Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 245. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres.
dung stehen, werden auch wohl in eine gemeinschaftliche Acte zu-
sammengefaßt. 1



Dritter Abschnitt.
Gebrauch von Kundschaftern. L'Espionnage. 2

245. Spion, Späher, Kundschafter ist, wer im Interesse einer
Partei und insbesondere einer gewissen Regierung außerhalb sei-
nes öffentlichen Berufes, mit verheimlichter Absicht, Zustände einer
anderen Partei in ihrem eigenen Bereiche auszuforschen sucht, de-
ren Bekanntwerden zu verhüten in ihrem Interesse und Recht liegt.

Es giebt militärische und politische Kundschafter; Erstere für
Kriegsunternehmungen, Letztere für sonstige Staatszwecke. Daß es
im allgemeinen erlaubt sei sich auf solchem Wege Kenntnisse zu ver-
schaffen, wofern es keinen offenen Weg dazu giebt, oder insofern
man dadurch sich nur gegen Gefahren zu schützen sucht, kann selbst
nach dem Moralgesetz nicht bezweifelt werden. 3 Verwerflich er-
scheint dabei allein die Anwendung von Mitteln, welche die innere
Ordnung des auszukundschaftenden Staates verletzen, z. B. Beste-
chung seiner Beamten. Gewiß kann von ihm in solchem Falle
auch gegen abgeordnete fremde Kundschafter nach der Strenge sei-
ner Gesetze verfahren werden, ohne daß jenen die Vertretung ihrer
eigenen Regierung davon helfen kann. Diese selbst würde sich so-
gar einer Kränkung durch ausdrückliche Anordnung oder Geneh-
migung solcher Mittel schuldig machen.

Ob es eine Verpflichtung gebe sich als Kundschafter für sei-
nen heimathlichen Staat gebrauchen zu lassen, oder andererseits ein
Recht, dergleichen Dienst für einen fremden Staat zu überneh-

1 Nähere Auskunft über den Gang der Congreßverhandlungen ertheilen die
Schriften über die wichtigsten europäischen Congresse; angezeigt in v. Omp-
teda §. 180 f. v. Kamptz §. 74--91. Wegen der neueren seit dem Wie-
ner Congreß auch die freilich noch nicht vollständigen Mittheilungen in der
Fortsetzung von v. Martens Recueil de traites.
2 Hauptschrift über diesen Gegenstand ist die Abhandl. in v. Kamptz Beitr.
zum Staats- und Völkerrecht I, S. 63 u. f. Sie berührt indessen vor-
nehmlich nur die militärischen Spione.
3 Vgl. Grotius III, 4. 19. und dazu Cocceji.

§. 245. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
dung ſtehen, werden auch wohl in eine gemeinſchaftliche Acte zu-
ſammengefaßt. 1



Dritter Abſchnitt.
Gebrauch von Kundſchaftern. L’Espionnage. 2

245. Spion, Späher, Kundſchafter iſt, wer im Intereſſe einer
Partei und insbeſondere einer gewiſſen Regierung außerhalb ſei-
nes öffentlichen Berufes, mit verheimlichter Abſicht, Zuſtände einer
anderen Partei in ihrem eigenen Bereiche auszuforſchen ſucht, de-
ren Bekanntwerden zu verhüten in ihrem Intereſſe und Recht liegt.

Es giebt militäriſche und politiſche Kundſchafter; Erſtere für
Kriegsunternehmungen, Letztere für ſonſtige Staatszwecke. Daß es
im allgemeinen erlaubt ſei ſich auf ſolchem Wege Kenntniſſe zu ver-
ſchaffen, wofern es keinen offenen Weg dazu giebt, oder inſofern
man dadurch ſich nur gegen Gefahren zu ſchützen ſucht, kann ſelbſt
nach dem Moralgeſetz nicht bezweifelt werden. 3 Verwerflich er-
ſcheint dabei allein die Anwendung von Mitteln, welche die innere
Ordnung des auszukundſchaftenden Staates verletzen, z. B. Beſte-
chung ſeiner Beamten. Gewiß kann von ihm in ſolchem Falle
auch gegen abgeordnete fremde Kundſchafter nach der Strenge ſei-
ner Geſetze verfahren werden, ohne daß jenen die Vertretung ihrer
eigenen Regierung davon helfen kann. Dieſe ſelbſt würde ſich ſo-
gar einer Kränkung durch ausdrückliche Anordnung oder Geneh-
migung ſolcher Mittel ſchuldig machen.

