Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom Wasser.
Beschreibung von zween berühmten Seen.
a.
Der See zu Keswick.
*)

Der See zu Keswick ist in ganz England berühmt. Man schätzt ihn auf
zehn (englische) Meilen im Umkreise. Er ist länglich und mit erstaunlichen Bergen ein-
gefaßt, die einige Monate im Jahre mit ihren Spitzen in den Wolken stehen. Die
beste Art ihn zu besehen ist, mit einem Fahrzeuge längst dem Ufer in der Runde her-
um zu fahren und dann und wann auszusteigen, um die schönen Prospecte zu be-
trachten.

Von der Stadt geht man nach Cockshuthill, einem kleinen Hügel in dem Am-
phitheater von Bergen, der erst vor einiger Zeit bepflanzt ist. Die Aussicht über
den See ist hier prächtig. Man hat eine schöne Fläche Wasser vor sich, darin man
fünf Inseln bemerkt, und gleichwohl hoch genug steht, um das Wasser rings um sie
zu sehen. Die mittelste hat wohl fünf Morgen Wiese und ein Haus, das unter ei-
nem Klumpen von Bäumen steht. Eine andre ist mit Fichten besetzt, und die drey übri-
gen liegen in noch mehrerer Entfernung. Dies ist die Fläche des prächtigen Amphi-
theaters. Die Wände sind in einem eben so erhabenen Stil. Zur Linken bemerkt
man zuerst einen felsichten Hügel, der mit allerley Gesträuche besetzt ist, und weiter
hin eine Kette der schrecklichsten Felsen auf vierhundert Ellen hoch. Unten am Fuße
stehen Bäume, über welche das nackte Haupt der Felsen hervorragt; zuletzt scheint
sich der See zwischen Bergen und Felsen zu verlieren; einer ist immer höher als der
andre, welches dem Ganzen ein wildes Ansehen giebt. Auf der Seite gegenüber
liegt eine große Menge Hügel, und weiter zurück der Skiddow, der höchste von allen
umliegenden Bergen, dessen Spitze bis in die Wolken steigt.

Von diesem Hügel geht man zum Boote hinab. Das Wasser des Sees ist
unglaublich klar; auf dem Grunde liegen nichts als Steine, darunter die weißen,
durch die zitternde Bewegung des Wassers, wie Diamanten schimmern. Man fährt
längst der linken Küste hin, deren Klippen bald in den See hineinragen, bald sich zu-
rückziehen, und kommt an Wallow-Cray, einen der vorher erwähnten ungeheuern
Felsen, von dessen Fuße man einen artigen Prospect hat. Die Felsen und Gebürge
umher stehen prächtig da, und sind bis auf ein Drittel ihrer Höhe mit überhängenden
Bäumen besetzt; der See macht einen Meerbusen, und gegenüber liegt die Insel

Bramps-
*) Youngs Reise durch die nördlichen Provinzen von England, 2ter Th. 17ter Br.
M 2
Vom Waſſer.
Beſchreibung von zween beruͤhmten Seen.
a.
Der See zu Keswick.
*)

Der See zu Keswick iſt in ganz England beruͤhmt. Man ſchaͤtzt ihn auf
zehn (engliſche) Meilen im Umkreiſe. Er iſt laͤnglich und mit erſtaunlichen Bergen ein-
gefaßt, die einige Monate im Jahre mit ihren Spitzen in den Wolken ſtehen. Die
beſte Art ihn zu beſehen iſt, mit einem Fahrzeuge laͤngſt dem Ufer in der Runde her-
um zu fahren und dann und wann auszuſteigen, um die ſchoͤnen Proſpecte zu be-
trachten.

Von der Stadt geht man nach Cockſhuthill, einem kleinen Huͤgel in dem Am-
phitheater von Bergen, der erſt vor einiger Zeit bepflanzt iſt. Die Ausſicht uͤber
den See iſt hier praͤchtig. Man hat eine ſchoͤne Flaͤche Waſſer vor ſich, darin man
fuͤnf Inſeln bemerkt, und gleichwohl hoch genug ſteht, um das Waſſer rings um ſie
zu ſehen. Die mittelſte hat wohl fuͤnf Morgen Wieſe und ein Haus, das unter ei-
nem Klumpen von Baͤumen ſteht. Eine andre iſt mit Fichten beſetzt, und die drey uͤbri-
gen liegen in noch mehrerer Entfernung. Dies iſt die Flaͤche des praͤchtigen Amphi-
theaters. Die Waͤnde ſind in einem eben ſo erhabenen Stil. Zur Linken bemerkt
man zuerſt einen felſichten Huͤgel, der mit allerley Geſtraͤuche beſetzt iſt, und weiter
hin eine Kette der ſchrecklichſten Felſen auf vierhundert Ellen hoch. Unten am Fuße
ſtehen Baͤume, uͤber welche das nackte Haupt der Felſen hervorragt; zuletzt ſcheint
ſich der See zwiſchen Bergen und Felſen zu verlieren; einer iſt immer hoͤher als der
andre, welches dem Ganzen ein wildes Anſehen giebt. Auf der Seite gegenuͤber
liegt eine große Menge Huͤgel, und weiter zuruͤck der Skiddow, der hoͤchſte von allen
umliegenden Bergen, deſſen Spitze bis in die Wolken ſteigt.

