Collision verschiedener Staatenrechte. Sollte dagegen der Vertrag eines Staates oder Souveräns mit einem Fremden in Hinsicht auf den Gegenstand keinem Staatsgesetz und Richter unterworfen sein, so würden auch hier nur die völkerrechtlichen Grundsätze der Verträge Anwendung leiden. 1
In allen vorstehenden Fällen a--d können endlich die von der Herrschaft des internationalen Rechts eximirten Verträge durch Rechtsverweigerung Gegenstand völkerrechtlicher Verhandlungen und Maaßregeln werden, so wie durch Verbindung völkerrechtlicher Ver- träge mit Privatverträgen eine Art gemischter Verträge ent- stehen kann. Alsdann werden, es mag nun der eine Vertrag die Bedingung des andern sein und damit in wesentlicher Verbindung stehen, oder jeder für sich ein selbständiges, von dem andern trenn- bares Geschäft bilden, auf einen jeden die ihm eigenthümlichen Rechtsgrundsätze, unabhängig von dem andern, zur Anwendung kommen, jedoch die völkerrechtlichen sich nie den privatrechtlichen unterordnen.
Wesentliche Bedingungen internationaler Verträge.
a.Eine zulässige causa.
83. Das erste wesentliche Erforderniß eines völkerrechtli- chen Vertrages ist eine zulässige causa. Wir verstehen hierunter die Möglichkeit einer übernommenen Verbindlichkeit an sich. 2 Nur das physisch und sittlich Mögliche kann Gegenstand eines Vertrags sein. 3 Unmöglich ist z. B. jede Verbindlichkeit, die der sittlichen Weltordnung widerspricht, namentlich auch der Bestimmung der Einzelstaaten zur Entwickelung der menschlichen Freiheit, so daß
1 Bemerkungen über Verträge solcher Art s. bei Vattel II, §. 214. Im Allgemeinen vermißt man jedoch in den meisten Systemen schärfere Fest- stellungen.
2 S. wegen der verschiedenen Bedeutungen des Wortes causa bei Verträ- gen de Neumann l. c. §. 217 s. Cocceji zu H. Groot, II, 610.
3de Neumann §. 177 s. Pufendorf III, 7, 2. Der Letztere (§. 9. ebds.) und Schmalz im Völkerr. S. 64. will hier nicht einmal eine Rückforde- rung des schon Geleisteten zulassen, und Schmelzing §. 383. stimmt ihnen bei. Schwerlich wird indeß dieser Satz als ein allgemein anerkannter oder nothwendiger nachzuweisen sein. Auch der Empfänger hat in diesem Fall kein Recht auf das Gegebene. Alles muß in den frühern Stand zurück- reten.
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§. 83. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
Colliſion verſchiedener Staatenrechte. Sollte dagegen der Vertrag eines Staates oder Souveräns mit einem Fremden in Hinſicht auf den Gegenſtand keinem Staatsgeſetz und Richter unterworfen ſein, ſo würden auch hier nur die völkerrechtlichen Grundſätze der Verträge Anwendung leiden. 1
In allen vorſtehenden Fällen a—d können endlich die von der Herrſchaft des internationalen Rechts eximirten Verträge durch Rechtsverweigerung Gegenſtand völkerrechtlicher Verhandlungen und Maaßregeln werden, ſo wie durch Verbindung völkerrechtlicher Ver- träge mit Privatverträgen eine Art gemiſchter Verträge ent- ſtehen kann. Alsdann werden, es mag nun der eine Vertrag die Bedingung des andern ſein und damit in weſentlicher Verbindung ſtehen, oder jeder für ſich ein ſelbſtändiges, von dem andern trenn- bares Geſchäft bilden, auf einen jeden die ihm eigenthümlichen Rechtsgrundſätze, unabhängig von dem andern, zur Anwendung kommen, jedoch die völkerrechtlichen ſich nie den privatrechtlichen unterordnen.
Weſentliche Bedingungen internationaler Verträge.
a.Eine zuläſſige causa.
