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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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werden von deinem Herzen, ob du lieben willst oder
nicht, wenn seine Zeit gekommen ist; dann hilft Alles
nicht, was du dir jetzt in den Kopf setzest. -- Wieder
nach einer Pause: Und jener Maler, hast du ihm
auch zugetraut, daß er dir hart begegnen würde?

Er machte so Augen, wie ich sie bei meinem
Vater gesehen habe, wenn er der Mutter abbat und
sie in die Arme nehmen wollte, um ihr wieder gute
Worte zu geben. Die Augen kenn' ich. Es kann
sie auch einer machen, der's übers Herz bringt seine
Frau zu schlagen, die ihm nie was zu Leide gethan
hat. Mir graute, wie ich die Augen wieder sah.

Darauf schwieg sie beharrlich still. Auch der
Pfarrer schwieg. Er besann sich wohl auf viele schöne
Sprüche, die er dem Mädchen hätte vorhalten kön¬
nen. Aber die Gegenwart des jungen Schiffers, der
gegen das Ende der Beichte unruhiger geworden war,
verschloß ihm den Mund.

Als sie nach einer zweistündigen Fahrt in dem
kleinen Hafen von Capri anlangten, trug Antonino
den geistlichen Herrn aus dem Kahn über die letzten
flachen Wellen und setzte ihn ehrerbietig ab. Doch
hatte Laurella nicht warten wollen, bis er wieder
zurück watete und sie nachholte. Sie nahm ihr Röck¬
chen zusammen, die Holzpantöffelchen in die rechte,
das Bündel in die linke Hand und plätscherte hurtig
ans Land.

werden von deinem Herzen, ob du lieben willſt oder
nicht, wenn ſeine Zeit gekommen iſt; dann hilft Alles
nicht, was du dir jetzt in den Kopf ſetzeſt. — Wieder
nach einer Pauſe: Und jener Maler, haſt du ihm
auch zugetraut, daß er dir hart begegnen würde?

Er machte ſo Augen, wie ich ſie bei meinem
Vater geſehen habe, wenn er der Mutter abbat und
ſie in die Arme nehmen wollte, um ihr wieder gute
Worte zu geben. Die Augen kenn' ich. Es kann
ſie auch einer machen, der's übers Herz bringt ſeine
Frau zu ſchlagen, die ihm nie was zu Leide gethan
hat. Mir graute, wie ich die Augen wieder ſah.

Darauf ſchwieg ſie beharrlich ſtill. Auch der
Pfarrer ſchwieg. Er beſann ſich wohl auf viele ſchöne
Sprüche, die er dem Mädchen hätte vorhalten kön¬
nen. Aber die Gegenwart des jungen Schiffers, der
gegen das Ende der Beichte unruhiger geworden war,
verſchloß ihm den Mund.

Als ſie nach einer zweiſtündigen Fahrt in dem
kleinen Hafen von Capri anlangten, trug Antonino
den geiſtlichen Herrn aus dem Kahn über die letzten
flachen Wellen und ſetzte ihn ehrerbietig ab. Doch
hatte Laurella nicht warten wollen, bis er wieder
zurück watete und ſie nachholte. Sie nahm ihr Röck¬
chen zuſammen, die Holzpantöffelchen in die rechte,
das Bündel in die linke Hand und plätſcherte hurtig
ans Land.

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[102/0114] werden von deinem Herzen, ob du lieben willſt oder nicht, wenn ſeine Zeit gekommen iſt; dann hilft Alles nicht, was du dir jetzt in den Kopf ſetzeſt. — Wieder nach einer Pauſe: Und jener Maler, haſt du ihm auch zugetraut, daß er dir hart begegnen würde? Er machte ſo Augen, wie ich ſie bei meinem Vater geſehen habe, wenn er der Mutter abbat und ſie in die Arme nehmen wollte, um ihr wieder gute Worte zu geben. Die Augen kenn' ich. Es kann ſie auch einer machen, der's übers Herz bringt ſeine Frau zu ſchlagen, die ihm nie was zu Leide gethan hat. Mir graute, wie ich die Augen wieder ſah. Darauf ſchwieg ſie beharrlich ſtill. Auch der Pfarrer ſchwieg. Er beſann ſich wohl auf viele ſchöne Sprüche, die er dem Mädchen hätte vorhalten kön¬ nen. Aber die Gegenwart des jungen Schiffers, der gegen das Ende der Beichte unruhiger geworden war, verſchloß ihm den Mund. Als ſie nach einer zweiſtündigen Fahrt in dem kleinen Hafen von Capri anlangten, trug Antonino den geiſtlichen Herrn aus dem Kahn über die letzten flachen Wellen und ſetzte ihn ehrerbietig ab. Doch hatte Laurella nicht warten wollen, bis er wieder zurück watete und ſie nachholte. Sie nahm ihr Röck¬ chen zuſammen, die Holzpantöffelchen in die rechte, das Bündel in die linke Hand und plätſcherte hurtig ans Land.

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/114>, abgerufen am 26.04.2024.