Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 139, Hamburg, 1. September 1789.[Spaltenumbruch]
des Regiments von Orleans dahin kommen lassen.
Jn- Die Ruhe stellt sich nun immer mehr wieder ein, Zu Rennes hat man bey Gelegenheit der am 4ten Am vorigen Freytag wurden zu Rennes der Advocat Man glaubt, daß die Nationalversammlung heute Erklärung der Rechte des Menschen
in Gesellschaft. 1) Die Menschen werden frey und gleich an Rechten gebohren, und bleiben es. Die Unterscheidungen müssen bloß auf den gemeinschaftlichen Nutzen gegrün- det seyn. 2) Der Zweck aller Gesellschaft muß in der Erhal- tung der natürlichen und der Verjährung nicht unter- worfenen Rechte des Menschen bestehen. Diese Rechte sind die Freyheit, das Eigenthum, die Sicherheit und der Widerstand gegen Unterdrückung. 3) Der Grund aller Souverainität
residirt we- sentlich in der Nation. Kein Corps, kein Jndividuum kann eine Gewalt ausüben, die nicht ausdrücklich dar- aus herfließt. 4) Die Freyheit besteht darinn, daß man alles thun kann, was dem andern nicht schadet. Also hat die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen keine andere Grenzen, als diejenigen, welche den übri- gen Menschen einen freyen Gebrauch eben dieser Rechte [Spaltenumbruch] versichern. Die Grenzen können nur durch das Gesetz bestimmt werden. 5) Das Gesetz muß nur diejenigen Handlungen ver- bieten, welche der Gesellschaft schädlich sind. Alles, was nicht verboten ist, kann nicht gehindert werden; und Niemand kann gezwungen werden, dasjenige zu thun, was das Gesetz nicht befiehlt. 6) Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens. Alle Bürger haben Recht, persönlich, oder durch ihre Repräsentanten, zur Formation des Gesetzes mitzuwirken. Es muß eben dasselbe für alle seyn, es mag beschützen oder bestrafen. Da alle Bürger in den Augen desselben gleich sind, so müssen sie auch zu allen Würden, Plätzen und öffentlichen Aemtern, nach ihrer Fähigkeit, zugelassen werden, ohne andere Unter- scheidung, als diejenigen sind, welche ihre Tugenden und ihre Talente an die Hand geben. 7) Kein Mensch kann angeklagt, gefangen gesetzt, noch gefangen behalten werden, als in dem Falle, der durch das Gesetz bestimmt ist, und nach den Formen, die es vorgeschrieben hat. Diejenigen, welche will- kürliche Befehle erbitten, ausfertigen, in Ausführung bringen, oder sie ausführen lassen, müssen bestraft werden. Ein jeder Bürger, der kraft des Gesetzes apellirt oder ergriffen wird, muß dem Augenblicke folg- sam seyn. Er würde sich durch Widersetzung strafbar machen. 8) Das Gesetz muß nur Strafen vestsetzen,
die durchaus und offenbar nothwendig sind; und Niemand kann gestraft werden, als kraft eines vestgesetzten und noch vor dem Verbrechen bekannt gemachten und ge- hörig angewandten Gesetzes. 9) Da man einen jeden Menschen so lange für
un-
schuldig hält, bis er verurtheilt worden, so muß alle Strenge, die zur Versicherung seiner Person, wenn er durchaus arretirt werden muß, nicht nothwendig ist, durch das Gesetz aufs schärfste zurückgehalten werden. Jn der gestrigen sonntäglichen
außerordentlichen 1) Da das Gesetz die heimlichen Verbrechen nicht treffen kann, so muß die Religion und die Moral an dessen Stelle treten. Es ist also für die gute Ordnung der Gesellschaft nothwendig, daß beyde in Ehrfurcht gehalten werden. 2) Die Aufrechthaltung der Religion erfordert einen öffentlichen Gottesdienst. Die Ehrfurcht für den öffentlichen Gottesdienst ist also nothwendig. 3) Jeder Bürger, der den etablirten Gottesdienst
nicht stöhret, muß nicht beunruhigt werden. Als man über die beyden ersten Artikel genug debat- "Kein Mensch muß in seinen
Meynungen, selbst [Spaltenumbruch]
des Regiments von Orleans dahin kommen laſſen.