Von dieſem Huͤgel geht man zum Boote hinab. Das Waſſer des Sees iſt
unglaublich klar; auf dem Grunde liegen nichts als Steine, darunter die weißen,
durch die zitternde Bewegung des Waſſers, wie Diamanten ſchimmern. Man faͤhrt
laͤngſt der linken Kuͤſte hin, deren Klippen bald in den See hineinragen, bald ſich zu-
ruͤckziehen, und kommt an Wallow-Cray, einen der vorher erwaͤhnten ungeheuern
Felſen, von deſſen Fuße man einen artigen Proſpect hat. Die Felſen und Gebuͤrge
umher ſtehen praͤchtig da, und ſind bis auf ein Drittel ihrer Hoͤhe mit uͤberhaͤngenden
Baͤumen beſetzt; der See macht einen Meerbuſen, und gegenuͤber liegt die Inſel

Bramps-
*) Youngs Reiſe durch die noͤrdlichen Provinzen von England, 2ter Th. 17ter Br.
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0095" n="91"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Wa&#x017F;&#x017F;er.</hi> </fw><lb/>
          <div n="4">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Be&#x017F;chreibung von zween beru&#x0364;hmten Seen</hi>.</hi> </head><lb/>
            <div n="5">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">a.</hi><lb/>
Der See zu Keswick.</hi> <note place="foot" n="*)">Youngs Rei&#x017F;e durch die no&#x0364;rdlichen Provinzen von England, 2ter Th. 17ter Br.</note>
              </head><lb/>
              <p>Der See zu <hi rendition="#fr">Keswick</hi> i&#x017F;t in ganz <hi rendition="#fr">England</hi> beru&#x0364;hmt. Man &#x017F;cha&#x0364;tzt ihn auf<lb/>
zehn (engli&#x017F;che) Meilen im Umkrei&#x017F;e. Er i&#x017F;t la&#x0364;nglich und mit er&#x017F;taunlichen Bergen ein-<lb/>
gefaßt, die einige Monate im Jahre mit ihren Spitzen in den Wolken &#x017F;tehen. Die<lb/>
be&#x017F;te Art ihn zu be&#x017F;ehen i&#x017F;t, mit einem Fahrzeuge la&#x0364;ng&#x017F;t dem Ufer in der Runde her-<lb/>
um zu fahren und dann und wann auszu&#x017F;teigen, um die &#x017F;cho&#x0364;nen Pro&#x017F;pecte zu be-<lb/>
trachten.</p><lb/>
              <p>Von der Stadt geht man nach Cock&#x017F;huthill, einem kleinen Hu&#x0364;gel in dem Am-<lb/>
phitheater von Bergen, der er&#x017F;t vor einiger Zeit bepflanzt i&#x017F;t. Die Aus&#x017F;icht u&#x0364;ber<lb/>
den See i&#x017F;t hier pra&#x0364;chtig. Man hat eine &#x017F;cho&#x0364;ne Fla&#x0364;che Wa&#x017F;&#x017F;er vor &#x017F;ich, darin man<lb/>
fu&#x0364;nf In&#x017F;eln bemerkt, und gleichwohl hoch genug &#x017F;teht, um das Wa&#x017F;&#x017F;er rings um &#x017F;ie<lb/>
zu &#x017F;ehen. Die mittel&#x017F;te hat wohl fu&#x0364;nf Morgen Wie&#x017F;e und ein Haus, das unter ei-<lb/>
nem Klumpen von Ba&#x0364;umen &#x017F;teht. Eine andre i&#x017F;t mit Fichten be&#x017F;etzt, und die drey u&#x0364;bri-<lb/>
gen liegen in noch mehrerer Entfernung. Dies i&#x017F;t die Fla&#x0364;che des pra&#x0364;chtigen Amphi-<lb/>
theaters. Die Wa&#x0364;nde &#x017F;ind in einem eben &#x017F;o erhabenen Stil. Zur Linken bemerkt<lb/>
man zuer&#x017F;t einen fel&#x017F;ichten Hu&#x0364;gel, der mit allerley Ge&#x017F;tra&#x0364;uche be&#x017F;etzt i&#x017F;t, und weiter<lb/>
hin eine Kette der &#x017F;chrecklich&#x017F;ten Fel&#x017F;en auf vierhundert Ellen hoch. Unten am Fuße<lb/>
&#x017F;tehen Ba&#x0364;ume, u&#x0364;ber welche das nackte Haupt der Fel&#x017F;en hervorragt; zuletzt &#x017F;cheint<lb/>
&#x017F;ich der See zwi&#x017F;chen Bergen und Fel&#x017F;en zu verlieren; einer i&#x017F;t immer ho&#x0364;her als der<lb/>
andre, welches dem Ganzen ein wildes An&#x017F;ehen giebt. Auf der Seite gegenu&#x0364;ber<lb/>
liegt eine große Menge Hu&#x0364;gel, und weiter zuru&#x0364;ck der Skiddow, der ho&#x0364;ch&#x017F;te von allen<lb/>
umliegenden Bergen, de&#x017F;&#x017F;en Spitze bis in die Wolken &#x017F;teigt.</p><lb/>
