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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Vorrede.

Ob es nun gerade jetzt zeitgemäß sei, an das Dasein ei-
nes Völkerrechts und vorzüglich an manche Unvollkommenhei-
ten der Staatenpraxis in diesem Gebiete zu erinnern? kann
vielleicht für solche Staaten weniger in Frage zu stellen sein,
die im Stande sind, ihren Eigenwillen gegen den Widerspruch
anderer zu behaupten oder als Gesetz ihnen aufzudringen, wo-
bei sie höchstens eines Scheines des Rechtes bedürfen und sich
daher schon mit einigen alten publicistischen Autoritäten und
einseitigen Präcedentien begnügen: mehr dagegen für diejeni-
gen, welche stets für ihre Existenz oder doch für ein gewisses
Gleichgewicht zu kämpfen haben, niemals wenigstens der Will-
kühr anderer verfallen wollen. Sind nun noch Principien
festzustellen und Schutzwehren für dieselben zu erstreben, so
ist gerade die Zeit des Friedens dazu die geeignetste; verge-
bens würde man jenes von einer Zeit des Unfriedens erwar-
ten. Und waren in dem noch andauernden Friedensstande
die Nationen vielfach mit sich selbst in ihrem Innern beschäftigt:
so hat die meistens erfolgte Grundsteinlegung und der fernere
Aufbau der Verfassungen bereits wieder gestattet den Blick
nach Außen hin zu richten und einen stets regeren Verkehr mit
anderen Völkern zu suchen; es haben endlich schon wiederholent-
lich Wolken am politischen Horizont die Regierungen und Völ-
ker gemahnt, daß die Wirklichkeit eines ewigen Friedens, wenn
überhaupt beschieden, noch keinesweges so nahe sei. Bis dahin
bleibt gewiß das Bewußtsein von einem gemeinsamen Rechts-
zustande unter allen oder doch gewissen Nationen der einzige
Nothanker, um nicht in die Barbarei eines ewigen Krieges
zurückzusinken. In der That verkündigen einige Erscheinungen
am literarischen Horizont hin und wieder, daß das Bedürfniß
einer Wiederanfrischung der völkerrechtlichen Studien, für

Vorrede.

Ob es nun gerade jetzt zeitgemäß ſei, an das Daſein ei-
nes Völkerrechts und vorzüglich an manche Unvollkommenhei-
ten der Staatenpraxis in dieſem Gebiete zu erinnern? kann
vielleicht für ſolche Staaten weniger in Frage zu ſtellen ſein,
die im Stande ſind, ihren Eigenwillen gegen den Widerſpruch
anderer zu behaupten oder als Geſetz ihnen aufzudringen, wo-
bei ſie höchſtens eines Scheines des Rechtes bedürfen und ſich
daher ſchon mit einigen alten publiciſtiſchen Autoritäten und
einſeitigen Präcedentien begnügen: mehr dagegen für diejeni-
gen, welche ſtets für ihre Exiſtenz oder doch für ein gewiſſes
Gleichgewicht zu kämpfen haben, niemals wenigſtens der Will-
kühr anderer verfallen wollen. Sind nun noch Principien
feſtzuſtellen und Schutzwehren für dieſelben zu erſtreben, ſo
iſt gerade die Zeit des Friedens dazu die geeignetſte; verge-
bens würde man jenes von einer Zeit des Unfriedens erwar-
ten. Und waren in dem noch andauernden Friedensſtande
die Nationen vielfach mit ſich ſelbſt in ihrem Innern beſchäftigt:
ſo hat die meiſtens erfolgte Grundſteinlegung und der fernere
Aufbau der Verfaſſungen bereits wieder geſtattet den Blick
nach Außen hin zu richten und einen ſtets regeren Verkehr mit
anderen Völkern zu ſuchen; es haben endlich ſchon wiederholent-
lich Wolken am politiſchen Horizont die Regierungen und Völ-
ker gemahnt, daß die Wirklichkeit eines ewigen Friedens, wenn
überhaupt beſchieden, noch keinesweges ſo nahe ſei. Bis dahin
bleibt gewiß das Bewußtſein von einem gemeinſamen Rechts-
zuſtande unter allen oder doch gewiſſen Nationen der einzige
Nothanker, um nicht in die Barbarei eines ewigen Krieges
zurückzuſinken. In der That verkündigen einige Erſcheinungen
am literariſchen Horizont hin und wieder, daß das Bedürfniß
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[IV/0012] Vorrede. Ob es nun gerade jetzt zeitgemäß ſei, an das Daſein ei- nes Völkerrechts und vorzüglich an manche Unvollkommenhei- ten der Staatenpraxis in dieſem Gebiete zu erinnern? kann vielleicht für ſolche Staaten weniger in Frage zu ſtellen ſein, die im Stande ſind, ihren Eigenwillen gegen den Widerſpruch anderer zu behaupten oder als Geſetz ihnen aufzudringen, wo- bei ſie höchſtens eines Scheines des Rechtes bedürfen und ſich daher ſchon mit einigen alten publiciſtiſchen Autoritäten und einſeitigen Präcedentien begnügen: mehr dagegen für diejeni- gen, welche ſtets für ihre Exiſtenz oder doch für ein gewiſſes Gleichgewicht zu kämpfen haben, niemals wenigſtens der Will- kühr anderer verfallen wollen. Sind nun noch Principien feſtzuſtellen und Schutzwehren für dieſelben zu erſtreben, ſo iſt gerade die Zeit des Friedens dazu die geeignetſte; verge- bens würde man jenes von einer Zeit des Unfriedens erwar- ten. Und waren in dem noch andauernden Friedensſtande die Nationen vielfach mit ſich ſelbſt in ihrem Innern beſchäftigt: ſo hat die meiſtens erfolgte Grundſteinlegung und der fernere Aufbau der Verfaſſungen bereits wieder geſtattet den Blick nach Außen hin zu richten und einen ſtets regeren Verkehr mit anderen Völkern zu ſuchen; es haben endlich ſchon wiederholent- lich Wolken am politiſchen Horizont die Regierungen und Völ- ker gemahnt, daß die Wirklichkeit eines ewigen Friedens, wenn überhaupt beſchieden, noch keinesweges ſo nahe ſei. Bis dahin bleibt gewiß das Bewußtſein von einem gemeinſamen Rechts- zuſtande unter allen oder doch gewiſſen Nationen der einzige Nothanker, um nicht in die Barbarei eines ewigen Krieges zurückzuſinken. In der That verkündigen einige Erſcheinungen am literariſchen Horizont hin und wieder, daß das Bedürfniß einer Wiederanfriſchung der völkerrechtlichen Studien, für

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/12>, abgerufen am 27.04.2024.