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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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Eine dicke Dame, aus deren rothaufgedunsenem
Gesicht die kleinen Aeuglein wie Glühwürmchen
hervorglimmten, machte die Bemerkung, daß der
schwarze William ein sehr hübscher Bursche sey.
Indessen ihre Nachbarin, eine zarte, piepsende
Seele in einem Körper von schlechtem Postpapier,
behauptete: Er trüge das schwarze Haar zu lang
und zottig, und blitze mit den Augen wie Herr
Kean im Othello -- "dagegen," fuhr sie fort,
"ist doch der Thomson ein ganz anderer Mensch,
mit hellem Haar und glatt gekämmt nach der
Mode, und er ist ein sehr geschickter Mensch, er
bläs't ein Bischen die Flöte, er malt ein Bischen,
er spricht ein Bischen Französisch" -- "Und stiehlt
ein Bischen" fügte die dicke Dame hinzu. "Ei
was stehlen," versetzte die dünne Nachbarin, "das
ist doch nicht so barbarisch wie Fälschung; denn
ein Dieb, es sey denn er habe ein Schaf gestohlen,
wird nach Botany Bay transportirt, während der
Bösewicht, der eine Handschrift verfälscht hat,

Eine dicke Dame, aus deren rothaufgedunſenem
Geſicht die kleinen Aeuglein wie Gluͤhwuͤrmchen
hervorglimmten, machte die Bemerkung, daß der
ſchwarze William ein ſehr huͤbſcher Burſche ſey.
Indeſſen ihre Nachbarin, eine zarte, piepſende
Seele in einem Koͤrper von ſchlechtem Poſtpapier,
behauptete: Er truͤge das ſchwarze Haar zu lang
und zottig, und blitze mit den Augen wie Herr
Kean im Othello — „dagegen,“ fuhr ſie fort,
„iſt doch der Thomſon ein ganz anderer Menſch,
mit hellem Haar und glatt gekaͤmmt nach der
Mode, und er iſt ein ſehr geſchickter Menſch, er
blaͤſ't ein Bischen die Floͤte, er malt ein Bischen,
er ſpricht ein Bischen Franzoͤſiſch“ — „Und ſtiehlt
ein Bischen“ fuͤgte die dicke Dame hinzu. „Ei
was ſtehlen,“ verſetzte die duͤnne Nachbarin, „das
iſt doch nicht ſo barbariſch wie Faͤlſchung; denn
ein Dieb, es ſey denn er habe ein Schaf geſtohlen,
wird nach Botany Bay transportirt, waͤhrend der
Boͤſewicht, der eine Handſchrift verfaͤlſcht hat,

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[203/0217] Eine dicke Dame, aus deren rothaufgedunſenem Geſicht die kleinen Aeuglein wie Gluͤhwuͤrmchen hervorglimmten, machte die Bemerkung, daß der ſchwarze William ein ſehr huͤbſcher Burſche ſey. Indeſſen ihre Nachbarin, eine zarte, piepſende Seele in einem Koͤrper von ſchlechtem Poſtpapier, behauptete: Er truͤge das ſchwarze Haar zu lang und zottig, und blitze mit den Augen wie Herr Kean im Othello — „dagegen,“ fuhr ſie fort, „iſt doch der Thomſon ein ganz anderer Menſch, mit hellem Haar und glatt gekaͤmmt nach der Mode, und er iſt ein ſehr geſchickter Menſch, er blaͤſ't ein Bischen die Floͤte, er malt ein Bischen, er ſpricht ein Bischen Franzoͤſiſch“ — „Und ſtiehlt ein Bischen“ fuͤgte die dicke Dame hinzu. „Ei was ſtehlen,“ verſetzte die duͤnne Nachbarin, „das iſt doch nicht ſo barbariſch wie Faͤlſchung; denn ein Dieb, es ſey denn er habe ein Schaf geſtohlen, wird nach Botany Bay transportirt, waͤhrend der Boͤſewicht, der eine Handſchrift verfaͤlſcht hat,

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/217>, abgerufen am 28.12.2024.