre wohlthaͤtige Beſchattung genutzt, und eine Bank unter ihren Laubdecken aufgeſtellt. Keine Allee, keine kuͤnſtliche Anordnung der Baͤume; ſie erſcheinen hin und wieder in freyen Gruppen, bald groͤßer, bald kleiner, bald mehr, bald weniger von einander entfernt. Die Gaͤnge, bequem und rein, winden ſich neben dieſen Gruppen, und zuweilen zwiſchen ihren Staͤmmen durch, und fuͤhren hier zu dunkeln Schatten, dort zu einem freyen Platz voll friſchen Graſes hin. Sie ſind bald mit einem Roſengebuͤſch, bald mit Johannisbeeren, Stachelbeeren, Berberi- tzen, Hanebutten und andern Straͤuchern, die eßbare Fruͤchte tragen, eingefaßt.
Zwiſchen
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nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
IV.
Landgaͤrten; laͤndliche Gaͤrten.
Der laͤndliche Garten iſt unter allen Gattungen der einfachſte, und am meiſten
entfernt von Schmuck und Kunſt. Er iſt indeſſen doch von den gemeinen
Gaͤrten des Landmanns unterſchieden, die nichts als Kuͤchengewaͤchſe und einige Obſt-
baͤume zeigen, und von fruchttragenden Straͤuchern umwildert ſind. Auch iſt der
laͤndliche Garten nicht blos in die Doͤrfer verwieſen; der Buͤrger, der anſehnliche
Privatmann kann ihn aus Geſchmack waͤhlen, und um ſein bequemes Wohnhaus
anpflanzen.
Seine Lage kann auf einem allmaͤligen Abhange, in einem gekruͤmmten Thal,
und ſelbſt in der Ebene ſeyn; ſie verlangt keine großen, praͤchtigen, uͤberraſchenden
Ausſichten. Kleine Erhoͤhungen umher, wodurch der Proſpect ins Weite verſperrt
wird, ein ſchattenreicher Wald, eine friſche Wieſe, ein ruhiges Gewaͤſſer, oder ein
Fiſchteich, Viehtriſten in der Naͤhe und ſelbſt in dem Bezirk, ſcheinen dem Cha-
rakter dieſer Lage am meiſten angemeſſen; und als zufaͤllige Belebung viel Geſang
der Voͤgel, und in den Tagen des Fruͤhlings das einfoͤrmige Getoͤne des Kukuks und
das Gequaͤk der Froͤſche.
Die Anlage des laͤndlichen Gartens, er mag klein ſeyn, oder ſein Bezirk ſich
etwas erweitern, iſt auf Einfachheit und eine angenehme Nachlaͤßigkeit eingeſchraͤnket.
Er verſtattet keine mannichfaltigen und reichen Gegenſtaͤnde; er liebt die blos einfaͤl-
tigen Scenen der Natur, und er zeigt ſie ohne viel Wahl und Anordnung. Seine
Pflanzungen beſtehen aus gewoͤhnlichen Baͤumen des Landes; er iſt zufrieden, wenn
ſie ihm Schatten und Fruͤchte geben. Man erblicket zwiſchen Weiden, Linden und
Ulmen Aepfel- und Birnbaͤume; dieſe wechſeln mit Kirſchen, Nuͤſſen, Quitten,
Miſpeln und Pflaumen ab; und findet ſich eine hohe Eiche oder eine bejahrte Buche
auf dem Platz, ſo wird ihre wohlthaͤtige Beſchattung genutzt, und eine Bank unter
ihren Laubdecken aufgeſtellt. Keine Allee, keine kuͤnſtliche Anordnung der Baͤume;
ſie erſcheinen hin und wieder in freyen Gruppen, bald groͤßer, bald kleiner, bald mehr,
bald weniger von einander entfernt. Die Gaͤnge, bequem und rein, winden ſich neben
dieſen Gruppen, und zuweilen zwiſchen ihren Staͤmmen durch, und fuͤhren hier zu
dunkeln Schatten, dort zu einem freyen Platz voll friſchen Graſes hin. Sie ſind
bald mit einem Roſengebuͤſch, bald mit Johannisbeeren, Stachelbeeren, Berberi-
tzen, Hanebutten und andern Straͤuchern, die eßbare Fruͤchte tragen, eingefaßt.
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/73>, abgerufen am 03.03.2025.
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