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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 162. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
Störung seiner Fahrt zu befreien. 1 Eine sonstige Bestrafung der Con-
trebandeführer ist wenigstens völkerrechtlich nicht mehr hergebracht.

In Betreff solcher Artikel, welche nicht unter den strengen Be-
griff der Contrebande oder zu den vertragsmäßig dahin gerechneten
Artikeln gehören, erlaubt man sich zwar nicht immer dieselbe Strenge,
wie bei eigentlicher Contrebande, wohl aber ein eigenmächtiges Vor-
kaufsrecht (le droit de preemtion), indem nämlich die dem Feinde
bestimmten Waaren zwar weggenommen, jedoch dem Eigenthümer
vergütet werden. Schon in der älteren französischen Praxis be-
stand ein solcher Gebrauch, ja er vertrat selbst bei eigentlicher Con-
trebande die Stelle der Confiscation. 2 In der späteren Zeit ist
er auf die ausnahmsweisen Contrebandeartikel hauptsächlich ange-
wendet worden, bald mit mehr bald mit weniger Billigkeit. 3 Eine
gemeine Regel des Völkerrechts ist er nicht; juristisch erscheint er
als ein gewaltsamer Eintritt des Kriegführenden in eine Forderung
des Feindes an den Neutralen, oder, wenn eine solche noch nicht
besteht, als eine Eigenmacht gegen die Neutralen, welche daher
auch vollständig entschädigt werden müssen. Denn der Vorwand,
man dürfe dem Feinde so viel schaden, als möglich, giebt noch
kein Recht einem Dritten zu schaden. Die Vergütigung muß also
jedenfalls das volle Interesse mitumfassen, welches der Neutrale
der anderen Kriegspartei wegen Nichterfüllung der gegen sie über-
nommenen Verbindlichkeiten zu leisten hat.

Neuere Verträge haben selbst bei eigentlicher Contrebande die
Confiscation ausgeschlossen und an deren Stelle die bloße Wegnahme
gegen Vergütung gesetzt. 4

Analoge und zweifelhafte Fälle eines neutralen Handelsverkehrs.

162. Auf gleicher Stufe mit der Contrebande, wo nicht höher,
stehen, weil ein wirkliches Einverständniß mit dem Feinde und die
Leistung einer Kriegshilfe offenbar an sich tragend, folgende Fälle:


1 S. z. B. die bereits S. 268. Note 3. angeführten Verträge der Nord-
americanischen Freistaaten mit den Südamericanischen.
2 Französische Ordonn. von 1584. Art. 69. Groot III, 1. 5. Nr. 6.
3 Jacobsen, Seerecht S. 656. Wheaton, hist. p. 83 und 285. Jouffroy
p. 154.
4 Dieser Satz ist angenommen in dem Preuß. Nordameric. Vertrage vom
11. Juli 1799. und bestätigt in dem vom 1. Mai 1828. de Martens rec.
T. VI, p.
679. und Nouv. rec. Tom. VII, p. 615.

§. 162. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
Störung ſeiner Fahrt zu befreien. 1 Eine ſonſtige Beſtrafung der Con-
trebandeführer iſt wenigſtens völkerrechtlich nicht mehr hergebracht.

In Betreff ſolcher Artikel, welche nicht unter den ſtrengen Be-
griff der Contrebande oder zu den vertragsmäßig dahin gerechneten
Artikeln gehören, erlaubt man ſich zwar nicht immer dieſelbe Strenge,
wie bei eigentlicher Contrebande, wohl aber ein eigenmächtiges Vor-
kaufsrecht (le droit de préemtion), indem nämlich die dem Feinde
beſtimmten Waaren zwar weggenommen, jedoch dem Eigenthümer
vergütet werden. Schon in der älteren franzöſiſchen Praxis be-
ſtand ein ſolcher Gebrauch, ja er vertrat ſelbſt bei eigentlicher Con-
trebande die Stelle der Confiscation. 2 In der ſpäteren Zeit iſt
er auf die ausnahmsweiſen Contrebandeartikel hauptſächlich ange-
wendet worden, bald mit mehr bald mit weniger Billigkeit. 3 Eine
gemeine Regel des Völkerrechts iſt er nicht; juriſtiſch erſcheint er
als ein gewaltſamer Eintritt des Kriegführenden in eine Forderung
des Feindes an den Neutralen, oder, wenn eine ſolche noch nicht
beſteht, als eine Eigenmacht gegen die Neutralen, welche daher
auch vollſtändig entſchädigt werden müſſen. Denn der Vorwand,
man dürfe dem Feinde ſo viel ſchaden, als möglich, giebt noch
kein Recht einem Dritten zu ſchaden. Die Vergütigung muß alſo
jedenfalls das volle Intereſſe mitumfaſſen, welches der Neutrale
der anderen Kriegspartei wegen Nichterfüllung der gegen ſie über-
nommenen Verbindlichkeiten zu leiſten hat.