Ob es eine Verpflichtung gebe ſich als Kundſchafter für ſei-
nen heimathlichen Staat gebrauchen zu laſſen, oder andererſeits ein
Recht, dergleichen Dienſt für einen fremden Staat zu überneh-

1 Nähere Auskunft über den Gang der Congreßverhandlungen ertheilen die
Schriften über die wichtigſten europäiſchen Congreſſe; angezeigt in v. Omp-
teda §. 180 f. v. Kamptz §. 74—91. Wegen der neueren ſeit dem Wie-
ner Congreß auch die freilich noch nicht vollſtändigen Mittheilungen in der
Fortſetzung von v. Martens Recueil de traités.
2 Hauptſchrift über dieſen Gegenſtand iſt die Abhandl. in v. Kamptz Beitr.
zum Staats- und Völkerrecht I, S. 63 u. f. Sie berührt indeſſen vor-
nehmlich nur die militäriſchen Spione.
3 Vgl. Grotius III, 4. 19. und dazu Cocceji.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0419" n="395"/><fw place="top" type="header">§. 245. <hi rendition="#g">Die Formen des vo&#x0364;lkerrechtlichen Verkehres</hi>.</fw><lb/>
dung &#x017F;tehen, werden auch wohl in eine gemein&#x017F;chaftliche Acte zu-<lb/>
&#x017F;ammengefaßt. <note place="foot" n="1">Nähere Auskunft über den Gang der Congreßverhandlungen ertheilen die<lb/>
Schriften über die wichtig&#x017F;ten europäi&#x017F;chen Congre&#x017F;&#x017F;e; angezeigt in v. Omp-<lb/>
teda §. 180 f. v. Kamptz §. 74&#x2014;91. Wegen der neueren &#x017F;eit dem Wie-<lb/>
ner Congreß auch die freilich noch nicht voll&#x017F;tändigen Mittheilungen in der<lb/>
Fort&#x017F;etzung von v. Martens <hi rendition="#aq">Recueil de traités</hi>.</note></p>
            </div>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Dritter Ab&#x017F;chnitt</hi>.<lb/>
Gebrauch von Kund&#x017F;chaftern. <hi rendition="#aq">L&#x2019;Espionnage</hi>. <note place="foot" n="2">Haupt&#x017F;chrift über die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand i&#x017F;t die Abhandl. in v. Kamptz Beitr.<lb/>
zum Staats- und Völkerrecht <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 63 u. f. Sie berührt inde&#x017F;&#x017F;en vor-<lb/>
nehmlich nur die militäri&#x017F;chen Spione.</note></head><lb/>
          <p>245. Spion, Späher, Kund&#x017F;chafter i&#x017F;t, wer im Intere&#x017F;&#x017F;e einer<lb/>
Partei und insbe&#x017F;ondere einer gewi&#x017F;&#x017F;en Regierung außerhalb &#x017F;ei-<lb/>
nes öffentlichen Berufes, mit verheimlichter Ab&#x017F;icht, Zu&#x017F;tände einer<lb/>
anderen Partei in ihrem eigenen Bereiche auszufor&#x017F;chen &#x017F;ucht, de-<lb/>
ren Bekanntwerden zu verhüten in ihrem Intere&#x017F;&#x017F;e und Recht liegt.</p><lb/>
          <p>Es giebt militäri&#x017F;che und politi&#x017F;che Kund&#x017F;chafter; Er&#x017F;tere für<lb/>
Kriegsunternehmungen, Letztere für &#x017F;on&#x017F;tige Staatszwecke. Daß es<lb/>
im allgemeinen erlaubt &#x017F;ei &#x017F;ich auf &#x017F;olchem Wege Kenntni&#x017F;&#x017F;e zu ver-<lb/>
&#x017F;chaffen, wofern es keinen offenen Weg dazu giebt, oder in&#x017F;ofern<lb/>
man dadurch &#x017F;ich nur gegen Gefahren zu &#x017F;chützen &#x017F;ucht, kann &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nach dem Moralge&#x017F;etz nicht bezweifelt werden. <note place="foot" n="3">Vgl. Grotius <hi rendition="#aq">III,</hi> 4. 19. und dazu Cocceji.</note> Verwerflich er-<lb/>