              <p>Von die&#x017F;em Hu&#x0364;gel geht man zum Boote hinab. Das Wa&#x017F;&#x017F;er des Sees i&#x017F;t<lb/>
unglaublich klar; auf dem Grunde liegen nichts als Steine, darunter die weißen,<lb/>
durch die zitternde Bewegung des Wa&#x017F;&#x017F;ers, wie Diamanten &#x017F;chimmern. Man fa&#x0364;hrt<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t der linken Ku&#x0364;&#x017F;te hin, deren Klippen bald in den See hineinragen, bald &#x017F;ich zu-<lb/>
ru&#x0364;ckziehen, und kommt an Wallow-Cray, einen der vorher erwa&#x0364;hnten ungeheuern<lb/>
Fel&#x017F;en, von de&#x017F;&#x017F;en Fuße man einen artigen Pro&#x017F;pect hat. Die Fel&#x017F;en und Gebu&#x0364;rge<lb/>
umher &#x017F;tehen pra&#x0364;chtig da, und &#x017F;ind bis auf ein Drittel ihrer Ho&#x0364;he mit u&#x0364;berha&#x0364;ngenden<lb/>
Ba&#x0364;umen be&#x017F;etzt; der See macht einen Meerbu&#x017F;en, und gegenu&#x0364;ber liegt die In&#x017F;el<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Bramps-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0095] Vom Waſſer. Beſchreibung von zween beruͤhmten Seen. a. Der See zu Keswick. *) Der See zu Keswick iſt in ganz England beruͤhmt. Man ſchaͤtzt ihn auf zehn (engliſche) Meilen im Umkreiſe. Er iſt laͤnglich und mit erſtaunlichen Bergen ein- gefaßt, die einige Monate im Jahre mit ihren Spitzen in den Wolken ſtehen. Die beſte Art ihn zu beſehen iſt, mit einem Fahrzeuge laͤngſt dem Ufer in der Runde her- um zu fahren und dann und wann auszuſteigen, um die ſchoͤnen Proſpecte zu be- trachten. Von der Stadt geht man nach Cockſhuthill, einem kleinen Huͤgel in dem Am- phitheater von Bergen, der erſt vor einiger Zeit bepflanzt iſt. Die Ausſicht uͤber den See iſt hier praͤchtig. Man hat eine ſchoͤne Flaͤche Waſſer vor ſich, darin man fuͤnf Inſeln bemerkt, und gleichwohl hoch genug ſteht, um das Waſſer rings um ſie zu ſehen. Die mittelſte hat wohl fuͤnf Morgen Wieſe und ein Haus, das unter ei- nem Klumpen von Baͤumen ſteht. Eine andre iſt mit Fichten beſetzt, und die drey uͤbri- gen liegen in noch mehrerer Entfernung. Dies iſt die Flaͤche des praͤchtigen Amphi- theaters. Die Waͤnde ſind in einem eben ſo erhabenen Stil. Zur Linken bemerkt man zuerſt einen felſichten Huͤgel, der mit allerley Geſtraͤuche beſetzt iſt, und weiter hin eine Kette der ſchrecklichſten Felſen auf vierhundert Ellen hoch. Unten am Fuße ſtehen Baͤume, uͤber welche das nackte Haupt der Felſen hervorragt; zuletzt ſcheint ſich der See zwiſchen Bergen und Felſen zu verlieren; einer iſt immer hoͤher als der andre, welches dem Ganzen ein wildes Anſehen giebt. Auf der Seite gegenuͤber liegt eine große Menge Huͤgel, und weiter zuruͤck der Skiddow, der hoͤchſte von allen umliegenden Bergen, deſſen Spitze bis in die Wolken ſteigt. Von dieſem Huͤgel geht man zum Boote hinab. Das Waſſer des Sees iſt unglaublich klar; auf dem Grunde liegen nichts als Steine, darunter die weißen, durch die zitternde Bewegung des Waſſers, wie Diamanten ſchimmern. Man faͤhrt laͤngſt der linken Kuͤſte hin, deren Klippen bald in den See hineinragen, bald ſich zu- ruͤckziehen, und kommt an Wallow-Cray, einen der vorher erwaͤhnten ungeheuern Felſen, von deſſen Fuße man einen artigen Proſpect hat. Die Felſen und Gebuͤrge umher ſtehen praͤchtig da, und ſind bis auf ein Drittel ihrer Hoͤhe mit uͤberhaͤngenden Baͤumen beſetzt; der See macht einen Meerbuſen, und gegenuͤber liegt die Inſel Bramps- *) Youngs Reiſe durch die noͤrdlichen Provinzen von England, 2ter Th. 17ter Br. M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/95
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/95>, abgerufen am 21.11.2024.