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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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lich also für jedes Einzelne schwächere und stumpfere
Sinne --

Seine Seelenkräfte sind über die Welt ver-
breitet; keine Richtung seiner Vorstellungen auf
ein Eins: mithin kein Kunsttrieb, keine
Kunstfertigkeit
-- und, das eine gehört hier
näher her, keine Thiersprache.

Was ist doch das, was wir, außer der vorher-
angeführten Lautbarkeit der empfindenden Ma-
schine, bei einigen Gattungen Thiersprache nen-
nen, anders, als ein Resultat der Anmerkungen,
die ich zusammen gereihet? ein dunkles sinnli-
ches Einverständniß einer Thiergattung un-
ter einander über ihre Bestimmung, im
Kreise ihrer Würkung.

Je kleiner also die Sphäre der Thiere ist: desto
weniger haben sie Sprache nöthig. Je schärfer
ihre Sinne, je mehr ihre Vorstellungen auf Eins
gerichtet, je ziehender ihre Triebe sind; desto zu-
sammengezogner ist das Einverständniß ihrer et-
wanigen Schälle, Zeichen, Aeußerungen. -- Es
ist lebendiger Mechanismus, herschender Jnstinkt,

der
C 2

lich alſo fuͤr jedes Einzelne ſchwaͤchere und ſtumpfere
Sinne —

Seine Seelenkraͤfte ſind uͤber die Welt ver-
breitet; keine Richtung ſeiner Vorſtellungen auf
ein Eins: mithin kein Kunſttrieb, keine
Kunſtfertigkeit
— und, das eine gehoͤrt hier
naͤher her, keine Thierſprache.

Was iſt doch das, was wir, außer der vorher-
angefuͤhrten Lautbarkeit der empfindenden Ma-
ſchine, bei einigen Gattungen Thierſprache nen-
nen, anders, als ein Reſultat der Anmerkungen,
die ich zuſammen gereihet? ein dunkles ſinnli-
ches Einverſtaͤndniß einer Thiergattung un-
ter einander uͤber ihre Beſtimmung, im
Kreiſe ihrer Wuͤrkung.

Je kleiner alſo die Sphaͤre der Thiere iſt: deſto
weniger haben ſie Sprache noͤthig. Je ſchaͤrfer
ihre Sinne, je mehr ihre Vorſtellungen auf Eins
gerichtet, je ziehender ihre Triebe ſind; deſto zu-
ſammengezogner iſt das Einverſtaͤndniß ihrer et-
wanigen Schaͤlle, Zeichen, Aeußerungen. — Es
iſt lebendiger Mechaniſmus, herſchender Jnſtinkt,

der
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[35/0041] lich alſo fuͤr jedes Einzelne ſchwaͤchere und ſtumpfere Sinne — Seine Seelenkraͤfte ſind uͤber die Welt ver- breitet; keine Richtung ſeiner Vorſtellungen auf ein Eins: mithin kein Kunſttrieb, keine Kunſtfertigkeit — und, das eine gehoͤrt hier naͤher her, keine Thierſprache. Was iſt doch das, was wir, außer der vorher- angefuͤhrten Lautbarkeit der empfindenden Ma- ſchine, bei einigen Gattungen Thierſprache nen- nen, anders, als ein Reſultat der Anmerkungen, die ich zuſammen gereihet? ein dunkles ſinnli- ches Einverſtaͤndniß einer Thiergattung un- ter einander uͤber ihre Beſtimmung, im Kreiſe ihrer Wuͤrkung. Je kleiner alſo die Sphaͤre der Thiere iſt: deſto weniger haben ſie Sprache noͤthig. Je ſchaͤrfer ihre Sinne, je mehr ihre Vorſtellungen auf Eins gerichtet, je ziehender ihre Triebe ſind; deſto zu- ſammengezogner iſt das Einverſtaͤndniß ihrer et- wanigen Schaͤlle, Zeichen, Aeußerungen. — Es iſt lebendiger Mechaniſmus, herſchender Jnſtinkt, der C 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/41>, abgerufen am 26.04.2024.