Jn- Die Ruhe ſtellt ſich nun immer mehr wieder ein, Zu Rennes hat man bey Gelegenheit der am 4ten Am vorigen Freytag wurden zu Rennes der Advocat Man glaubt, daß die Nationalverſammlung heute Erklaͤrung der Rechte des Menſchen
in Geſellſchaft. 1) Die Menſchen werden frey und gleich an Rechten gebohren, und bleiben es. Die Unterſcheidungen muͤſſen bloß auf den gemeinſchaftlichen Nutzen gegruͤn- det ſeyn. 2) Der Zweck aller Geſellſchaft muß in der Erhal- tung der natuͤrlichen und der Verjaͤhrung nicht unter- worfenen Rechte des Menſchen beſtehen. Dieſe Rechte ſind die Freyheit, das Eigenthum, die Sicherheit und der Widerſtand gegen Unterdruͤckung. 3) Der Grund aller Souverainitaͤt
reſidirt we- ſentlich in der Nation. Kein Corps, kein Jndividuum kann eine Gewalt ausuͤben, die nicht ausdruͤcklich dar- aus herfließt. 4) Die Freyheit beſteht darinn, daß man alles thun kann, was dem andern nicht ſchadet. Alſo hat die Ausuͤbung der natuͤrlichen Rechte eines jeden Menſchen keine andere Grenzen, als diejenigen, welche den uͤbri- gen Menſchen einen freyen Gebrauch eben dieſer Rechte [Spaltenumbruch] verſichern. Die Grenzen koͤnnen nur durch das Geſetz beſtimmt werden. 5) Das Geſetz muß nur diejenigen Handlungen ver- bieten, welche der Geſellſchaft ſchaͤdlich ſind. Alles, was nicht verboten iſt, kann nicht gehindert werden; und Niemand kann gezwungen werden, dasjenige zu thun, was das Geſetz nicht befiehlt. 6) Das Geſetz iſt der Ausdruck des allgemeinen Willens. Alle Buͤrger haben Recht, perſoͤnlich, oder durch ihre Repraͤſentanten, zur Formation des Geſetzes mitzuwirken. Es muß eben daſſelbe fuͤr alle ſeyn, es mag beſchuͤtzen oder beſtrafen. Da alle Buͤrger in den Augen deſſelben gleich ſind, ſo muͤſſen ſie auch zu allen Wuͤrden, Plaͤtzen und oͤffentlichen Aemtern, nach ihrer Faͤhigkeit, zugelaſſen werden, ohne andere Unter- ſcheidung, als diejenigen ſind, welche ihre Tugenden und ihre Talente an die Hand geben. 7) Kein Menſch kann angeklagt, gefangen geſetzt, noch gefangen behalten werden, als in dem Falle, der durch das Geſetz beſtimmt iſt, und nach den Formen, die es vorgeſchrieben hat. Diejenigen, welche will- kuͤrliche Befehle erbitten, ausfertigen, in Ausfuͤhrung bringen, oder ſie ausfuͤhren laſſen, muͤſſen beſtraft werden. Ein jeder Buͤrger, der kraft des Geſetzes apellirt oder ergriffen wird, muß dem Augenblicke folg- ſam ſeyn. Er wuͤrde ſich durch Widerſetzung ſtrafbar machen. 8) Das Geſetz muß nur Strafen veſtſetzen,
die durchaus und offenbar nothwendig ſind; und Niemand kann geſtraft werden, als kraft eines veſtgeſetzten und noch vor dem Verbrechen bekannt gemachten und ge- hoͤrig angewandten Geſetzes. 9) Da man einen jeden Menſchen ſo lange fuͤr
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ſchuldig haͤlt, bis er verurtheilt worden, ſo muß alle Strenge, die zur Verſicherung ſeiner Perſon, wenn er durchaus arretirt werden muß, nicht nothwendig iſt, durch das Geſetz aufs ſchaͤrfſte zuruͤckgehalten werden. Jn der geſtrigen ſonntaͤglichen
außerordentlichen 1) Da das Geſetz die heimlichen Verbrechen nicht treffen kann, ſo muß die Religion und die Moral an deſſen Stelle treten. Es iſt alſo fuͤr die gute Ordnung der Geſellſchaft nothwendig, daß beyde in Ehrfurcht gehalten werden. 2) Die Aufrechthaltung der Religion erfordert einen oͤffentlichen Gottesdienſt. Die Ehrfurcht fuͤr den oͤffentlichen Gottesdienſt iſt alſo nothwendig. 3) Jeder Buͤrger, der den etablirten Gottesdienſt
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des Regiments von Orleans dahin kommen laſſen. Jn-
deſſen haben die Officiers und Soldaten ſchon an vie-
len Orten den neuen Eid der Treue der Nation, dem
Koͤnige und dem Geſetze geſchworen.
