Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
Erster Abschnitt. Von Lustschlössern
II.
Anordnung.

Lustschlösser unterscheiden sich von Landhäusern durch mehr Größe, Würde und
Pracht. Landhäuser vom ersten Range, zur Bewohnung des hohen Adels be-
stimmt, kommen ihnen am nächsten; und je mehr Stand und Reichthum der Besitzer
herabsteigt, desto mehr muß Größe, Pracht und Zierde, in Mäßigkeit und Beschei-
denheit übergehen.

Obgleich Lustschlösser Wohnungen der Könige und Fürsten sind, so erfordern
sie doch nicht den Umfang, die Hoheit und die Pracht der Paläste in Residenzstädten.
Diese sind hier nicht allein beständige Wohnungen der Landesregierer und ihrer Fami-
lien, sondern auch Gebäude, wo der Regent seine großen Geschäfte besorgt, wo er
seine Räthe und Regierungscollegien zusammenruft, wo er fremden Gesandten Gehör
giebt, wo sich der Adel und die Staatsbedienten versammeln, wo öffentliche Feste ge-
geben werden. Ein solches Gebäude muß demnach nicht blos einen weiten Umfang
haben, sondern auch vorzügliche Größe und Pracht in allen seinen innern Theilen zei-
gen. Es muß in seinen Außenseiten überall das Gepräge der Würde und Hoheit
tragen, und einen Eindruck von Ehrfurcht und Bewunderung rings um sich verbreiten.
Allein ein Lustschloß ist von einer andern Bestimmung. Der Landesfürst legt hier
gleichsam seinen öffentlichen Charakter, den er mitten unter seinem Volke behauptet,
nieder; er tritt in die Ruhe des Privatlebens ein. Ein großer Theil des Schwarms,
der ihn ermüdete, bleibt zurück; er will sich der Zärtlichkeit seiner Familie, den Ver-
gnügungen der Freundschaft überlassen; er will sich in der Einsamkeit erholen, durch
die sanften Freuden der Natur sich erquicken; er will, um sich als Mensch glücklich zu
fühlen, vergessen, daß er König ist. Wohnungen zu diesen Absichten bestimmt, dür-
fen nicht den großen und prächtigen Charakter der Residenzschlösser tragen. Sie
müssen indessen immer einen gewissen Theil von Hoheit und Größe behalten.

Mit den Landhäusern des Adels verhält es sich etwas anders. Er ist mehr
für das Land als für die Stadt. Er hat gewöhnlich seinen beständigen Aufenthalt
bey seinen Ländereyen, zu deren Cultur und Wohlstand seine Gegenwart fast unent-
behrlich scheint. Er hat hier sein Eigenthum und seine Herrschaft; er giebt seinen
Unterthanen Gehör, er spricht ihnen das Recht. Da er auf dem Lande den Sitz sei-
ner Herrschaft hat, so darf er schon mit Schicklichkeit hier prächtiger bauen, als in
der Residenz, wo sein Ansehen sich in das Gepränge des Hofes und der ersten Staats-
bedienten verliert, oder doch seine Abhängigkeit mehr bemerkbar ist. Nach diesen

Bemer-
Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern
II.
Anordnung.

Luſtſchloͤſſer unterſcheiden ſich von Landhaͤuſern durch mehr Groͤße, Wuͤrde und
Pracht. Landhaͤuſer vom erſten Range, zur Bewohnung des hohen Adels be-
ſtimmt, kommen ihnen am naͤchſten; und je mehr Stand und Reichthum der Beſitzer
herabſteigt, deſto mehr muß Groͤße, Pracht und Zierde, in Maͤßigkeit und Beſchei-
denheit uͤbergehen.