83. Das erſte weſentliche Erforderniß eines völkerrechtli- chen Vertrages iſt eine zuläſſige causa. Wir verſtehen hierunter die Möglichkeit einer übernommenen Verbindlichkeit an ſich. 2 Nur das phyſiſch und ſittlich Mögliche kann Gegenſtand eines Vertrags ſein. 3 Unmöglich iſt z. B. jede Verbindlichkeit, die der ſittlichen Weltordnung widerſpricht, namentlich auch der Beſtimmung der Einzelſtaaten zur Entwickelung der menſchlichen Freiheit, ſo daß
1 Bemerkungen über Verträge ſolcher Art ſ. bei Vattel II, §. 214. Im Allgemeinen vermißt man jedoch in den meiſten Syſtemen ſchärfere Feſt- ſtellungen.
2 S. wegen der verſchiedenen Bedeutungen des Wortes causa bei Verträ- gen de Neumann l. c. §. 217 s. Cocceji zu H. Groot, II, 610.
3de Neumann §. 177 s. Pufendorf III, 7, 2. Der Letztere (§. 9. ebdſ.) und Schmalz im Völkerr. S. 64. will hier nicht einmal eine Rückforde- rung des ſchon Geleiſteten zulaſſen, und Schmelzing §. 383. ſtimmt ihnen bei. Schwerlich wird indeß dieſer Satz als ein allgemein anerkannter oder nothwendiger nachzuweiſen ſein. Auch der Empfänger hat in dieſem Fall kein Recht auf das Gegebene. Alles muß in den frühern Stand zurück- reten.
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§. 83. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
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auf den Gegenſtand keinem Staatsgeſetz und Richter unterworfen
ſein, ſo würden auch hier nur die völkerrechtlichen Grundſätze der
Verträge Anwendung leiden. 1
In allen vorſtehenden Fällen a—d können endlich die von
der Herrſchaft des internationalen Rechts eximirten Verträge durch
Rechtsverweigerung Gegenſtand völkerrechtlicher Verhandlungen und
Maaßregeln werden, ſo wie durch Verbindung völkerrechtlicher Ver-
träge mit Privatverträgen eine Art gemiſchter Verträge ent-
ſtehen kann. Alsdann werden, es mag nun der eine Vertrag die
Bedingung des andern ſein und damit in weſentlicher Verbindung
ſtehen, oder jeder für ſich ein ſelbſtändiges, von dem andern trenn-
bares Geſchäft bilden, auf einen jeden die ihm eigenthümlichen
Rechtsgrundſätze, unabhängig von dem andern, zur Anwendung
kommen, jedoch die völkerrechtlichen ſich nie den privatrechtlichen
unterordnen.
Weſentliche Bedingungen internationaler Verträge.
a. Eine zuläſſige causa.
83. Das erſte weſentliche Erforderniß eines völkerrechtli-
chen Vertrages iſt eine zuläſſige causa. Wir verſtehen hierunter
die Möglichkeit einer übernommenen Verbindlichkeit an ſich. 2 Nur
das phyſiſch und ſittlich Mögliche kann Gegenſtand eines Vertrags
ſein. 3 Unmöglich iſt z. B. jede Verbindlichkeit, die der ſittlichen
Weltordnung widerſpricht, namentlich auch der Beſtimmung der
Einzelſtaaten zur Entwickelung der menſchlichen Freiheit, ſo daß
1 Bemerkungen über Verträge ſolcher Art ſ. bei Vattel II, §. 214. Im
Allgemeinen vermißt man jedoch in den meiſten Syſtemen ſchärfere Feſt-
ſtellungen.
2 S. wegen der verſchiedenen Bedeutungen des Wortes causa bei Verträ-
gen de Neumann l. c. §. 217 s. Cocceji zu H. Groot, II, 610.
3 de Neumann §. 177 s. Pufendorf III, 7, 2. Der Letztere (§. 9. ebdſ.)
und Schmalz im Völkerr. S. 64. will hier nicht einmal eine Rückforde-
rung des ſchon Geleiſteten zulaſſen, und Schmelzing §. 383. ſtimmt ihnen
bei. Schwerlich wird indeß dieſer Satz als ein allgemein anerkannter oder
nothwendiger nachzuweiſen ſein. Auch der Empfänger hat in dieſem Fall
kein Recht auf das Gegebene. Alles muß in den frühern Stand zurück-
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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/171>, abgerufen am 07.01.2025.
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