Erster Abschnitt. Untersuchung über das Ich, in seinen nächsten Beziehungen.
Erstes Capitel. Ueber die philosophische Bestimmung des Begriffs vom Ich.
§. 24.
Wer bin ich? -- Diese Frage wirft der gemeine Mensch nicht auf, denn er glaubt sich selbst sehr gut zu kennen. Wer sie aufwirft, der sucht etwas Unbekanntes in sich. Gesetzt nun, er fände dieses Unbekannte, wem würde er es zuschreiben? Ohne Zweifel sich selbst. Also scheint es, er kenne sich schon, in so fern er überhaupt ein Ich ist. Was aber ist denn dieses Ich? Kann man es losreissen von der individuellen Persönlichkeit? Oder bin ich, um nur überhaupt von Mir reden, Mich den- ken zu können, nothwendig ein bestimmtes Individuum? -- Diese Frage wird uns zuerst beschäfftigen.
Es ist schon nicht ganz leicht, nur die Frage zu verstehen; wir wollen also langsam gehn.
Fichte erklärte das Ich als: Identität des Ob- jects und Subjects; und hiemit stimmt der gramma- tische Begriff des Ich, im Gegensatze gegen das Du und das Er, wohl zusammen, denn die erste Person ist die, welche von sich selbst redet.
Erster Abschnitt. Untersuchung über das Ich, in seinen nächsten Beziehungen.
Erstes Capitel. Ueber die philosophische Bestimmung des Begriffs vom Ich.
§. 24.
Wer bin ich? — Diese Frage wirft der gemeine Mensch nicht auf, denn er glaubt sich selbst sehr gut zu kennen. Wer sie aufwirft, der sucht etwas Unbekanntes in sich. Gesetzt nun, er fände dieses Unbekannte, wem würde er es zuschreiben? Ohne Zweifel sich selbst. Also scheint es, er kenne sich schon, in so fern er überhaupt ein Ich ist. Was aber ist denn dieses Ich? Kann man es losreiſsen von der individuellen Persönlichkeit? Oder bin ich, um nur überhaupt von Mir reden, Mich den- ken zu können, nothwendig ein bestimmtes Individuum? — Diese Frage wird uns zuerst beschäfftigen.
Es ist schon nicht ganz leicht, nur die Frage zu verstehen; wir wollen also langsam gehn.
Fichte erklärte das Ich als: Identität des Ob- jects und Subjects; und hiemit stimmt der gramma- tische Begriff des Ich, im Gegensatze gegen das Du und das Er, wohl zusammen, denn die erste Person ist die, welche von sich selbst redet.
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Erster Abschnitt.
Untersuchung über das Ich, in seinen
nächsten Beziehungen.
Erstes Capitel.
Ueber die philosophische Bestimmung des
Begriffs vom Ich.
§. 24.
Wer bin ich? — Diese Frage wirft der gemeine Mensch
nicht auf, denn er glaubt sich selbst sehr gut zu kennen.
Wer sie aufwirft, der sucht etwas Unbekanntes in sich.
Gesetzt nun, er fände dieses Unbekannte, wem würde
er es zuschreiben? Ohne Zweifel sich selbst. Also
scheint es, er kenne sich schon, in so fern er überhaupt
ein Ich ist. Was aber ist denn dieses Ich? Kann man
es losreiſsen von der individuellen Persönlichkeit? Oder
bin ich, um nur überhaupt von Mir reden, Mich den-
ken zu können, nothwendig ein bestimmtes Individuum?
— Diese Frage wird uns zuerst beschäfftigen.
Es ist schon nicht ganz leicht, nur die Frage zu
verstehen; wir wollen also langsam gehn.
Fichte erklärte das Ich als: Identität des Ob-
jects und Subjects; und hiemit stimmt der gramma-
tische Begriff des Ich, im Gegensatze gegen das Du
und das Er, wohl zusammen, denn die erste Person
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. [85]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/105>, abgerufen am 21.11.2024.
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