Obgleich Luſtſchloͤſſer Wohnungen der Koͤnige und Fuͤrſten ſind, ſo erfordern
ſie doch nicht den Umfang, die Hoheit und die Pracht der Palaͤſte in Reſidenzſtaͤdten.
Dieſe ſind hier nicht allein beſtaͤndige Wohnungen der Landesregierer und ihrer Fami-
lien, ſondern auch Gebaͤude, wo der Regent ſeine großen Geſchaͤfte beſorgt, wo er
ſeine Raͤthe und Regierungscollegien zuſammenruft, wo er fremden Geſandten Gehoͤr
giebt, wo ſich der Adel und die Staatsbedienten verſammeln, wo oͤffentliche Feſte ge-
geben werden. Ein ſolches Gebaͤude muß demnach nicht blos einen weiten Umfang
haben, ſondern auch vorzuͤgliche Groͤße und Pracht in allen ſeinen innern Theilen zei-
gen. Es muß in ſeinen Außenſeiten uͤberall das Gepraͤge der Wuͤrde und Hoheit
tragen, und einen Eindruck von Ehrfurcht und Bewunderung rings um ſich verbreiten.
Allein ein Luſtſchloß iſt von einer andern Beſtimmung. Der Landesfuͤrſt legt hier
gleichſam ſeinen oͤffentlichen Charakter, den er mitten unter ſeinem Volke behauptet,
nieder; er tritt in die Ruhe des Privatlebens ein. Ein großer Theil des Schwarms,
der ihn ermuͤdete, bleibt zuruͤck; er will ſich der Zaͤrtlichkeit ſeiner Familie, den Ver-
gnuͤgungen der Freundſchaft uͤberlaſſen; er will ſich in der Einſamkeit erholen, durch
die ſanften Freuden der Natur ſich erquicken; er will, um ſich als Menſch gluͤcklich zu
fuͤhlen, vergeſſen, daß er Koͤnig iſt. Wohnungen zu dieſen Abſichten beſtimmt, duͤr-
fen nicht den großen und praͤchtigen Charakter der Reſidenzſchloͤſſer tragen. Sie
muͤſſen indeſſen immer einen gewiſſen Theil von Hoheit und Groͤße behalten.

Mit den Landhaͤuſern des Adels verhaͤlt es ſich etwas anders. Er iſt mehr
fuͤr das Land als fuͤr die Stadt. Er hat gewoͤhnlich ſeinen beſtaͤndigen Aufenthalt
bey ſeinen Laͤndereyen, zu deren Cultur und Wohlſtand ſeine Gegenwart faſt unent-
behrlich ſcheint. Er hat hier ſein Eigenthum und ſeine Herrſchaft; er giebt ſeinen
Unterthanen Gehoͤr, er ſpricht ihnen das Recht. Da er auf dem Lande den Sitz ſei-
ner Herrſchaft hat, ſo darf er ſchon mit Schicklichkeit hier praͤchtiger bauen, als in
der Reſidenz, wo ſein Anſehen ſich in das Gepraͤnge des Hofes und der erſten Staats-
bedienten verliert, oder doch ſeine Abhaͤngigkeit mehr bemerkbar iſt. Nach dieſen

