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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 68. Völkerrecht im Zustand des Friedens.
gierungsacte nicht überschreiten kann, 1 und in welche von aus-
wärtigen Gewalten nicht herübergegriffen werden darf (§. 33.),
sollte sich darin auch Einiges befinden, was zur Zeit noch nie spe-
ciell in Besitz genommen war. 2 Was auf der Grenzlinie selbst
sich befindet oder begiebt, gehört den zusammengrenzenden Staaten
gemeinschaftlich an. 3 Ausnahmen von der Ausschließlichkeit des
Territorialprincips entstehen nur durch die Rechte der Exterritoria-
lität (§. 42.) und in Folge von Staatsservituten (§. 43.). Da-
gegen sind selbst herrenlose aber des Privateigenthums empfängliche
Sachen, z. B. frei herumschweifende Thiere, so lange sie sich in
einem Territorium befinden, in einem wenngleich nur vorüberge-
henden Staatseigenthume (dominium transiens), welches wieder
aufhört, sobald sie das Staatsgebiet verlassen, und eine Vindica-
tion derselben von einem Staate zum andern findet natürlich nicht
statt. Nach Groot gehören sie zum dominium generale der Men-
schen, oder der einzelnen sich abschließenden Staaten. 4

Staatspertinenzien und Colonien.

68. Auswärtige Zubehörungen 5 eines Staates sind zu-
nächst: auswärtige Berechtigungen der Staatsgewalt, z. B. active
Staatsservituten, Grundeigenthum, lehnsherrliche und nutzbare Rechte
unter den schon früher angezeigten Rechtsverhältnissen (§. 43 u.
64.). Die Pertinenzeigenschaft entsteht von selbst dadurch, daß die

1 Auch Erzadern, die in einem Staatsgebiet entdeckt und bebaut werden,
dürfen nicht in ein fremdes Staatsgebiet ohne dortige Concession verfolgt
werden.
2 Z. B. Steppen, Gletscher u. dgl. Vattel II, 7, 86 f.
3 Bei Grenzbäumen wird nach Chrn. Aug. Menius, diss. de finib. terri-
torii. Lips.
1740. §. 20. das Eigenthum des Baumes zu Gunsten desje-
nigen Landes bestimmt, auf dessen Seite sich allein eine Grenzmarke vor-
findet.
4 Vgl. z. B. de J. B. ac P. II, 3, a. E. II, 4, 14. Weitläuftig über
die Eigenthumsverhältnisse an solchen Gegenständen ist Pufendorf, IV, 6,
4 ff. Die Gegenwart wird schwerlich noch solcher Untersuchungen bedür-
fen. Ob eine zuvor herrenlose Sache bereits in das Privateigenthum über-
gegangen sei, und welche Rechte dieserhalb Statt finden sollen, bleibt allein
der Gesetzgebung der Einzelstaaten oder der vertragsmäßigen Vereinbarung
überlassen.
5 Sam. Stryk, de probatione pertinentiar. Frcf. Viadr. 1688. Henr. En-
gelbrecht, de reunione pertinentiarum. Helmst.
1715. Günther II, 178.

§. 68. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
gierungsacte nicht überſchreiten kann, 1 und in welche von aus-
wärtigen Gewalten nicht herübergegriffen werden darf (§. 33.),
ſollte ſich darin auch Einiges befinden, was zur Zeit noch nie ſpe-
ciell in Beſitz genommen war. 2 Was auf der Grenzlinie ſelbſt
ſich befindet oder begiebt, gehört den zuſammengrenzenden Staaten
gemeinſchaftlich an. 3 Ausnahmen von der Ausſchließlichkeit des
Territorialprincips entſtehen nur durch die Rechte der Exterritoria-
lität (§. 42.) und in Folge von Staatsſervituten (§. 43.). Da-
gegen ſind ſelbſt herrenloſe aber des Privateigenthums empfängliche
Sachen, z. B. frei herumſchweifende Thiere, ſo lange ſie ſich in
einem Territorium befinden, in einem wenngleich nur vorüberge-
henden Staatseigenthume (dominium transiens), welches wieder
aufhört, ſobald ſie das Staatsgebiet verlaſſen, und eine Vindica-
tion derſelben von einem Staate zum andern findet natürlich nicht
ſtatt. Nach Groot gehören ſie zum dominium generale der Men-
ſchen, oder der einzelnen ſich abſchließenden Staaten. 4

Staatspertinenzien und Colonien.