Neuere Verträge haben ſelbſt bei eigentlicher Contrebande die
Confiscation ausgeſchloſſen und an deren Stelle die bloße Wegnahme
gegen Vergütung geſetzt. 4

Analoge und zweifelhafte Fälle eines neutralen Handelsverkehrs.

162. Auf gleicher Stufe mit der Contrebande, wo nicht höher,
ſtehen, weil ein wirkliches Einverſtändniß mit dem Feinde und die
Leiſtung einer Kriegshilfe offenbar an ſich tragend, folgende Fälle:


1 S. z. B. die bereits S. 268. Note 3. angeführten Verträge der Nord-
americaniſchen Freiſtaaten mit den Südamericaniſchen.
2 Franzöſiſche Ordonn. von 1584. Art. 69. Groot III, 1. 5. Nr. 6.
3 Jacobſen, Seerecht S. 656. Wheaton, hist. p. 83 und 285. Jouffroy
p. 154.
4 Dieſer Satz iſt angenommen in dem Preuß. Nordameric. Vertrage vom
11. Juli 1799. und beſtätigt in dem vom 1. Mai 1828. de Martens rec.
T. VI, p.
679. und Nouv. rec. Tom. VII, p. 615.
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[271/0295] §. 162. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. Störung ſeiner Fahrt zu befreien. 1 Eine ſonſtige Beſtrafung der Con- trebandeführer iſt wenigſtens völkerrechtlich nicht mehr hergebracht. In Betreff ſolcher Artikel, welche nicht unter den ſtrengen Be- griff der Contrebande oder zu den vertragsmäßig dahin gerechneten Artikeln gehören, erlaubt man ſich zwar nicht immer dieſelbe Strenge, wie bei eigentlicher Contrebande, wohl aber ein eigenmächtiges Vor- kaufsrecht (le droit de préemtion), indem nämlich die dem Feinde beſtimmten Waaren zwar weggenommen, jedoch dem Eigenthümer vergütet werden. Schon in der älteren franzöſiſchen Praxis be- ſtand ein ſolcher Gebrauch, ja er vertrat ſelbſt bei eigentlicher Con- trebande die Stelle der Confiscation. 2 In der ſpäteren Zeit iſt er auf die ausnahmsweiſen Contrebandeartikel hauptſächlich ange- wendet worden, bald mit mehr bald mit weniger Billigkeit. 3 Eine gemeine Regel des Völkerrechts iſt er nicht; juriſtiſch erſcheint er als ein gewaltſamer Eintritt des Kriegführenden in eine Forderung des Feindes an den Neutralen, oder, wenn eine ſolche noch nicht beſteht, als eine Eigenmacht gegen die Neutralen, welche daher auch vollſtändig entſchädigt werden müſſen. Denn der Vorwand, man dürfe dem Feinde ſo viel ſchaden, als möglich, giebt noch kein Recht einem Dritten zu ſchaden. Die Vergütigung muß alſo jedenfalls das volle Intereſſe mitumfaſſen, welches der Neutrale der anderen Kriegspartei wegen Nichterfüllung der gegen ſie über- nommenen Verbindlichkeiten zu leiſten hat. Neuere Verträge haben ſelbſt bei eigentlicher Contrebande die Confiscation ausgeſchloſſen und an deren Stelle die bloße Wegnahme gegen Vergütung geſetzt. 4 Analoge und zweifelhafte Fälle eines neutralen Handelsverkehrs. 162. Auf gleicher Stufe mit der Contrebande, wo nicht höher, ſtehen, weil ein wirkliches Einverſtändniß mit dem Feinde und die Leiſtung einer Kriegshilfe offenbar an ſich tragend, folgende Fälle: 1 S. z. B. die bereits S. 268. Note 3. angeführten Verträge der Nord- americaniſchen Freiſtaaten mit den Südamericaniſchen. 2 Franzöſiſche Ordonn. von 1584. Art. 69. Groot III, 1. 5. Nr. 6. 3 Jacobſen, Seerecht S. 656. Wheaton, hist. p. 83 und 285. Jouffroy p. 154. 4 Dieſer Satz iſt angenommen in dem Preuß. Nordameric. Vertrage vom 11. Juli 1799. und beſtätigt in dem vom 1. Mai 1828. de Martens rec. T. VI, p. 679. und Nouv. rec. Tom. VII, p. 615.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/295>, abgerufen am 21.12.2024.