Die Ruhe ſtellt ſich nun immer mehr wieder ein,
nachdem zur Wiederherſtellung und Aufrechthaltung
derſelben die beſten Anſtalten getroffen worden.
Zu Rennes hat man bey Gelegenheit der am 4ten
dieſes in der Nationalverſammlung veſtgeſetzten bekann-
ten Artikel große Freudensbezeugungen angeſtellt. Jn
einigen andern Provinzen iſt man mit ſelbigen nicht
voͤllig zufrieden.
Am vorigen Freytag wurden zu Rennes der Advocat
Jourdain und der Comoediant beym Theater der ſoge-
nannten Varietés amuſantes du palais Royal a Paris,
Namens Bordier, gehenkt. Dieſer Acteur befand ſich
am 13ten und 14ten Julii zu Rouen, und ſetzte ſich
mit dem Advocaten Jourdain an die Spitze der Tumul-
tuanten, die er anreizte, den Jntendanten, Herrn
Maußion, umzubringen, der aber gluͤcklich entkam,
worauf deſſen Haus gepluͤndert ward. Herr Bordier
war ein ſehr beliebter Acteur, und man hat ſich viele
Muͤhe gegeben, ſeinen Pardon zu bewirken. Der
Siegelbewahrer hatte auch einen Aufſchub der Execu-
tion bewilligt, aber der Magiſtrat machte Vorſtellung
dagegen, und befuͤrchtete einen allgemeinen Aufſtand
in der Stadt, wenn der Schauſpieler nicht gehenkt
wuͤrde, weshalb denn der Siegelbewahrer ſeinen Auf-
ſchub wieder einzog. Beyde wurden vorher auf die
ordentliche und außerordentliche Tortur gebracht, um
ihre Gehuͤlfen und Rathgeber anzugeben.
Man glaubt, daß die Nationalverſammlung heute
mit ihrer Declaration uͤber die Rechte des Menſchen
zu Stande kommen werde, damit ſie dem Koͤnige
morgen, als am Ludwigsfeſte, dieſes erſte Kapitel der
Conſtitution uͤberreichen koͤnne. Was bisher uͤber die
Rechte des Menſchen in den oͤffentlichen Blaͤttern ge-
leſen worden, waren nur projectirte Artikel; die fol-
genden ſind, nach vielen Debatten, wirklich von der
Nationalverſammlung veſtgeſetzt und als zur Conſti-
tution gehoͤrig angenommen worden:
Erklaͤrung der Rechte des Menſchen in
Geſellſchaft.
1) Die Menſchen werden frey und gleich an Rechten
gebohren, und bleiben es. Die Unterſcheidungen
muͤſſen bloß auf den gemeinſchaftlichen Nutzen gegruͤn-
det ſeyn.
2) Der Zweck aller Geſellſchaft muß in der Erhal-
tung der natuͤrlichen und der Verjaͤhrung nicht unter-
worfenen Rechte des Menſchen beſtehen. Dieſe Rechte
ſind die Freyheit, das Eigenthum, die Sicherheit
und der Widerſtand gegen Unterdruͤckung.
