nur die gemeine Vorstellung vom Ich aufs äusserste, um sie an offenbare Unmöglichkeiten anstossen zu machen; woraus sich ergiebt, dass der Begriff des Ich, der ein täuschendes Erzeugniss unseres Denkens war, einer Ver- besserung bedarf, und dass die zum Irrthum führende Dunkelheit des gemeinen Bewusstseyns hier, wie in an- dern Fällen, durch Philosophie erleuchtet werden muss.
Wir bleiben also für jetzt bey der Erklärung: das Ich ist die Identität des Objects und Subjects; nachdem wir gesehn haben, dass dieselbe für den Anfang der Untersuchung einzig zulässig ist. Wir werden die Widersprüche entwickeln, die hierin liegen. Wir werden aus diesen Widersprüchen erkennen, was in dem Be- griffe des Ich muss verändert, und was hinzugedacht wer- den. Die Leser mögen sich hüten, sich bey dieser Un- tersuchung nicht von angenommenen psychologischen Vorstellungsarten beschleichen zu lassen. Das Problem ist viel zu schwer, als dass es durch bisher gewohnte Meinungen zu bezwingen wäre; wohl aber kann es durch Einmengung derselben verdunkelt und entstellt werden.
Zweytes Capitel. Darstellung des im Begriff des Ich enthaltenen Problems, nebst den ersten Schritten zu dessen Auflösung.
§. 27.
Das Problem entsteht aus den Widersprüchen im Begriff des Ich; und es ist kein anderes, als, diejenige nothwendige Umwandlung dieses Begriffs zu finden, wo- durch die Widersprüche verschwinden.
Die erwähnten Widersprüche lassen sich auf zwey zurückführen (ungerechnet diejenigen, welche durch das Nicht-Ich, in Fichte's Sprache, herbeygeführt werden).
nur die gemeine Vorstellung vom Ich aufs äuſserste, um sie an offenbare Unmöglichkeiten anstoſsen zu machen; woraus sich ergiebt, daſs der Begriff des Ich, der ein täuschendes Erzeugniſs unseres Denkens war, einer Ver- besserung bedarf, und daſs die zum Irrthum führende Dunkelheit des gemeinen Bewuſstseyns hier, wie in an- dern Fällen, durch Philosophie erleuchtet werden muſs.
Wir bleiben also für jetzt bey der Erklärung: das Ich ist die Identität des Objects und Subjects; nachdem wir gesehn haben, daſs dieselbe für den Anfang der Untersuchung einzig zulässig ist. Wir werden die Widersprüche entwickeln, die hierin liegen. Wir werden aus diesen Widersprüchen erkennen, was in dem Be- griffe des Ich muſs verändert, und was hinzugedacht wer- den. Die Leser mögen sich hüten, sich bey dieser Un- tersuchung nicht von angenommenen psychologischen Vorstellungsarten beschleichen zu lassen. Das Problem ist viel zu schwer, als daſs es durch bisher gewohnte Meinungen zu bezwingen wäre; wohl aber kann es durch Einmengung derselben verdunkelt und entstellt werden.
Zweytes Capitel. Darstellung des im Begriff des Ich enthaltenen Problems, nebst den ersten Schritten zu dessen Auflösung.
§. 27.
Das Problem entsteht aus den Widersprüchen im Begriff des Ich; und es ist kein anderes, als, diejenige nothwendige Umwandlung dieses Begriffs zu finden, wo- durch die Widersprüche verschwinden.
Die erwähnten Widersprüche lassen sich auf zwey zurückführen (ungerechnet diejenigen, welche durch das Nicht-Ich, in Fichte’s Sprache, herbeygeführt werden).
