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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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Du kommst, dein Tuch zu holen, sagte er; du
hättest dir die Mühe sparen können, denn morgen
in der Früh hätte ich Giuseppe gebeten, es dir zu
bringen.

Es ist nicht um das Tuch, erwiederte sie rasch.
Ich bin auf dem Berg gewesen, um dir Kräuter zu
holen, die gegen das Bluten sind. Da! Und sie
hob den Deckel vom Körbchen.

Zu viel Mühe, sagte er, und ohne alle Herbig¬
keit, zu viel Mühe. Es geht schon besser, viel besser;
und wenn es schlimmer ginge, ging' es auch nach Ver¬
dienst. Was willst du hier um die Zeit? Wenn dich
einer hier träfe! du weißt, wie sie schwatzen, obwohl
sie nicht wissen, was sie sagen.

Ich kümmere mich um Keinen, sprach sie heftig.
Aber die Hand will ich sehen und die Kräuter dar¬
auf thun, denn mit der Linken bringst du es nicht
zu Stande.

Ich sage dir, daß es unnöthig ist.

So laß es mich sehen, damit ich's glaube.

Sie ergriff ohne weiteres die Hand, die sich nicht
wehren konnte, und band die Lappen ab. Als sie
die starke Geschwulst sah, fuhr sie zusammen und
schrie auf: Jesus Maria!

Es ist ein bischen aufgelaufen, sagte er. Das
geht weg in einem Tag und einer Nacht.

Du kommſt, dein Tuch zu holen, ſagte er; du
hätteſt dir die Mühe ſparen können, denn morgen
in der Früh hätte ich Giuſeppe gebeten, es dir zu
bringen.

Es iſt nicht um das Tuch, erwiederte ſie raſch.
Ich bin auf dem Berg geweſen, um dir Kräuter zu
holen, die gegen das Bluten ſind. Da! Und ſie
hob den Deckel vom Körbchen.

Zu viel Mühe, ſagte er, und ohne alle Herbig¬
keit, zu viel Mühe. Es geht ſchon beſſer, viel beſſer;
und wenn es ſchlimmer ginge, ging' es auch nach Ver¬
dienſt. Was willſt du hier um die Zeit? Wenn dich
einer hier träfe! du weißt, wie ſie ſchwatzen, obwohl
ſie nicht wiſſen, was ſie ſagen.

Ich kümmere mich um Keinen, ſprach ſie heftig.
Aber die Hand will ich ſehen und die Kräuter dar¬
auf thun, denn mit der Linken bringſt du es nicht
zu Stande.

Ich ſage dir, daß es unnöthig iſt.

So laß es mich ſehen, damit ich's glaube.

Sie ergriff ohne weiteres die Hand, die ſich nicht
wehren konnte, und band die Lappen ab. Als ſie
die ſtarke Geſchwulſt ſah, fuhr ſie zuſammen und
ſchrie auf: Jeſus Maria!

Es iſt ein bischen aufgelaufen, ſagte er. Das
geht weg in einem Tag und einer Nacht.

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[118/0130] Du kommſt, dein Tuch zu holen, ſagte er; du hätteſt dir die Mühe ſparen können, denn morgen in der Früh hätte ich Giuſeppe gebeten, es dir zu bringen. Es iſt nicht um das Tuch, erwiederte ſie raſch. Ich bin auf dem Berg geweſen, um dir Kräuter zu holen, die gegen das Bluten ſind. Da! Und ſie hob den Deckel vom Körbchen. Zu viel Mühe, ſagte er, und ohne alle Herbig¬ keit, zu viel Mühe. Es geht ſchon beſſer, viel beſſer; und wenn es ſchlimmer ginge, ging' es auch nach Ver¬ dienſt. Was willſt du hier um die Zeit? Wenn dich einer hier träfe! du weißt, wie ſie ſchwatzen, obwohl ſie nicht wiſſen, was ſie ſagen. Ich kümmere mich um Keinen, ſprach ſie heftig. Aber die Hand will ich ſehen und die Kräuter dar¬ auf thun, denn mit der Linken bringſt du es nicht zu Stande. Ich ſage dir, daß es unnöthig iſt. So laß es mich ſehen, damit ich's glaube. Sie ergriff ohne weiteres die Hand, die ſich nicht wehren konnte, und band die Lappen ab. Als ſie die ſtarke Geſchwulſt ſah, fuhr ſie zuſammen und ſchrie auf: Jeſus Maria! Es iſt ein bischen aufgelaufen, ſagte er. Das geht weg in einem Tag und einer Nacht.

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/130>, abgerufen am 26.04.2024.