Bemer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <pb facs="#f0020" n="16"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt. Von Lu&#x017F;t&#x017F;chlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern</hi> </fw><lb/>
        <div n="3">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi><lb/><hi rendition="#g">Anordnung</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">L</hi>u&#x017F;t&#x017F;chlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich von Landha&#x0364;u&#x017F;ern durch mehr Gro&#x0364;ße, Wu&#x0364;rde und<lb/>
Pracht. Landha&#x0364;u&#x017F;er vom er&#x017F;ten Range, zur Bewohnung des hohen Adels be-<lb/>
&#x017F;timmt, kommen ihnen am na&#x0364;ch&#x017F;ten; und je mehr Stand und Reichthum der Be&#x017F;itzer<lb/>
herab&#x017F;teigt, de&#x017F;to mehr muß Gro&#x0364;ße, Pracht und Zierde, in Ma&#x0364;ßigkeit und Be&#x017F;chei-<lb/>
denheit u&#x0364;bergehen.</p><lb/>
          <p>Obgleich Lu&#x017F;t&#x017F;chlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Wohnungen der Ko&#x0364;nige und Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;ind, &#x017F;o erfordern<lb/>
&#x017F;ie doch nicht den Umfang, die Hoheit und die Pracht der Pala&#x0364;&#x017F;te in Re&#x017F;idenz&#x017F;ta&#x0364;dten.<lb/>
Die&#x017F;e &#x017F;ind hier nicht allein be&#x017F;ta&#x0364;ndige Wohnungen der Landesregierer und ihrer Fami-<lb/>
lien, &#x017F;ondern auch Geba&#x0364;ude, wo der Regent &#x017F;eine großen Ge&#x017F;cha&#x0364;fte be&#x017F;orgt, wo er<lb/>
&#x017F;eine Ra&#x0364;the und Regierungscollegien zu&#x017F;ammenruft, wo er fremden Ge&#x017F;andten Geho&#x0364;r<lb/>
giebt, wo &#x017F;ich der Adel und die Staatsbedienten ver&#x017F;ammeln, wo o&#x0364;ffentliche Fe&#x017F;te ge-<lb/>
geben werden. Ein &#x017F;olches Geba&#x0364;ude muß demnach nicht blos einen weiten Umfang<lb/>
haben, &#x017F;ondern auch vorzu&#x0364;gliche Gro&#x0364;ße und Pracht in allen &#x017F;einen innern Theilen zei-<lb/>
gen. Es muß in &#x017F;einen Außen&#x017F;eiten u&#x0364;berall das Gepra&#x0364;ge der Wu&#x0364;rde und Hoheit<lb/>
tragen, und einen Eindruck von Ehrfurcht und Bewunderung rings um &#x017F;ich verbreiten.<lb/>
Allein ein Lu&#x017F;t&#x017F;chloß i&#x017F;t von einer andern Be&#x017F;timmung. Der Landesfu&#x0364;r&#x017F;t legt hier<lb/>
gleich&#x017F;am &#x017F;einen o&#x0364;ffentlichen Charakter, den er mitten unter &#x017F;einem Volke behauptet,<lb/>
nieder; er tritt in die Ruhe des Privatlebens ein. Ein großer Theil des Schwarms,<lb/>
der ihn ermu&#x0364;dete, bleibt zuru&#x0364;ck; er will &#x017F;ich der Za&#x0364;rtlichkeit &#x017F;einer Familie, den Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gungen der Freund&#x017F;chaft u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en; er will &#x017F;ich in der Ein&#x017F;amkeit erholen, durch<lb/>
die &#x017F;anften Freuden der Natur &#x017F;ich erquicken; er will, um &#x017F;ich als Men&#x017F;ch glu&#x0364;cklich zu<lb/>
fu&#x0364;hlen, verge&#x017F;&#x017F;en, daß er Ko&#x0364;nig i&#x017F;t. Wohnungen zu die&#x017F;en Ab&#x017F;ichten be&#x017F;timmt, du&#x0364;r-<lb/>
fen nicht den großen und pra&#x0364;chtigen Charakter der Re&#x017F;idenz&#x017F;chlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er tragen. Sie<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en inde&#x017F;&#x017F;en immer einen gewi&#x017F;&#x017F;en Theil von Hoheit und Gro&#x0364;ße behalten.</p><lb/>
          <p>Mit den Landha&#x0364;u&#x017F;ern des Adels verha&#x0364;lt es &#x017F;ich etwas anders. Er i&#x017F;t mehr<lb/>
fu&#x0364;r das Land als fu&#x0364;r die Stadt. Er hat gewo&#x0364;hnlich &#x017F;einen be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Aufenthalt<lb/>
