Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.weil wir im capitalistischen wie im socialistischen Lager auf Bisherige Versuche der Lösung. Die künstlichen Mittel, die man bisher zur Ueberwindung Was ist denn damit gethan, wenn man ein paar tausend Wer aber die Juden zu Ackerbauern machen will, der ist Der Bauer ist also eine auf den Aussterbeetat gesetzte weil wir im capitalistischen wie im socialistischen Lager auf Bisherige Versuche der Lösung. Die künstlichen Mittel, die man bisher zur Ueberwindung Was ist denn damit gethan, wenn man ein paar tausend Wer aber die Juden zu Ackerbauern machen will, der ist Der Bauer ist also eine auf den Aussterbeetat gesetzte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0023"/> weil wir im capitalistischen wie im socialistischen Lager auf<lb/> den exponirtesten Punkten stehen.<lb/></p> </div> <div n="2"> <head>Bisherige Versuche der Lösung.<lb/></head> <p>Die künstlichen Mittel, die man bisher zur Ueberwindung<lb/> des Judennothstandes aufwandte, waren entweder zu kleinlich<lb/> – wie die verschiedenen Colonisirungen – oder falsch gedacht,<lb/> wie die Versuche, die Juden in ihrer jetzigen Heimat zu Bauern<lb/> zu machen.<lb/></p> <p>Was ist denn damit gethan, wenn man ein paar tausend<lb/> Juden in eine andere Gegend bringt? Entweder sie gedeihen,<lb/> und dann entsteht mit ihrem Vermögen der Antisemitismus –<lb/> oder sie gehen gleich zu Grunde. Mit den bisherigen Versuchen<lb/> der Ableitung armer Juden nach anderen Ländern haben wir<lb/> uns schon vorhin beschäftigt. Die Ableitung ist jedenfalls ungenügend<lb/> und zwecklos, wenn nicht geradezu zweckwidrig. Die<lb/> Lösung wird dadurch nur vertagt, verschleppt und vielleicht<lb/> sogar erschwert.<lb/></p> <p>Wer aber die Juden zu Ackerbauern machen will, der ist<lb/> in einem wunderlichen Irrthume begriffen. Der Bauer ist nämlich<lb/> eine historische Kategorie und man erkennt das am besten an<lb/> seiner Tracht, die in den meisten Ländern Jahrhunderte alt<lb/> ist, sowie an seinen Werkgeräthschaften, die genau dieselben<lb/> sind, wie zu Urväterzeiten. Sein Pflug ist noch so, er sät aus<lb/> der Schürze, mäht mit der geschichtlichen Sense und drischt<lb/> mit dem Flegel. Wir wissen aber, dass es jetzt für all' das<lb/> Maschinen gibt. Die Agrarfrage ist auch nur eine Maschinenfrage.<lb/> Amerika muss über Europa siegen, sowie der Grossgrundbesitz<lb/> den kleinen vertilgt.<lb/></p> <p>Der Bauer ist also eine auf den Aussterbeetat gesetzte<lb/> Figur. Wenn man den Bauer künstlich conservirt, so geschieht<lb/> es wegen der politischen Interessen, denen er zu dienen hat.<lb/> Neue Bauern nach dem alten Recept machen zu wollen, ist ein<lb/> unmögliches und thörichtes Beginnen. Niemand ist reich oder<lb/> stark genug, die Cultur gewaltsam zurückzuschrauben. Schon das<lb/> Erhalten veralteter Culturzustände ist eine ungeheuere Aufgabe,<lb/> für die alle Machtmittel selbst des autokratisch geleiteten<lb/> Staates kaum ausreichen.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0023]
weil wir im capitalistischen wie im socialistischen Lager auf
den exponirtesten Punkten stehen.
Bisherige Versuche der Lösung.
Die künstlichen Mittel, die man bisher zur Ueberwindung
des Judennothstandes aufwandte, waren entweder zu kleinlich
– wie die verschiedenen Colonisirungen – oder falsch gedacht,
wie die Versuche, die Juden in ihrer jetzigen Heimat zu Bauern
zu machen.
Was ist denn damit gethan, wenn man ein paar tausend
Juden in eine andere Gegend bringt? Entweder sie gedeihen,
und dann entsteht mit ihrem Vermögen der Antisemitismus –
oder sie gehen gleich zu Grunde. Mit den bisherigen Versuchen
der Ableitung armer Juden nach anderen Ländern haben wir
uns schon vorhin beschäftigt. Die Ableitung ist jedenfalls ungenügend
und zwecklos, wenn nicht geradezu zweckwidrig. Die
Lösung wird dadurch nur vertagt, verschleppt und vielleicht
sogar erschwert.
Wer aber die Juden zu Ackerbauern machen will, der ist
in einem wunderlichen Irrthume begriffen. Der Bauer ist nämlich
eine historische Kategorie und man erkennt das am besten an
seiner Tracht, die in den meisten Ländern Jahrhunderte alt
ist, sowie an seinen Werkgeräthschaften, die genau dieselben
sind, wie zu Urväterzeiten. Sein Pflug ist noch so, er sät aus
der Schürze, mäht mit der geschichtlichen Sense und drischt
mit dem Flegel. Wir wissen aber, dass es jetzt für all' das
Maschinen gibt. Die Agrarfrage ist auch nur eine Maschinenfrage.
Amerika muss über Europa siegen, sowie der Grossgrundbesitz
den kleinen vertilgt.
Der Bauer ist also eine auf den Aussterbeetat gesetzte
Figur. Wenn man den Bauer künstlich conservirt, so geschieht
es wegen der politischen Interessen, denen er zu dienen hat.
Neue Bauern nach dem alten Recept machen zu wollen, ist ein
unmögliches und thörichtes Beginnen. Niemand ist reich oder
stark genug, die Cultur gewaltsam zurückzuschrauben. Schon das
Erhalten veralteter Culturzustände ist eine ungeheuere Aufgabe,
für die alle Machtmittel selbst des autokratisch geleiteten
Staates kaum ausreichen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Austrian Literature Online: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |