Verschmelzung mit sich hineinziehen muss, -- so wird der wirklichen Vereinigung ein Kampf vorangehn, dessen Entscheidung bestimmt, wie innig die wirkliche Vereini- gung seyn werde. Also äussert sich das Gleichartige der Vorstellungen (man vergesse nie, dass wir von einfa- chen Vorstellungen reden, und nicht etwa von Com- plexionen) zuerst als ein Streben zur Verschmel- zung; dergleichen bey den völlig Gleichartigen nicht vorkommen konnte. Dieses Streben wird nun bey un- endlich Nahen nur unendlich geringen Widerstand finden.
Nehmen wir hingegen jetzt Vorstellungen, deren Ge- gensatz eine endliche Grösse hat: so kann, erstlich, die Verschmelzung nur allmählig zu Stande kommen, in dem Maasse nämlich, als die Gegensätze dem Streben zur Ver- einigung allmählig nachgeben; zweytens, aus dem Grade des Gegensatzes und der Gleichartigkeit muss die Stärke des Strebens zur Vereinigung, und hieraus weiter berech- net werden, wie viel dieses Streben über die Gegensätze vermögen, wie viel wirkliche Vereinigung, und folglich welche Totalkräfte es am Ende erzeugen werde.
So viel zur vorläufigen Aufklärung der Begriffe; wir suchen jetzt die allgemeine Methode aller Verschmel- zungs-Rechnung; welche der Rechnung für unvollkommne Complicationen im wesentlichen ähnlich ist.
§. 68.
Für die drey Vorstellungen a, b, c, gebe es drey Verschmelzungshülfen, h, h', h"; welche nach was im- mer für einem Gesetze bestimmt seyn mögen, nur aber nicht von fremden Einflüssen herrühren, sondern aus ge- genseitiger Wirkung von a, b, und c auf einander ent- sprungen seyn müssen. Auch sey a+h=a, b+h'=b, c+h"=g. Der Hemmungssumme widerstehen nun diese Totalkräfte nach dem umgekehrten Verhältniss ihrer Stärke, und vielleicht noch im geraden Verhältnisse irgend wel- cher Hemmungsgrade oder Summen von Hemmungsgra- den, um deren Bestimmung wir uns hier nicht beküm- mern, deren Stelle wir aber, nach Analogie der Unter-
su-
Verschmelzung mit sich hineinziehen muſs, — so wird der wirklichen Vereinigung ein Kampf vorangehn, dessen Entscheidung bestimmt, wie innig die wirkliche Vereini- gung seyn werde. Also äuſsert sich das Gleichartige der Vorstellungen (man vergesse nie, daſs wir von einfa- chen Vorstellungen reden, und nicht etwa von Com- plexionen) zuerst als ein Streben zur Verschmel- zung; dergleichen bey den völlig Gleichartigen nicht vorkommen konnte. Dieses Streben wird nun bey un- endlich Nahen nur unendlich geringen Widerstand finden.
Nehmen wir hingegen jetzt Vorstellungen, deren Ge- gensatz eine endliche Gröſse hat: so kann, erstlich, die Verschmelzung nur allmählig zu Stande kommen, in dem Maaſse nämlich, als die Gegensätze dem Streben zur Ver- einigung allmählig nachgeben; zweytens, aus dem Grade des Gegensatzes und der Gleichartigkeit muſs die Stärke des Strebens zur Vereinigung, und hieraus weiter berech- net werden, wie viel dieses Streben über die Gegensätze vermögen, wie viel wirkliche Vereinigung, und folglich welche Totalkräfte es am Ende erzeugen werde.
So viel zur vorläufigen Aufklärung der Begriffe; wir suchen jetzt die allgemeine Methode aller Verschmel- zungs-Rechnung; welche der Rechnung für unvollkommne Complicationen im wesentlichen ähnlich ist.
§. 68.
Für die drey Vorstellungen a, b, c, gebe es drey Verschmelzungshülfen, h, h', h″; welche nach was im- mer für einem Gesetze bestimmt seyn mögen, nur aber nicht von fremden Einflüssen herrühren, sondern aus ge- genseitiger Wirkung von a, b, und c auf einander ent- sprungen seyn müssen. Auch sey a+h=α, b+h'=β, c+h″=γ. Der Hemmungssumme widerstehen nun diese Totalkräfte nach dem umgekehrten Verhältniſs ihrer Stärke, und vielleicht noch im geraden Verhältnisse irgend wel- cher Hemmungsgrade oder Summen von Hemmungsgra- den, um deren Bestimmung wir uns hier nicht beküm- mern, deren Stelle wir aber, nach Analogie der Unter-
su-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0244"n="224"/>
Verschmelzung mit sich hineinziehen muſs, — so wird<lb/>
der wirklichen Vereinigung ein Kampf vorangehn, dessen<lb/>
Entscheidung bestimmt, wie innig die wirkliche Vereini-<lb/>
gung seyn werde. Also äuſsert sich das Gleichartige der<lb/>
Vorstellungen (man vergesse nie, daſs wir von <hirendition="#g">einfa-<lb/>
chen</hi> Vorstellungen reden, und nicht etwa von Com-<lb/>
plexionen) zuerst als ein <hirendition="#g">Streben zur Verschmel-<lb/>
zung</hi>; dergleichen bey den <hirendition="#g">völlig</hi> Gleichartigen nicht<lb/>
vorkommen konnte. Dieses Streben wird nun bey un-<lb/>
endlich Nahen nur unendlich geringen Widerstand finden.</p><lb/><p>Nehmen wir hingegen jetzt Vorstellungen, deren Ge-<lb/>
gensatz eine endliche Gröſse hat: so kann, erstlich, die<lb/>
Verschmelzung nur allmählig zu Stande kommen, in dem<lb/>
Maaſse nämlich, als die Gegensätze dem Streben zur Ver-<lb/>
einigung allmählig nachgeben; zweytens, aus dem Grade<lb/>
des Gegensatzes und der Gleichartigkeit muſs die Stärke<lb/>
des Strebens zur Vereinigung, und hieraus weiter berech-<lb/>
net werden, wie viel dieses Streben über die Gegensätze<lb/>
vermögen, wie viel wirkliche Vereinigung, und folglich<lb/>
welche Totalkräfte es am Ende erzeugen werde.</p><lb/><p>So viel zur vorläufigen Aufklärung der Begriffe; wir<lb/>
suchen jetzt die allgemeine Methode <hirendition="#g">aller</hi> Verschmel-<lb/>
zungs-Rechnung; welche der Rechnung für unvollkommne<lb/>
Complicationen im wesentlichen ähnlich ist.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 68.</head><lb/><p>Für die drey Vorstellungen <hirendition="#i">a</hi>, <hirendition="#i">b</hi>, <hirendition="#i">c</hi>, gebe es drey<lb/>
Verschmelzungshülfen, <hirendition="#i">h</hi>, <hirendition="#i">h'</hi>, <hirendition="#i">h″</hi>; welche nach was im-<lb/>
mer für einem Gesetze bestimmt seyn mögen, nur aber<lb/>
nicht von fremden Einflüssen herrühren, sondern aus ge-<lb/>
genseitiger Wirkung von <hirendition="#i">a</hi>, <hirendition="#i">b</hi>, und <hirendition="#i">c</hi> auf einander ent-<lb/>
sprungen seyn müssen. Auch sey <hirendition="#i">a</hi>+<hirendition="#i">h</hi>=<hirendition="#i">α</hi>, <hirendition="#i">b</hi>+<hirendition="#i">h'</hi>=<hirendition="#i">β</hi>,<lb/><hirendition="#i">c</hi>+<hirendition="#i">h″</hi>=<hirendition="#i">γ</hi>. Der Hemmungssumme widerstehen nun diese<lb/>
Totalkräfte nach dem umgekehrten Verhältniſs ihrer Stärke,<lb/>
und vielleicht noch im geraden Verhältnisse irgend wel-<lb/>
cher Hemmungsgrade oder Summen von Hemmungsgra-<lb/>
den, um deren Bestimmung wir uns hier nicht beküm-<lb/>
mern, deren Stelle wir aber, nach Analogie der Unter-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">su-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[224/0244]
Verschmelzung mit sich hineinziehen muſs, — so wird
der wirklichen Vereinigung ein Kampf vorangehn, dessen
Entscheidung bestimmt, wie innig die wirkliche Vereini-
gung seyn werde. Also äuſsert sich das Gleichartige der
Vorstellungen (man vergesse nie, daſs wir von einfa-
chen Vorstellungen reden, und nicht etwa von Com-
plexionen) zuerst als ein Streben zur Verschmel-
zung; dergleichen bey den völlig Gleichartigen nicht
vorkommen konnte. Dieses Streben wird nun bey un-
endlich Nahen nur unendlich geringen Widerstand finden.
Nehmen wir hingegen jetzt Vorstellungen, deren Ge-
gensatz eine endliche Gröſse hat: so kann, erstlich, die
Verschmelzung nur allmählig zu Stande kommen, in dem
Maaſse nämlich, als die Gegensätze dem Streben zur Ver-
einigung allmählig nachgeben; zweytens, aus dem Grade
des Gegensatzes und der Gleichartigkeit muſs die Stärke
des Strebens zur Vereinigung, und hieraus weiter berech-
net werden, wie viel dieses Streben über die Gegensätze
vermögen, wie viel wirkliche Vereinigung, und folglich
welche Totalkräfte es am Ende erzeugen werde.
So viel zur vorläufigen Aufklärung der Begriffe; wir
suchen jetzt die allgemeine Methode aller Verschmel-
zungs-Rechnung; welche der Rechnung für unvollkommne
Complicationen im wesentlichen ähnlich ist.
§. 68.
Für die drey Vorstellungen a, b, c, gebe es drey
Verschmelzungshülfen, h, h', h″; welche nach was im-
mer für einem Gesetze bestimmt seyn mögen, nur aber
nicht von fremden Einflüssen herrühren, sondern aus ge-
genseitiger Wirkung von a, b, und c auf einander ent-
sprungen seyn müssen. Auch sey a+h=α, b+h'=β,
c+h″=γ. Der Hemmungssumme widerstehen nun diese
Totalkräfte nach dem umgekehrten Verhältniſs ihrer Stärke,
und vielleicht noch im geraden Verhältnisse irgend wel-
cher Hemmungsgrade oder Summen von Hemmungsgra-
den, um deren Bestimmung wir uns hier nicht beküm-
mern, deren Stelle wir aber, nach Analogie der Unter-
su-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/244>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.