bey &#x017F;einen La&#x0364;ndereyen, zu deren Cultur und Wohl&#x017F;tand &#x017F;eine Gegenwart fa&#x017F;t unent-<lb/>
behrlich &#x017F;cheint. Er hat hier &#x017F;ein Eigenthum und &#x017F;eine Herr&#x017F;chaft; er giebt &#x017F;einen<lb/>
Unterthanen Geho&#x0364;r, er &#x017F;pricht ihnen das Recht. Da er auf dem Lande den Sitz &#x017F;ei-<lb/>
ner Herr&#x017F;chaft hat, &#x017F;o darf er &#x017F;chon mit Schicklichkeit hier pra&#x0364;chtiger bauen, als in<lb/>
der Re&#x017F;idenz, wo &#x017F;ein An&#x017F;ehen &#x017F;ich in das Gepra&#x0364;nge des Hofes und der er&#x017F;ten Staats-<lb/>
bedienten verliert, oder doch &#x017F;eine Abha&#x0364;ngigkeit mehr bemerkbar i&#x017F;t. Nach die&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bemer-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0020] Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern II. Anordnung. Luſtſchloͤſſer unterſcheiden ſich von Landhaͤuſern durch mehr Groͤße, Wuͤrde und Pracht. Landhaͤuſer vom erſten Range, zur Bewohnung des hohen Adels be- ſtimmt, kommen ihnen am naͤchſten; und je mehr Stand und Reichthum der Beſitzer herabſteigt, deſto mehr muß Groͤße, Pracht und Zierde, in Maͤßigkeit und Beſchei- denheit uͤbergehen. Obgleich Luſtſchloͤſſer Wohnungen der Koͤnige und Fuͤrſten ſind, ſo erfordern ſie doch nicht den Umfang, die Hoheit und die Pracht der Palaͤſte in Reſidenzſtaͤdten. Dieſe ſind hier nicht allein beſtaͤndige Wohnungen der Landesregierer und ihrer Fami- lien, ſondern auch Gebaͤude, wo der Regent ſeine großen Geſchaͤfte beſorgt, wo er ſeine Raͤthe und Regierungscollegien zuſammenruft, wo er fremden Geſandten Gehoͤr giebt, wo ſich der Adel und die Staatsbedienten verſammeln, wo oͤffentliche Feſte ge- geben werden. Ein ſolches Gebaͤude muß demnach nicht blos einen weiten Umfang haben, ſondern auch vorzuͤgliche Groͤße und Pracht in allen ſeinen innern Theilen zei- gen. Es muß in ſeinen Außenſeiten uͤberall das Gepraͤge der Wuͤrde und Hoheit tragen, und einen Eindruck von Ehrfurcht und Bewunderung rings um ſich verbreiten. Allein ein Luſtſchloß iſt von einer andern Beſtimmung. Der Landesfuͤrſt legt hier gleichſam ſeinen oͤffentlichen Charakter, den er mitten unter ſeinem Volke behauptet, nieder; er tritt in die Ruhe des Privatlebens ein. Ein großer Theil des Schwarms, der ihn ermuͤdete, bleibt zuruͤck; er will ſich der Zaͤrtlichkeit ſeiner Familie, den Ver- gnuͤgungen der Freundſchaft uͤberlaſſen; er will ſich in der Einſamkeit erholen, durch die ſanften Freuden der Natur ſich erquicken; er will, um ſich als Menſch gluͤcklich zu fuͤhlen, vergeſſen, daß er Koͤnig iſt. Wohnungen zu dieſen Abſichten beſtimmt, duͤr- fen nicht den großen und praͤchtigen Charakter der Reſidenzſchloͤſſer tragen. Sie muͤſſen indeſſen immer einen gewiſſen Theil von Hoheit und Groͤße behalten. Mit den Landhaͤuſern des Adels verhaͤlt es ſich etwas anders. Er iſt mehr fuͤr das Land als fuͤr die Stadt. Er hat gewoͤhnlich ſeinen beſtaͤndigen Aufenthalt bey ſeinen Laͤndereyen, zu deren Cultur und Wohlſtand ſeine Gegenwart faſt unent- behrlich ſcheint. Er hat hier ſein Eigenthum und ſeine Herrſchaft; er giebt ſeinen Unterthanen Gehoͤr, er ſpricht ihnen das Recht. Da er auf dem Lande den Sitz ſei- ner Herrſchaft hat, ſo darf er ſchon mit Schicklichkeit hier praͤchtiger bauen, als in der Reſidenz, wo ſein Anſehen ſich in das Gepraͤnge des Hofes und der erſten Staats- bedienten verliert, oder doch ſeine Abhaͤngigkeit mehr bemerkbar iſt. Nach dieſen Bemer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/20
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/20>, abgerufen am 21.11.2024.