Und so glaube ich, denn ich habe aus dem Gedächt- nisse geschrieben, so Wieland, Bodmer und jeder christliche Poet; ich kenne kein bekannteres Bild des donnernden Gottes. Nur Klopstock, wenn ich mich recht erinnere, braucht dies Bild nicht: sein Gott steigt herunter, den Messias zu richten: er rollt nicht auf einem Donnerwagen, er ist selbst zu erha- ben, um zu donnern. Sein Seraph Eloa schon kann tausend Donner fassen, und auch der steht nur auf einer Wolke. Ohne Zweifel schien Klopsto- cken das Bild zu niedrig selbst in der Poesie, für den --
Der Welten geheim und still dem Untergang zuwinkt --
und Klotz darfs sehr vornehm für die Kunst em- pfehlen? So ists nach jenem Gemälde Galatons: was Homer ausspiee, war dem andern Ambrosia!
9.
Die Frage wird weltlicher a) Können Dich- ter, die nicht über Sachen der Religion dichten, die Mythologie brauchen? Jch thäte am besten, blos zu übersetzen; aber auch das wird mir schwer. Wer kann einen Mann ertragen, der die Mythologie nicht anders kennet, als daß es " Griechen und "Römern so beliebtb), Neptun einen Gott des "Meeres zu nennen," als daß es "den Wiederher-
"stellern
a)Epist. Hom. p. 124 -- 135.
b)p. 124.
G 3
Zweites Waͤldchen.
Und ſo glaube ich, denn ich habe aus dem Gedaͤcht- niſſe geſchrieben, ſo Wieland, Bodmer und jeder chriſtliche Poet; ich kenne kein bekannteres Bild des donnernden Gottes. Nur Klopſtock, wenn ich mich recht erinnere, braucht dies Bild nicht: ſein Gott ſteigt herunter, den Meſſias zu richten: er rollt nicht auf einem Donnerwagen, er iſt ſelbſt zu erha- ben, um zu donnern. Sein Seraph Eloa ſchon kann tauſend Donner faſſen, und auch der ſteht nur auf einer Wolke. Ohne Zweifel ſchien Klopſto- cken das Bild zu niedrig ſelbſt in der Poeſie, fuͤr den —
Der Welten geheim und ſtill dem Untergang zuwinkt —
und Klotz darfs ſehr vornehm fuͤr die Kunſt em- pfehlen? So iſts nach jenem Gemaͤlde Galatons: was Homer ausſpiee, war dem andern Ambroſia!
9.
Die Frage wird weltlicher a) Koͤnnen Dich- ter, die nicht uͤber Sachen der Religion dichten, die Mythologie brauchen? Jch thaͤte am beſten, blos zu uͤberſetzen; aber auch das wird mir ſchwer. Wer kann einen Mann ertragen, der die Mythologie nicht anders kennet, als daß es „ Griechen und „Roͤmern ſo beliebtb), Neptun einen Gott des „Meeres zu nennen,„ als daß es „den Wiederher-
„ſtellern
a)Epiſt. Hom. p. 124 — 135.
b)p. 124.
G 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0107"n="101"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zweites Waͤldchen.</hi></fw><lb/><p>Und ſo glaube ich, denn ich habe aus dem Gedaͤcht-<lb/>
niſſe geſchrieben, ſo Wieland, Bodmer und jeder<lb/>
chriſtliche Poet; ich kenne kein bekannteres Bild des<lb/>
donnernden Gottes. Nur Klopſtock, wenn ich mich<lb/>
recht erinnere, braucht dies Bild nicht: ſein Gott<lb/><hirendition="#fr">ſteigt herunter,</hi> den Meſſias zu richten: er rollt<lb/>
nicht auf einem Donnerwagen, er iſt ſelbſt zu erha-<lb/>
ben, <hirendition="#fr">um zu donnern.</hi> Sein Seraph Eloa ſchon<lb/>
kann tauſend Donner faſſen, und auch der ſteht nur<lb/>
auf einer Wolke. Ohne Zweifel ſchien Klopſto-<lb/>
cken das Bild zu niedrig ſelbſt in <hirendition="#fr">der Poeſie,</hi><lb/>
fuͤr den —</p><lb/><cit><quote>Der Welten geheim und ſtill dem Untergang zuwinkt —</quote></cit><lb/><p>und Klotz darfs ſehr vornehm fuͤr <hirendition="#fr">die Kunſt</hi> em-<lb/>
pfehlen? So iſts nach jenem Gemaͤlde Galatons:<lb/>
was Homer ausſpiee, war dem andern Ambroſia!</p></div><lb/><divn="2"><head>9.</head><lb/><p>Die Frage wird weltlicher <noteplace="foot"n="a)"><hirendition="#aq">Epiſt. Hom. p.</hi> 124 — 135.</note> Koͤnnen Dich-<lb/>
ter, die nicht uͤber Sachen der Religion dichten, die<lb/>
Mythologie brauchen? Jch thaͤte am beſten, blos zu<lb/>
uͤberſetzen; aber auch das wird mir ſchwer. Wer<lb/>
kann einen Mann ertragen, der die Mythologie<lb/>
nicht anders kennet, als daß es „ Griechen und<lb/>„Roͤmern <hirendition="#fr">ſo beliebt</hi><noteplace="foot"n="b)"><hirendition="#aq">p.</hi> 124.</note>, Neptun einen Gott des<lb/>„Meeres zu nennen,„ als daß es „den Wiederher-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">„ſtellern</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[101/0107]
Zweites Waͤldchen.
Und ſo glaube ich, denn ich habe aus dem Gedaͤcht-
niſſe geſchrieben, ſo Wieland, Bodmer und jeder
chriſtliche Poet; ich kenne kein bekannteres Bild des
donnernden Gottes. Nur Klopſtock, wenn ich mich
recht erinnere, braucht dies Bild nicht: ſein Gott
ſteigt herunter, den Meſſias zu richten: er rollt
nicht auf einem Donnerwagen, er iſt ſelbſt zu erha-
ben, um zu donnern. Sein Seraph Eloa ſchon
kann tauſend Donner faſſen, und auch der ſteht nur
auf einer Wolke. Ohne Zweifel ſchien Klopſto-
cken das Bild zu niedrig ſelbſt in der Poeſie,
fuͤr den —
Der Welten geheim und ſtill dem Untergang zuwinkt —
und Klotz darfs ſehr vornehm fuͤr die Kunſt em-
pfehlen? So iſts nach jenem Gemaͤlde Galatons:
was Homer ausſpiee, war dem andern Ambroſia!
9.
Die Frage wird weltlicher a) Koͤnnen Dich-
ter, die nicht uͤber Sachen der Religion dichten, die
Mythologie brauchen? Jch thaͤte am beſten, blos zu
uͤberſetzen; aber auch das wird mir ſchwer. Wer
kann einen Mann ertragen, der die Mythologie
nicht anders kennet, als daß es „ Griechen und
„Roͤmern ſo beliebt b), Neptun einen Gott des
„Meeres zu nennen,„ als daß es „den Wiederher-
„ſtellern
a) Epiſt. Hom. p. 124 — 135.
b) p. 124.
G 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/107>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.