&#x017F;cheint dabei allein die Anwendung von Mitteln, welche die innere<lb/>
Ordnung des auszukund&#x017F;chaftenden Staates verletzen, z. B. Be&#x017F;te-<lb/>
chung &#x017F;einer Beamten. Gewiß kann von ihm in &#x017F;olchem Falle<lb/>
auch gegen abgeordnete fremde Kund&#x017F;chafter nach der Strenge &#x017F;ei-<lb/>
ner Ge&#x017F;etze verfahren werden, ohne daß jenen die Vertretung ihrer<lb/>
eigenen Regierung davon helfen kann. Die&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t würde &#x017F;ich &#x017F;o-<lb/>
gar einer Kränkung durch ausdrückliche Anordnung oder Geneh-<lb/>
migung &#x017F;olcher Mittel &#x017F;chuldig machen.</p><lb/>
          <p>Ob es eine Verpflichtung gebe &#x017F;ich als Kund&#x017F;chafter für &#x017F;ei-<lb/>
nen heimathlichen Staat gebrauchen zu la&#x017F;&#x017F;en, oder anderer&#x017F;eits ein<lb/>
Recht, dergleichen Dien&#x017F;t für einen fremden Staat zu überneh-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0419] §. 245. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. dung ſtehen, werden auch wohl in eine gemeinſchaftliche Acte zu- ſammengefaßt. 1 Dritter Abſchnitt. Gebrauch von Kundſchaftern. L’Espionnage. 2 245. Spion, Späher, Kundſchafter iſt, wer im Intereſſe einer Partei und insbeſondere einer gewiſſen Regierung außerhalb ſei- nes öffentlichen Berufes, mit verheimlichter Abſicht, Zuſtände einer anderen Partei in ihrem eigenen Bereiche auszuforſchen ſucht, de- ren Bekanntwerden zu verhüten in ihrem Intereſſe und Recht liegt. Es giebt militäriſche und politiſche Kundſchafter; Erſtere für Kriegsunternehmungen, Letztere für ſonſtige Staatszwecke. Daß es im allgemeinen erlaubt ſei ſich auf ſolchem Wege Kenntniſſe zu ver- ſchaffen, wofern es keinen offenen Weg dazu giebt, oder inſofern man dadurch ſich nur gegen Gefahren zu ſchützen ſucht, kann ſelbſt nach dem Moralgeſetz nicht bezweifelt werden. 3 Verwerflich er- ſcheint dabei allein die Anwendung von Mitteln, welche die innere Ordnung des auszukundſchaftenden Staates verletzen, z. B. Beſte- chung ſeiner Beamten. Gewiß kann von ihm in ſolchem Falle auch gegen abgeordnete fremde Kundſchafter nach der Strenge ſei- ner Geſetze verfahren werden, ohne daß jenen die Vertretung ihrer eigenen Regierung davon helfen kann. Dieſe ſelbſt würde ſich ſo- gar einer Kränkung durch ausdrückliche Anordnung oder Geneh- migung ſolcher Mittel ſchuldig machen. Ob es eine Verpflichtung gebe ſich als Kundſchafter für ſei- nen heimathlichen Staat gebrauchen zu laſſen, oder andererſeits ein Recht, dergleichen Dienſt für einen fremden Staat zu überneh- 1 Nähere Auskunft über den Gang der Congreßverhandlungen ertheilen die Schriften über die wichtigſten europäiſchen Congreſſe; angezeigt in v. Omp- teda §. 180 f. v. Kamptz §. 74—91. Wegen der neueren ſeit dem Wie- ner Congreß auch die freilich noch nicht vollſtändigen Mittheilungen in der Fortſetzung von v. Martens Recueil de traités. 2 Hauptſchrift über dieſen Gegenſtand iſt die Abhandl. in v. Kamptz Beitr. zum Staats- und Völkerrecht I, S. 63 u. f. Sie berührt indeſſen vor- nehmlich nur die militäriſchen Spione. 3 Vgl. Grotius III, 4. 19. und dazu Cocceji.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/419
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/419>, abgerufen am 21.11.2024.