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0113"n="93"/>
nur die gemeine Vorstellung vom Ich aufs äuſserste, um<lb/>
sie an offenbare Unmöglichkeiten anstoſsen zu machen;<lb/>
woraus sich ergiebt, daſs der Begriff des Ich, der ein<lb/>
täuschendes Erzeugniſs unseres Denkens war, einer Ver-<lb/>
besserung bedarf, und daſs die zum Irrthum führende<lb/>
Dunkelheit des gemeinen Bewuſstseyns hier, wie in an-<lb/>
dern Fällen, durch Philosophie erleuchtet werden muſs.</p><lb/><p>Wir bleiben also für jetzt bey der Erklärung: das<lb/>
Ich ist die Identität des Objects und Subjects; nachdem<lb/>
wir gesehn haben, daſs dieselbe <hirendition="#g">für den Anfang der<lb/>
Untersuchung</hi> einzig zulässig ist. Wir werden die<lb/>
Widersprüche entwickeln, die hierin liegen. Wir werden<lb/>
aus diesen Widersprüchen erkennen, was in dem Be-<lb/>
griffe des Ich muſs verändert, und was hinzugedacht wer-<lb/>
den. Die Leser mögen sich hüten, sich bey dieser Un-<lb/>
tersuchung nicht von angenommenen psychologischen<lb/>
Vorstellungsarten beschleichen zu lassen. Das Problem<lb/>
ist viel zu schwer, als daſs es durch bisher gewohnte<lb/>
Meinungen zu bezwingen wäre; wohl aber kann es durch<lb/>
Einmengung derselben verdunkelt und entstellt werden.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#i"><hirendition="#g">Zweytes Capitel</hi></hi>.<lb/>
Darstellung des im Begriff des Ich enthaltenen<lb/>
Problems, nebst den ersten Schritten zu dessen<lb/>
Auflösung.</head><lb/><divn="4"><head>§. 27.</head><lb/><p>Das Problem entsteht aus den Widersprüchen im<lb/>
Begriff des Ich; und es ist kein anderes, als, diejenige<lb/>
nothwendige Umwandlung dieses Begriffs zu finden, wo-<lb/>
durch die Widersprüche verschwinden.</p><lb/><p>Die erwähnten Widersprüche lassen sich auf zwey<lb/>
zurückführen (ungerechnet diejenigen, welche durch das<lb/>
Nicht-Ich, in <hirendition="#g">Fichte’s</hi> Sprache, herbeygeführt werden).</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[93/0113]
nur die gemeine Vorstellung vom Ich aufs äuſserste, um
sie an offenbare Unmöglichkeiten anstoſsen zu machen;
woraus sich ergiebt, daſs der Begriff des Ich, der ein
täuschendes Erzeugniſs unseres Denkens war, einer Ver-
besserung bedarf, und daſs die zum Irrthum führende
Dunkelheit des gemeinen Bewuſstseyns hier, wie in an-
dern Fällen, durch Philosophie erleuchtet werden muſs.
Wir bleiben also für jetzt bey der Erklärung: das
Ich ist die Identität des Objects und Subjects; nachdem
wir gesehn haben, daſs dieselbe für den Anfang der
Untersuchung einzig zulässig ist. Wir werden die
Widersprüche entwickeln, die hierin liegen. Wir werden
aus diesen Widersprüchen erkennen, was in dem Be-
griffe des Ich muſs verändert, und was hinzugedacht wer-
den. Die Leser mögen sich hüten, sich bey dieser Un-
tersuchung nicht von angenommenen psychologischen
Vorstellungsarten beschleichen zu lassen. Das Problem
ist viel zu schwer, als daſs es durch bisher gewohnte
Meinungen zu bezwingen wäre; wohl aber kann es durch
Einmengung derselben verdunkelt und entstellt werden.
Zweytes Capitel.
Darstellung des im Begriff des Ich enthaltenen
Problems, nebst den ersten Schritten zu dessen
Auflösung.
§. 27.
Das Problem entsteht aus den Widersprüchen im
Begriff des Ich; und es ist kein anderes, als, diejenige
nothwendige Umwandlung dieses Begriffs zu finden, wo-
durch die Widersprüche verschwinden.
Die erwähnten Widersprüche lassen sich auf zwey
zurückführen (ungerechnet diejenigen, welche durch das
Nicht-Ich, in Fichte’s Sprache, herbeygeführt werden).
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/113>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.