Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

herabstiegen, waren sie klein. Daher die Klein¬
lichkeit, die wir da entdecken, wo ihr Privatleben
sich ausspricht; und Herkulanum und Pompeji,
jene Palimpsesten der Natur, wo jetzt wieder
der alte Steintext hervorgegraben wird, zeigen
dem Reisenden das römische Privatleben in klei¬
nen Häuschen mit winzigen Stübchen, welche so
auffallend kontrastiren gegen jene kolossalen Bau¬
werke, die das öffentliche Leben aussprachen, jene
Theater, Wasserleitungen, Brunnen, Landstraßen,
Brücken, deren Ruinen noch jetzt unser Stau¬
nen erregen. Aber das ist es ja eben; wie
der Grieche groß ist durch die Idee der Kunst,
der Hebräer durch die Idee eines heiligsten Got¬
tes, so sind die Römer groß durch die Idee ihrer
ewigen Roma, groß überall wo sie in der Be¬
geisterung dieser Idee gefochten, geschrieben und
gebaut haben. Je größer Rom wurde, je mehr
erweiterte sich diese Idee, der Einzelne verlor
sich darin, die Großen, die noch hervorragen, sind

herabſtiegen, waren ſie klein. Daher die Klein¬
lichkeit, die wir da entdecken, wo ihr Privatleben
ſich ausſpricht; und Herkulanum und Pompeji,
jene Palimpſeſten der Natur, wo jetzt wieder
der alte Steintext hervorgegraben wird, zeigen
dem Reiſenden das roͤmiſche Privatleben in klei¬
nen Haͤuschen mit winzigen Stuͤbchen, welche ſo
auffallend kontraſtiren gegen jene koloſſalen Bau¬
werke, die das oͤffentliche Leben ausſprachen, jene
Theater, Waſſerleitungen, Brunnen, Landſtraßen,
Bruͤcken, deren Ruinen noch jetzt unſer Stau¬
nen erregen. Aber das iſt es ja eben; wie
der Grieche groß iſt durch die Idee der Kunſt,
der Hebraͤer durch die Idee eines heiligſten Got¬
tes, ſo ſind die Roͤmer groß durch die Idee ihrer
ewigen Roma, groß uͤberall wo ſie in der Be¬
geiſterung dieſer Idee gefochten, geſchrieben und
gebaut haben. Je groͤßer Rom wurde, je mehr
erweiterte ſich dieſe Idee, der Einzelne verlor
ſich darin, die Großen, die noch hervorragen, ſind

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0154" n="146"/>
herab&#x017F;tiegen, waren &#x017F;ie klein. Daher die Klein¬<lb/>
lichkeit, die wir da entdecken, wo ihr Privatleben<lb/>
&#x017F;ich aus&#x017F;pricht; und Herkulanum und Pompeji,<lb/>
jene Palimp&#x017F;e&#x017F;ten der Natur, wo jetzt wieder<lb/>
der alte Steintext hervorgegraben wird, zeigen<lb/>
dem Rei&#x017F;enden das ro&#x0364;mi&#x017F;che Privatleben in klei¬<lb/>
nen Ha&#x0364;uschen mit winzigen Stu&#x0364;bchen, welche &#x017F;o<lb/>
auffallend kontra&#x017F;tiren gegen jene kolo&#x017F;&#x017F;alen Bau¬<lb/>
werke, die das o&#x0364;ffentliche Leben aus&#x017F;prachen, jene<lb/>
Theater, Wa&#x017F;&#x017F;erleitungen, Brunnen, Land&#x017F;traßen,<lb/>
Bru&#x0364;cken, deren Ruinen noch jetzt un&#x017F;er Stau¬<lb/>
nen erregen. Aber das i&#x017F;t es ja eben; wie<lb/>
der Grieche groß i&#x017F;t durch die Idee der Kun&#x017F;t,<lb/>
der Hebra&#x0364;er durch die Idee eines heilig&#x017F;ten Got¬<lb/>
tes, &#x017F;o &#x017F;ind die Ro&#x0364;mer groß durch die Idee ihrer<lb/>
ewigen Roma, groß u&#x0364;berall wo &#x017F;ie in der Be¬<lb/>
gei&#x017F;terung die&#x017F;er Idee gefochten, ge&#x017F;chrieben und<lb/>
gebaut haben. Je gro&#x0364;ßer Rom wurde, je mehr<lb/>
erweiterte &#x017F;ich die&#x017F;e Idee, der Einzelne verlor<lb/>
&#x017F;ich darin, die Großen, die noch hervorragen, &#x017F;ind<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0154] herabſtiegen, waren ſie klein. Daher die Klein¬ lichkeit, die wir da entdecken, wo ihr Privatleben ſich ausſpricht; und Herkulanum und Pompeji, jene Palimpſeſten der Natur, wo jetzt wieder der alte Steintext hervorgegraben wird, zeigen dem Reiſenden das roͤmiſche Privatleben in klei¬ nen Haͤuschen mit winzigen Stuͤbchen, welche ſo auffallend kontraſtiren gegen jene koloſſalen Bau¬ werke, die das oͤffentliche Leben ausſprachen, jene Theater, Waſſerleitungen, Brunnen, Landſtraßen, Bruͤcken, deren Ruinen noch jetzt unſer Stau¬ nen erregen. Aber das iſt es ja eben; wie der Grieche groß iſt durch die Idee der Kunſt, der Hebraͤer durch die Idee eines heiligſten Got¬ tes, ſo ſind die Roͤmer groß durch die Idee ihrer ewigen Roma, groß uͤberall wo ſie in der Be¬ geiſterung dieſer Idee gefochten, geſchrieben und gebaut haben. Je groͤßer Rom wurde, je mehr erweiterte ſich dieſe Idee, der Einzelne verlor ſich darin, die Großen, die noch hervorragen, ſind

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/154
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/154>, abgerufen am 03.12.2024.