[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.XLVII. Nach langem Ringen ist der Tag gewichen; Ein reizend Weib im leichten Silberflor, Tritt Luna hinter dem Gebirge vor, Der Ostwind ist ihr neckend nachgestrichen. Und eine bunte Schar von wunderlichen Gestalten taucht vor meinem Blick empor, Sie kommen zaghaft, wie ein Mädchenchor, Und wie auf Zehen zu mir angeschlichen. Ein Rauschen naht von tausend, tausend Schwingen, Ich fühl', wie Geister meine Stirne küssen Und mir die Hände legen auf das Haubt. Ich hör' die Sterne aus den Lüften singen: "Wohl dem, den wir noch wachen Augs begrüssen, Der an die Nacht, die heilige, noch glaubt!" 12
XLVII. Nach langem Ringen iſt der Tag gewichen; Ein reizend Weib im leichten Silberflor, Tritt Luna hinter dem Gebirge vor, Der Oſtwind iſt ihr neckend nachgeſtrichen. Und eine bunte Schar von wunderlichen Geſtalten taucht vor meinem Blick empor, Sie kommen zaghaft, wie ein Mädchenchor, Und wie auf Zehen zu mir angeſchlichen. Ein Rauſchen naht von tauſend, tauſend Schwingen, Ich fühl', wie Geiſter meine Stirne küſſen Und mir die Hände legen auf das Haubt. Ich hör' die Sterne aus den Lüften ſingen: „Wohl dem, den wir noch wachen Augs begrüſſen, Der an die Nacht, die heilige, noch glaubt!“ 12
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0183" n="177"/> </div> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">XLVII.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Nach langem Ringen iſt der Tag gewichen;</l><lb/> <l>Ein reizend Weib im leichten Silberflor,</l><lb/> <l>Tritt Luna hinter dem Gebirge vor,</l><lb/> <l>Der Oſtwind iſt ihr neckend nachgeſtrichen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Und eine bunte Schar von wunderlichen</l><lb/> <l>Geſtalten taucht vor meinem Blick empor,</l><lb/> <l>Sie kommen zaghaft, wie ein Mädchenchor,</l><lb/> <l>Und wie auf Zehen zu mir angeſchlichen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Ein Rauſchen naht von tauſend, tauſend Schwingen,</l><lb/> <l>Ich fühl', wie Geiſter meine Stirne küſſen</l><lb/> <l>Und mir die Hände legen auf das Haubt.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Ich hör' die Sterne aus den Lüften ſingen:</l><lb/> <l>„Wohl dem, den wir noch wachen Augs begrüſſen,</l><lb/> <l>Der an die Nacht, die heilige, noch glaubt!“</l><lb/> </lg> </lg> <fw place="bottom" type="sig">12<lb/></fw> </div> </div> </body> </text> </TEI> [177/0183]
XLVII.
Nach langem Ringen iſt der Tag gewichen;
Ein reizend Weib im leichten Silberflor,
Tritt Luna hinter dem Gebirge vor,
Der Oſtwind iſt ihr neckend nachgeſtrichen.
Und eine bunte Schar von wunderlichen
Geſtalten taucht vor meinem Blick empor,
Sie kommen zaghaft, wie ein Mädchenchor,
Und wie auf Zehen zu mir angeſchlichen.
Ein Rauſchen naht von tauſend, tauſend Schwingen,
Ich fühl', wie Geiſter meine Stirne küſſen
Und mir die Hände legen auf das Haubt.
Ich hör' die Sterne aus den Lüften ſingen:
„Wohl dem, den wir noch wachen Augs begrüſſen,
Der an die Nacht, die heilige, noch glaubt!“
12
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |