Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Fünftes Capitel. Mit Verwunderung bemerkten am andern Morgen Rührend war die Freundlichkeit, mit der das Mäd¬ 3 *
Fünftes Capitel. Mit Verwunderung bemerkten am andern Morgen Rührend war die Freundlichkeit, mit der das Mäd¬ 3 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0047" n="35"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Fünftes Capitel.</hi><lb/> </head> <p>Mit Verwunderung bemerkten am andern Morgen<lb/> ihre Freunde die Umwandlung, die mit ihr vorge¬<lb/> gangen war. Die Pfarrerin konnte ſich's nicht an¬<lb/> ders denken, als daß Marlenen durch die Wand ihr<lb/> Geſpräch zugekommen ſei. „Um ſo beſſer,“ ſagte der<lb/> Pfarrer; „ſo hab' ich ihr nichts mehr zu ſagen.“</p><lb/> <p>Rührend war die Freundlichkeit, mit der das Mäd¬<lb/> chen Clemens und den Eltern begegnete. Sie wollte<lb/> nichts mehr, als zu ihnen gehören dürfen. Was<lb/> ihr Liebes geſchah, nahm ſie faſt beſtürzt wie ein Un¬<lb/> verdientes an. Sie ſprach noch immer nicht viel;<lb/> aber was ſie ſprach, war heiter und belebt. Ihr<lb/> ganzes Weſen erſchien hingegeben und weich, als wolle<lb/> ſie ſtumm Abbitte thun. Sie nahm wieder Clemens<lb/> Arm, wenn ſie wanderten. Aber oft bat ſie, daß ſie<lb/> ein wenig ruhen dürfe. Nicht weil ſie müde war,<lb/> ſondern um dem Knaben die Freiheit zu laſſen, her¬<lb/> umzuſteigen, wohin es ihn lockte. Sie lächelte dann,<lb/> wenn er zurückkam und ihr erzählte. Ihre alte Ei¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">3 *<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0047]
Fünftes Capitel.
Mit Verwunderung bemerkten am andern Morgen
ihre Freunde die Umwandlung, die mit ihr vorge¬
gangen war. Die Pfarrerin konnte ſich's nicht an¬
ders denken, als daß Marlenen durch die Wand ihr
Geſpräch zugekommen ſei. „Um ſo beſſer,“ ſagte der
Pfarrer; „ſo hab' ich ihr nichts mehr zu ſagen.“
Rührend war die Freundlichkeit, mit der das Mäd¬
chen Clemens und den Eltern begegnete. Sie wollte
nichts mehr, als zu ihnen gehören dürfen. Was
ihr Liebes geſchah, nahm ſie faſt beſtürzt wie ein Un¬
verdientes an. Sie ſprach noch immer nicht viel;
aber was ſie ſprach, war heiter und belebt. Ihr
ganzes Weſen erſchien hingegeben und weich, als wolle
ſie ſtumm Abbitte thun. Sie nahm wieder Clemens
Arm, wenn ſie wanderten. Aber oft bat ſie, daß ſie
ein wenig ruhen dürfe. Nicht weil ſie müde war,
ſondern um dem Knaben die Freiheit zu laſſen, her¬
umzuſteigen, wohin es ihn lockte. Sie lächelte dann,
wenn er zurückkam und ihr erzählte. Ihre alte Ei¬
3 *
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |