Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.VIII. Die Heimführung. Ich geh' nicht allein, mein feines Lieb, Du mußt mit mir wandern Nach der lieben, alten, schaurigen Klause, In dem trüben, kalten, traurigen Hause, Wo meine Mutter am Eingang kau'rt, Und auf des Sohnes Heimkehr lau'rt. "Laß ab von mir, du finstrer Mann! Wer hat dich gerufen? Dein Odem glüht, deine Hand ist Eis, Dein Auge sprüht, deine Wang' ist weiß; Ich aber will mich lustig freu'n An Rosenduft und Sonnenschein." Laß duften die Rosen, laß scheinen die Sonn', Mein süßes Liebchen! Hüll' ein dich im weiten, weißwallenden Schleier, Spiel fein auf den Saiten der schallenden Leyer, Und singe ein Hochzeitlied dabei; Der Nachtwind pfeift die Melodei. VIII. Die Heimführung. Ich geh' nicht allein, mein feines Lieb, Du mußt mit mir wandern Nach der lieben, alten, ſchaurigen Klauſe, In dem trüben, kalten, traurigen Hauſe, Wo meine Mutter am Eingang kau'rt, Und auf des Sohnes Heimkehr lau'rt. „Laß ab von mir, du finſtrer Mann! Wer hat dich gerufen? Dein Odem glüht, deine Hand iſt Eis, Dein Auge ſprüht, deine Wang' iſt weiß; Ich aber will mich luſtig freu'n An Roſenduft und Sonnenſchein.“ Laß duften die Roſen, laß ſcheinen die Sonn', Mein ſüßes Liebchen! Hüll' ein dich im weiten, weißwallenden Schleier, Spiel fein auf den Saiten der ſchallenden Leyer, Und ſinge ein Hochzeitlied dabei; Der Nachtwind pfeift die Melodei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0069" n="61"/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">VIII.</hi><lb/><hi rendition="#g">Die Heimführung</hi>.<lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich geh' nicht allein, mein feines Lieb,</l><lb/> <l>Du mußt mit mir wandern</l><lb/> <l>Nach der lieben, alten, ſchaurigen Klauſe,</l><lb/> <l>In dem trüben, kalten, traurigen Hauſe,</l><lb/> <l>Wo meine Mutter am Eingang kau'rt,</l><lb/> <l>Und auf des Sohnes Heimkehr lau'rt.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>„Laß ab von mir, du finſtrer Mann!</l><lb/> <l>Wer hat dich gerufen?</l><lb/> <l>Dein Odem glüht, deine Hand iſt Eis,</l><lb/> <l>Dein Auge ſprüht, deine Wang' iſt weiß;</l><lb/> <l>Ich aber will mich luſtig freu'n</l><lb/> <l>An Roſenduft und Sonnenſchein.“</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Laß duften die Roſen, laß ſcheinen die Sonn',</l><lb/> <l>Mein ſüßes Liebchen!</l><lb/> <l>Hüll' ein dich im weiten, weißwallenden Schleier,</l><lb/> <l>Spiel fein auf den Saiten der ſchallenden Leyer,</l><lb/> <l>Und ſinge ein Hochzeitlied dabei;</l><lb/> <l>Der Nachtwind pfeift die Melodei.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0069]
VIII.
Die Heimführung.
Ich geh' nicht allein, mein feines Lieb,
Du mußt mit mir wandern
Nach der lieben, alten, ſchaurigen Klauſe,
In dem trüben, kalten, traurigen Hauſe,
Wo meine Mutter am Eingang kau'rt,
Und auf des Sohnes Heimkehr lau'rt.
„Laß ab von mir, du finſtrer Mann!
Wer hat dich gerufen?
Dein Odem glüht, deine Hand iſt Eis,
Dein Auge ſprüht, deine Wang' iſt weiß;
Ich aber will mich luſtig freu'n
An Roſenduft und Sonnenſchein.“
Laß duften die Roſen, laß ſcheinen die Sonn',
Mein ſüßes Liebchen!
Hüll' ein dich im weiten, weißwallenden Schleier,
Spiel fein auf den Saiten der ſchallenden Leyer,
Und ſinge ein Hochzeitlied dabei;
Der Nachtwind pfeift die Melodei.
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