Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.

Bild:
<< vorherige Seite

auf die Erscheinungen des simultanen Contrastes zu achten an-
fängt, so findet man allenthalben Bestätigungen des erwähnten
Satzes. Man lege z. B. ein kleines weißes Papierschnitzel auf
einen tiefschwarzen Grund und fixire, nachdem man seine Netz-
häute etwas ruhen gelassen hat, einen Punkt des Schnitzels;
dann sieht man ganz deutlich, daß der Grund in unmittelbarer
Nähe des Schnitzels deutlich schwärzer erscheint als die übrige
Fläche. Dieses tiefere Schwarz erstreckt sich viel weiter als
das bei einiger Übung sehr kleine Gebiet, innerhalb dessen das
Bild des Schnitzels sich wegen der kleinen Schwankungen der
Augen verschiebt, so daß das tiefere Schwarz der Umgebung
sich nicht aus dem successiven Contraste erklären läßt. Doch
darf man, besonders bei starker Beleuchtung, die Betrachtung
nicht zu lange fortsetzen, weil sich dann die Erscheinungen
der simultanen positiven Lichtinduction einmischen, welche erst
später zu besprechen sein werden.

Der hier nachgewiesene Parallelismus zwischen der simul-
tanen Contrastwirkung und der successiven Lichtinduction läßt
sich übrigens noch anderweit nachweisen, doch kann dies erst
später erörtert werden.

§. 14.
Schlußbemerkungen.

Es ist von besonderem Interesse, daß wir in der Beobach-
tung der successiven Lichtinduction ein neues Mittel gefunden
haben, um den simultanen Contrast zu untersuchen, wenn auch
nur in seinen Nachwirkungen. Diese Nachwirkungen, da sie in
gesetzmäßiger Beziehung stehen zu ihren Vorwirkungen, näm-
lich den Contrastwirkungen, lassen uns allerlei Schlüsse auf die
letzteren machen. Dies ist besonders deshalb von Wichtigkeit,
weil die Nachbilder des geschlossenen Auges eine in vielen Be-
ziehungen reinere, von Nebenumständen weniger beeinflußte
Beobachtung gestatten, als die Bilder des offenen Auges. Im
Nachbilde eines Papierstreifens z. B. sehe ich nicht das Korn des
Papiers, nicht seine kleinen Knickungen oder Biegungen, nicht
Staubkörner oder Fasern, mit einem Worte, ich sehe nicht ein
Papier, welches sich von seinem Grunde abhebt, sondern nur

Hering, Lehre vom Lichtsinne. 3

auf die Erscheinungen des simultanen Contrastes zu achten an-
fängt, so findet man allenthalben Bestätigungen des erwähnten
Satzes. Man lege z. B. ein kleines weißes Papierschnitzel auf
einen tiefschwarzen Grund und fixire, nachdem man seine Netz-
häute etwas ruhen gelassen hat, einen Punkt des Schnitzels;
dann sieht man ganz deutlich, daß der Grund in unmittelbarer
Nähe des Schnitzels deutlich schwärzer erscheint als die übrige
Fläche. Dieses tiefere Schwarz erstreckt sich viel weiter als
das bei einiger Übung sehr kleine Gebiet, innerhalb dessen das
Bild des Schnitzels sich wegen der kleinen Schwankungen der
Augen verschiebt, so daß das tiefere Schwarz der Umgebung
sich nicht aus dem successiven Contraste erklären läßt. Doch
darf man, besonders bei starker Beleuchtung, die Betrachtung
nicht zu lange fortsetzen, weil sich dann die Erscheinungen
der simultanen positiven Lichtinduction einmischen, welche erst
später zu besprechen sein werden.

Der hier nachgewiesene Parallelismus zwischen der simul-
tanen Contrastwirkung und der successiven Lichtinduction läßt
sich übrigens noch anderweit nachweisen, doch kann dies erst
später erörtert werden.

§. 14.
Schlußbemerkungen.

Es ist von besonderem Interesse, daß wir in der Beobach-
tung der successiven Lichtinduction ein neues Mittel gefunden
haben, um den simultanen Contrast zu untersuchen, wenn auch
nur in seinen Nachwirkungen. Diese Nachwirkungen, da sie in
gesetzmäßiger Beziehung stehen zu ihren Vorwirkungen, näm-
lich den Contrastwirkungen, lassen uns allerlei Schlüsse auf die
letzteren machen. Dies ist besonders deshalb von Wichtigkeit,
weil die Nachbilder des geschlossenen Auges eine in vielen Be-
ziehungen reinere, von Nebenumständen weniger beeinflußte
Beobachtung gestatten, als die Bilder des offenen Auges. Im
Nachbilde eines Papierstreifens z. B. sehe ich nicht das Korn des
Papiers, nicht seine kleinen Knickungen oder Biegungen, nicht
Staubkörner oder Fasern, mit einem Worte, ich sehe nicht ein
Papier, welches sich von seinem Grunde abhebt, sondern nur

Hering, Lehre vom Lichtsinne. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0041" n="33"/>
auf die Erscheinungen des simultanen Contrastes zu achten an-<lb/>
fängt, so findet man allenthalben Bestätigungen des erwähnten<lb/>
Satzes. Man lege z. B. ein kleines weißes Papierschnitzel auf<lb/>
einen tiefschwarzen Grund und fixire, nachdem man seine Netz-<lb/>
häute etwas ruhen gelassen hat, einen Punkt des Schnitzels;<lb/>
dann sieht man ganz deutlich, daß der Grund in unmittelbarer<lb/>
Nähe des Schnitzels deutlich schwärzer erscheint als die übrige<lb/>
Fläche. Dieses tiefere Schwarz erstreckt sich viel weiter als<lb/>
das bei einiger Übung sehr kleine Gebiet, innerhalb dessen das<lb/>
Bild des Schnitzels sich wegen der kleinen Schwankungen der<lb/>
Augen verschiebt, so daß das tiefere Schwarz der Umgebung<lb/>
sich nicht aus dem successiven Contraste erklären läßt. Doch<lb/>
darf man, besonders bei starker Beleuchtung, die Betrachtung<lb/>
nicht zu lange fortsetzen, weil sich dann die Erscheinungen<lb/>
der simultanen positiven Lichtinduction einmischen, welche erst<lb/>
später zu besprechen sein werden.</p><lb/>
          <p>Der hier nachgewiesene Parallelismus zwischen der simul-<lb/>
tanen Contrastwirkung und der successiven Lichtinduction läßt<lb/>
sich übrigens noch anderweit nachweisen, doch kann dies erst<lb/>
später erörtert werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 14.<lb/><hi rendition="#g">Schlußbemerkungen</hi>.</head><lb/>
          <p>Es ist von besonderem Interesse, daß wir in der Beobach-<lb/>
tung der successiven Lichtinduction ein neues Mittel gefunden<lb/>
haben, um den simultanen Contrast zu untersuchen, wenn auch<lb/>
nur in seinen Nachwirkungen. Diese Nachwirkungen, da sie in<lb/>
gesetzmäßiger Beziehung stehen zu ihren Vorwirkungen, näm-<lb/>
lich den Contrastwirkungen, lassen uns allerlei Schlüsse auf die<lb/>
letzteren machen. Dies ist besonders deshalb von Wichtigkeit,<lb/>
weil die Nachbilder des geschlossenen Auges eine in vielen Be-<lb/>
ziehungen reinere, von Nebenumständen weniger beeinflußte<lb/>
Beobachtung gestatten, als die Bilder des offenen Auges. Im<lb/>
Nachbilde eines Papierstreifens z. B. sehe ich nicht das Korn des<lb/>
Papiers, nicht seine kleinen Knickungen oder Biegungen, nicht<lb/>
Staubkörner oder Fasern, mit einem Worte, ich sehe nicht ein<lb/><hi rendition="#g">Papier</hi>, welches sich von seinem Grunde abhebt, sondern nur<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Hering</hi>, Lehre vom Lichtsinne. 3</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0041] auf die Erscheinungen des simultanen Contrastes zu achten an- fängt, so findet man allenthalben Bestätigungen des erwähnten Satzes. Man lege z. B. ein kleines weißes Papierschnitzel auf einen tiefschwarzen Grund und fixire, nachdem man seine Netz- häute etwas ruhen gelassen hat, einen Punkt des Schnitzels; dann sieht man ganz deutlich, daß der Grund in unmittelbarer Nähe des Schnitzels deutlich schwärzer erscheint als die übrige Fläche. Dieses tiefere Schwarz erstreckt sich viel weiter als das bei einiger Übung sehr kleine Gebiet, innerhalb dessen das Bild des Schnitzels sich wegen der kleinen Schwankungen der Augen verschiebt, so daß das tiefere Schwarz der Umgebung sich nicht aus dem successiven Contraste erklären läßt. Doch darf man, besonders bei starker Beleuchtung, die Betrachtung nicht zu lange fortsetzen, weil sich dann die Erscheinungen der simultanen positiven Lichtinduction einmischen, welche erst später zu besprechen sein werden. Der hier nachgewiesene Parallelismus zwischen der simul- tanen Contrastwirkung und der successiven Lichtinduction läßt sich übrigens noch anderweit nachweisen, doch kann dies erst später erörtert werden. §. 14. Schlußbemerkungen. Es ist von besonderem Interesse, daß wir in der Beobach- tung der successiven Lichtinduction ein neues Mittel gefunden haben, um den simultanen Contrast zu untersuchen, wenn auch nur in seinen Nachwirkungen. Diese Nachwirkungen, da sie in gesetzmäßiger Beziehung stehen zu ihren Vorwirkungen, näm- lich den Contrastwirkungen, lassen uns allerlei Schlüsse auf die letzteren machen. Dies ist besonders deshalb von Wichtigkeit, weil die Nachbilder des geschlossenen Auges eine in vielen Be- ziehungen reinere, von Nebenumständen weniger beeinflußte Beobachtung gestatten, als die Bilder des offenen Auges. Im Nachbilde eines Papierstreifens z. B. sehe ich nicht das Korn des Papiers, nicht seine kleinen Knickungen oder Biegungen, nicht Staubkörner oder Fasern, mit einem Worte, ich sehe nicht ein Papier, welches sich von seinem Grunde abhebt, sondern nur Hering, Lehre vom Lichtsinne. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Aus pragmatischen Gründen wurde für das DTA die z… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/41
Zitationshilfe: Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/41>, abgerufen am 22.12.2024.