68. Auswärtige Zubehörungen 5 eines Staates ſind zu-
nächſt: auswärtige Berechtigungen der Staatsgewalt, z. B. active
Staatsſervituten, Grundeigenthum, lehnsherrliche und nutzbare Rechte
unter den ſchon früher angezeigten Rechtsverhältniſſen (§. 43 u.
64.). Die Pertinenzeigenſchaft entſteht von ſelbſt dadurch, daß die

1 Auch Erzadern, die in einem Staatsgebiet entdeckt und bebaut werden,
dürfen nicht in ein fremdes Staatsgebiet ohne dortige Conceſſion verfolgt
werden.
2 Z. B. Steppen, Gletſcher u. dgl. Vattel II, 7, 86 f.
3 Bei Grenzbäumen wird nach Chrn. Aug. Menius, diss. de finib. terri-
torii. Lips.
1740. §. 20. das Eigenthum des Baumes zu Gunſten desje-
nigen Landes beſtimmt, auf deſſen Seite ſich allein eine Grenzmarke vor-
findet.
4 Vgl. z. B. de J. B. ac P. II, 3, a. E. II, 4, 14. Weitläuftig über
die Eigenthumsverhältniſſe an ſolchen Gegenſtänden iſt Pufendorf, IV, 6,
4 ff. Die Gegenwart wird ſchwerlich noch ſolcher Unterſuchungen bedür-
fen. Ob eine zuvor herrenloſe Sache bereits in das Privateigenthum über-
gegangen ſei, und welche Rechte dieſerhalb Statt finden ſollen, bleibt allein
der Geſetzgebung der Einzelſtaaten oder der vertragsmäßigen Vereinbarung
überlaſſen.
5 Sam. Stryk, de probatione pertinentiar. Frcf. Viadr. 1688. Henr. En-
gelbrecht, de reunione pertinentiarum. Helmst.
1715. Günther II, 178.
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[121/0145] §. 68. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. gierungsacte nicht überſchreiten kann, 1 und in welche von aus- wärtigen Gewalten nicht herübergegriffen werden darf (§. 33.), ſollte ſich darin auch Einiges befinden, was zur Zeit noch nie ſpe- ciell in Beſitz genommen war. 2 Was auf der Grenzlinie ſelbſt ſich befindet oder begiebt, gehört den zuſammengrenzenden Staaten gemeinſchaftlich an. 3 Ausnahmen von der Ausſchließlichkeit des Territorialprincips entſtehen nur durch die Rechte der Exterritoria- lität (§. 42.) und in Folge von Staatsſervituten (§. 43.). Da- gegen ſind ſelbſt herrenloſe aber des Privateigenthums empfängliche Sachen, z. B. frei herumſchweifende Thiere, ſo lange ſie ſich in einem Territorium befinden, in einem wenngleich nur vorüberge- henden Staatseigenthume (dominium transiens), welches wieder aufhört, ſobald ſie das Staatsgebiet verlaſſen, und eine Vindica- tion derſelben von einem Staate zum andern findet natürlich nicht ſtatt. Nach Groot gehören ſie zum dominium generale der Men- ſchen, oder der einzelnen ſich abſchließenden Staaten. 4 Staatspertinenzien und Colonien. 68. Auswärtige Zubehörungen 5 eines Staates ſind zu- nächſt: auswärtige Berechtigungen der Staatsgewalt, z. B. active Staatsſervituten, Grundeigenthum, lehnsherrliche und nutzbare Rechte unter den ſchon früher angezeigten Rechtsverhältniſſen (§. 43 u. 64.). Die Pertinenzeigenſchaft entſteht von ſelbſt dadurch, daß die 1 Auch Erzadern, die in einem Staatsgebiet entdeckt und bebaut werden, dürfen nicht in ein fremdes Staatsgebiet ohne dortige Conceſſion verfolgt werden. 2 Z. B. Steppen, Gletſcher u. dgl. Vattel II, 7, 86 f. 3 Bei Grenzbäumen wird nach Chrn. Aug. Menius, diss. de finib. terri- torii. Lips. 1740. §. 20. das Eigenthum des Baumes zu Gunſten desje- nigen Landes beſtimmt, auf deſſen Seite ſich allein eine Grenzmarke vor- findet. 4 Vgl. z. B. de J. B. ac P. II, 3, a. E. II, 4, 14. Weitläuftig über die Eigenthumsverhältniſſe an ſolchen Gegenſtänden iſt Pufendorf, IV, 6, 4 ff. Die Gegenwart wird ſchwerlich noch ſolcher Unterſuchungen bedür- fen. Ob eine zuvor herrenloſe Sache bereits in das Privateigenthum über- gegangen ſei, und welche Rechte dieſerhalb Statt finden ſollen, bleibt allein der Geſetzgebung der Einzelſtaaten oder der vertragsmäßigen Vereinbarung überlaſſen. 5 Sam. Stryk, de probatione pertinentiar. Frcf. Viadr. 1688. Henr. En- gelbrecht, de reunione pertinentiarum. Helmst. 1715. Günther II, 178.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/145>, abgerufen am 21.11.2024.