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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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folgte, und doch auch das Ohr und das Auge
zu Rathe zog. Und er ward also in seiner
Struktur eine Anordnung von Bildern, so
wie sie sich dem Auge darstellen würden, von
Jdeen, wie sie sich der Verstand denkt,
von Tönen, wie sie das Ohr fodert, daß
es mit Wohllust erfüllet werde. Der bloße
Verstand, der nichts mit Auge und Oho
zu thun hat, folgt blos der Ordnung der
Jdeen, und hat also keine Jnversionen; so
ist der Logische Periode. Er verwirft jede
Veränderung, weil das Einfache das einzige
Deutliche ist, und jede Jnversion wenigstens
einen möglichen Fall macht, daß eine dop-
pelte Beziehung entspringen kann.



13.

Nun untersuchen wir hiernach die neuern
Sprachen. Je mehr eine derselben von Gram-
matikern und Philosophen gebildet worden;
desto härtere Fesseln trägt sie: je mehr sie
ihrem ursprünglichen Zustande nahe ist; desto
freier wird sie seyn. Je mehr sie lebt: desto

mehr
G 3

folgte, und doch auch das Ohr und das Auge
zu Rathe zog. Und er ward alſo in ſeiner
Struktur eine Anordnung von Bildern, ſo
wie ſie ſich dem Auge darſtellen wuͤrden, von
Jdeen, wie ſie ſich der Verſtand denkt,
von Toͤnen, wie ſie das Ohr fodert, daß
es mit Wohlluſt erfuͤllet werde. Der bloße
Verſtand, der nichts mit Auge und Oho
zu thun hat, folgt blos der Ordnung der
Jdeen, und hat alſo keine Jnverſionen; ſo
iſt der Logiſche Periode. Er verwirft jede
Veraͤnderung, weil das Einfache das einzige
Deutliche iſt, und jede Jnverſion wenigſtens
einen moͤglichen Fall macht, daß eine dop-
pelte Beziehung entſpringen kann.



13.

Nun unterſuchen wir hiernach die neuern
Sprachen. Je mehr eine derſelben von Gram-
matikern und Philoſophen gebildet worden;
deſto haͤrtere Feſſeln traͤgt ſie: je mehr ſie
ihrem urſpruͤnglichen Zuſtande nahe iſt; deſto
freier wird ſie ſeyn. Je mehr ſie lebt: deſto

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[101/0105] folgte, und doch auch das Ohr und das Auge zu Rathe zog. Und er ward alſo in ſeiner Struktur eine Anordnung von Bildern, ſo wie ſie ſich dem Auge darſtellen wuͤrden, von Jdeen, wie ſie ſich der Verſtand denkt, von Toͤnen, wie ſie das Ohr fodert, daß es mit Wohlluſt erfuͤllet werde. Der bloße Verſtand, der nichts mit Auge und Oho zu thun hat, folgt blos der Ordnung der Jdeen, und hat alſo keine Jnverſionen; ſo iſt der Logiſche Periode. Er verwirft jede Veraͤnderung, weil das Einfache das einzige Deutliche iſt, und jede Jnverſion wenigſtens einen moͤglichen Fall macht, daß eine dop- pelte Beziehung entſpringen kann. 13. Nun unterſuchen wir hiernach die neuern Sprachen. Je mehr eine derſelben von Gram- matikern und Philoſophen gebildet worden; deſto haͤrtere Feſſeln traͤgt ſie: je mehr ſie ihrem urſpruͤnglichen Zuſtande nahe iſt; deſto freier wird ſie ſeyn. Je mehr ſie lebt: deſto mehr G 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/105>, abgerufen am 21.11.2024.