Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Dritter Abschnitt. Von Tempeln, Grotten, V. Ruinen. 1. Ruinen als Werke der Nachahmung in Gärten betrachtet, haben bey dem ersten In der That, so lange man noch nicht angefangen hatte, von allen Gegenstän- Bey einer nähern Betrachtung verschwindet das Unschickliche, das man in der 2. Vornehmlich aber sind es die Wirkungen der Ruinen, die ihre Nachahmung anneh-
Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, V. Ruinen. 1. Ruinen als Werke der Nachahmung in Gaͤrten betrachtet, haben bey dem erſten In der That, ſo lange man noch nicht angefangen hatte, von allen Gegenſtaͤn- Bey einer naͤhern Betrachtung verſchwindet das Unſchickliche, das man in der 2. Vornehmlich aber ſind es die Wirkungen der Ruinen, die ihre Nachahmung anneh-
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <pb facs="#f0114" n="110"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,</hi> </fw><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi><lb/><hi rendition="#g">Ruinen</hi>.</hi> </head><lb/> <div n="4"> <head>1.</head><lb/> <p><hi rendition="#in">R</hi>uinen als Werke der Nachahmung in Gaͤrten betrachtet, haben bey dem erſten<lb/> Anblick ſo viel Auffallendes, daß man ſich mit Recht daruͤber verwundern zu<lb/> duͤrfen ſcheint, wie man ſie mit Bedacht anlegen kann. Es ſcheint ein Eingriff in<lb/> die Vorrechte der Zeit zu ſeyn, deren Wirkung ſich ohne unſere Beyhuͤlfe in der Ver-<lb/> ſchlimmerung und Aufloͤſung der Dinge zeigt; eine uͤbel verſtandene Anwendung der<lb/> Kunſt zu bauen, die durch Schoͤpfung und nicht durch Zerſtoͤrung ſich anzukuͤndigen<lb/> pflegt; eine Verletzung der Annehmlichkeiten der Natur, die ſich wundern muß, mit-<lb/> ten in ihrem Schooße klaͤgliche Steinhaufen von der Hand des Menſchen, die ſie ſonſt<lb/> wegzuſchaffen beſchaͤftigt war, hingeworfen zu ſehen.</p><lb/> <p>In der That, ſo lange man noch nicht angefangen hatte, von allen Gegenſtaͤn-<lb/> den der Landſchaft die Wirkungen zu berechnen, die ſich zur Erweiterung und Verſtaͤr-<lb/> kung der Gartenempfindungen vortheilhaft anwenden laſſen; ſo lange konnte man nicht<lb/> auf eine kuͤnſtliche Nachahmung der Ruinen fallen. Sie ſind daher erſt in den neuern<lb/> Gaͤrten der <hi rendition="#fr">Englaͤnder</hi> in Gebrauch gekommen.</p><lb/> <p>Bey einer naͤhern Betrachtung verſchwindet das Unſchickliche, das man in der<lb/> Anlage nachgeahmter Ruinen zu bemerken glaubt. Wirkliche Ruinen ſind an ſich<lb/> nichts Unnatuͤrliches auf einem Gartenplatz, und von der Kunſt nachgeahmte Ruinen<lb/> koͤnnen voͤllig das Anſehen und daher auch die Wirkung wahrer Ruinen erhalten.<lb/> Weil Gaͤrten doch nichts anders, als Nachahmungen aller Arten von wirklichen Ge-<lb/> genden ſind, ſo koͤnnen auch Ruinen in ihrem Bezirk eine Stelle einnehmen.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>2.</head><lb/> <p>Vornehmlich aber ſind es die Wirkungen der Ruinen, die ihre Nachahmung<lb/> nicht allein rechtfertigen, ſondern ſelbſt empfehlen. Zuruͤckerinnerung an die vergan-<lb/> genen Zeiten und ein gewiſſes mit Melancholie vermiſchtes Gefuͤhl des Bedauerns,<lb/> ſind die allgemeinen Wirkungen der Ruinen. Allein dieſe Wirkungen koͤnnen von<lb/> dem beſondern Charakter und der vormaligen Beſtimmung, von dem Alter, von der<lb/> oft deutlichen, oͤfters ungewiſſen Einrichtung und Geſtalt, von den hie und da halb<lb/> vertilgten Aufſchriften eines verfallenen Gebaͤudes, von der Lage und von andern Um-<lb/> ſtaͤnden, die auf Begebenheiten und Sitten hinwinken, mannigfaltige Modificationen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">anneh-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0114]
Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,
V.
Ruinen.
1.
Ruinen als Werke der Nachahmung in Gaͤrten betrachtet, haben bey dem erſten
Anblick ſo viel Auffallendes, daß man ſich mit Recht daruͤber verwundern zu
duͤrfen ſcheint, wie man ſie mit Bedacht anlegen kann. Es ſcheint ein Eingriff in
die Vorrechte der Zeit zu ſeyn, deren Wirkung ſich ohne unſere Beyhuͤlfe in der Ver-
ſchlimmerung und Aufloͤſung der Dinge zeigt; eine uͤbel verſtandene Anwendung der
Kunſt zu bauen, die durch Schoͤpfung und nicht durch Zerſtoͤrung ſich anzukuͤndigen
pflegt; eine Verletzung der Annehmlichkeiten der Natur, die ſich wundern muß, mit-
ten in ihrem Schooße klaͤgliche Steinhaufen von der Hand des Menſchen, die ſie ſonſt
wegzuſchaffen beſchaͤftigt war, hingeworfen zu ſehen.
In der That, ſo lange man noch nicht angefangen hatte, von allen Gegenſtaͤn-
den der Landſchaft die Wirkungen zu berechnen, die ſich zur Erweiterung und Verſtaͤr-
kung der Gartenempfindungen vortheilhaft anwenden laſſen; ſo lange konnte man nicht
auf eine kuͤnſtliche Nachahmung der Ruinen fallen. Sie ſind daher erſt in den neuern
Gaͤrten der Englaͤnder in Gebrauch gekommen.
Bey einer naͤhern Betrachtung verſchwindet das Unſchickliche, das man in der
Anlage nachgeahmter Ruinen zu bemerken glaubt. Wirkliche Ruinen ſind an ſich
nichts Unnatuͤrliches auf einem Gartenplatz, und von der Kunſt nachgeahmte Ruinen
koͤnnen voͤllig das Anſehen und daher auch die Wirkung wahrer Ruinen erhalten.
Weil Gaͤrten doch nichts anders, als Nachahmungen aller Arten von wirklichen Ge-
genden ſind, ſo koͤnnen auch Ruinen in ihrem Bezirk eine Stelle einnehmen.
2.
Vornehmlich aber ſind es die Wirkungen der Ruinen, die ihre Nachahmung
nicht allein rechtfertigen, ſondern ſelbſt empfehlen. Zuruͤckerinnerung an die vergan-
genen Zeiten und ein gewiſſes mit Melancholie vermiſchtes Gefuͤhl des Bedauerns,
ſind die allgemeinen Wirkungen der Ruinen. Allein dieſe Wirkungen koͤnnen von
dem beſondern Charakter und der vormaligen Beſtimmung, von dem Alter, von der
oft deutlichen, oͤfters ungewiſſen Einrichtung und Geſtalt, von den hie und da halb
vertilgten Aufſchriften eines verfallenen Gebaͤudes, von der Lage und von andern Um-
ſtaͤnden, die auf Begebenheiten und Sitten hinwinken, mannigfaltige Modificationen
anneh-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |