[Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841.XLV. Der Gefangene. Der uns die Freiheit einst so kühn gelehret, Hört ihr ihn hinter jenem Gitter wohl, Dran spottend noch des Glaubens rauh Symbol, Manch eisern Kreuz, das ihm die Flucht verwehret? Das also ist der Lohn, der ihm bescheeret Ward von dem angebeteten Idol? Die Wangen blaß, die Augen trüb und hohl, Die Augen, die er -- nicht zum Himmel kehret. Seit Jahren sah er keine Wolke schweben, Seit Jahren kein Gestirn in blauer Ferne Die goldne, thaubeglänzte Schwinge heben. Die Erde -- ach! er ließ' sie Euch so gerne; Doch sprecht, ihr Herrn, wer hat Euch Macht gegeben, Die Hand zu legen auf des Himmels Sterne? XLV. Der Gefangene. Der uns die Freiheit einſt ſo kühn gelehret, Hört ihr ihn hinter jenem Gitter wohl, Dran ſpottend noch des Glaubens rauh Symbol, Manch eiſern Kreuz, das ihm die Flucht verwehret? Das alſo iſt der Lohn, der ihm beſcheeret Ward von dem angebeteten Idol? Die Wangen blaß, die Augen trüb und hohl, Die Augen, die er — nicht zum Himmel kehret. Seit Jahren ſah er keine Wolke ſchweben, Seit Jahren kein Geſtirn in blauer Ferne Die goldne, thaubeglänzte Schwinge heben. Die Erde — ach! er ließ' ſie Euch ſo gerne; Doch ſprecht, ihr Herrn, wer hat Euch Macht gegeben, Die Hand zu legen auf des Himmels Sterne? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0181" n="175"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">XLV.</hi><lb/> </head> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Gefangene.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der uns die Freiheit einſt ſo kühn gelehret,</l><lb/> <l>Hört ihr ihn hinter jenem Gitter wohl,</l><lb/> <l>Dran ſpottend noch des Glaubens rauh Symbol,</l><lb/> <l>Manch eiſern Kreuz, das ihm die Flucht verwehret?</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Das alſo iſt der Lohn, der ihm beſcheeret</l><lb/> <l>Ward von dem angebeteten Idol?</l><lb/> <l>Die Wangen blaß, die Augen trüb und hohl,</l><lb/> <l>Die Augen, die er — <hi rendition="#g">nicht</hi> zum Himmel kehret.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Seit Jahren ſah er keine Wolke ſchweben,</l><lb/> <l>Seit Jahren kein Geſtirn in blauer Ferne</l><lb/> <l>Die goldne, thaubeglänzte Schwinge heben.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Die Erde — ach! er ließ' ſie Euch ſo gerne;</l><lb/> <l>Doch ſprecht, ihr Herrn, wer hat Euch Macht gegeben,</l><lb/> <l>Die Hand zu legen auf des Himmels Sterne?</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [175/0181]
XLV.
Der Gefangene.
Der uns die Freiheit einſt ſo kühn gelehret,
Hört ihr ihn hinter jenem Gitter wohl,
Dran ſpottend noch des Glaubens rauh Symbol,
Manch eiſern Kreuz, das ihm die Flucht verwehret?
Das alſo iſt der Lohn, der ihm beſcheeret
Ward von dem angebeteten Idol?
Die Wangen blaß, die Augen trüb und hohl,
Die Augen, die er — nicht zum Himmel kehret.
Seit Jahren ſah er keine Wolke ſchweben,
Seit Jahren kein Geſtirn in blauer Ferne
Die goldne, thaubeglänzte Schwinge heben.
Die Erde — ach! er ließ' ſie Euch ſo gerne;
Doch ſprecht, ihr Herrn, wer hat Euch Macht gegeben,
Die Hand zu legen auf des Himmels Sterne?
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Zitationshilfe: | [Herwegh, Georg]: Gedichte eines Lebendigen. Bd. 1. Zürich u. a., 1841, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herwegh_gedichte01_1841/181>, abgerufen am 03.07.2024. |