3) Der Grund aller Souverainitaͤt reſidirt we-
ſentlich in der Nation. Kein Corps, kein Jndividuum
kann eine Gewalt ausuͤben, die nicht ausdruͤcklich dar-
aus herfließt.
4) Die Freyheit beſteht darinn, daß man alles thun
kann, was dem andern nicht ſchadet. Alſo hat die
Ausuͤbung der natuͤrlichen Rechte eines jeden Menſchen
keine andere Grenzen, als diejenigen, welche den uͤbri-
gen Menſchen einen freyen Gebrauch eben dieſer Rechte
verſichern. Die Grenzen koͤnnen nur durch das Geſetz
beſtimmt werden.
5) Das Geſetz muß nur diejenigen Handlungen ver-
bieten, welche der Geſellſchaft ſchaͤdlich ſind. Alles,
was nicht verboten iſt, kann nicht gehindert werden;
und Niemand kann gezwungen werden, dasjenige zu
thun, was das Geſetz nicht befiehlt.
6) Das Geſetz iſt der Ausdruck des allgemeinen
Willens. Alle Buͤrger haben Recht, perſoͤnlich, oder
durch ihre Repraͤſentanten, zur Formation des Geſetzes
mitzuwirken. Es muß eben daſſelbe fuͤr alle ſeyn, es
mag beſchuͤtzen oder beſtrafen. Da alle Buͤrger in den
Augen deſſelben gleich ſind, ſo muͤſſen ſie auch zu allen
Wuͤrden, Plaͤtzen und oͤffentlichen Aemtern, nach
ihrer Faͤhigkeit, zugelaſſen werden, ohne andere Unter-
ſcheidung, als diejenigen ſind, welche ihre Tugenden
und ihre Talente an die Hand geben.
7) Kein Menſch kann angeklagt, gefangen geſetzt,
noch gefangen behalten werden, als in dem Falle, der
durch das Geſetz beſtimmt iſt, und nach den Formen,
die es vorgeſchrieben hat. Diejenigen, welche will-
kuͤrliche Befehle erbitten, ausfertigen, in Ausfuͤhrung
bringen, oder ſie ausfuͤhren laſſen, muͤſſen beſtraft
werden. Ein jeder Buͤrger, der kraft des Geſetzes
apellirt oder ergriffen wird, muß dem Augenblicke folg-
ſam ſeyn. Er wuͤrde ſich durch Widerſetzung ſtrafbar
machen.
8) Das Geſetz muß nur Strafen veſtſetzen, die
durchaus und offenbar nothwendig ſind; und Niemand
kann geſtraft werden, als kraft eines veſtgeſetzten und
noch vor dem Verbrechen bekannt gemachten und ge-
hoͤrig angewandten Geſetzes.
9) Da man einen jeden Menſchen ſo lange fuͤr un-
ſchuldig haͤlt, bis er verurtheilt worden, ſo muß alle
Strenge, die zur Verſicherung ſeiner Perſon, wenn er
durchaus arretirt werden muß, nicht nothwendig iſt,
durch das Geſetz aufs ſchaͤrfſte zuruͤckgehalten werden.
Jn der geſtrigen ſonntaͤglichen außerordentlichen
Sitzung der Nationalverſammlung ward uͤber die
folgenden Artikel debattirt:
1) Da das Geſetz die heimlichen Verbrechen nicht
treffen kann, ſo muß die Religion und die Moral an
deſſen Stelle treten. Es iſt alſo fuͤr die gute Ordnung
der Geſellſchaft nothwendig, daß beyde in Ehrfurcht
gehalten werden.
2) Die Aufrechthaltung der Religion erfordert einen
oͤffentlichen Gottesdienſt. Die Ehrfurcht fuͤr den
oͤffentlichen Gottesdienſt iſt alſo nothwendig.
3) Jeder Buͤrger, der den etablirten Gottesdienſt
nicht ſtoͤhret, muß nicht beunruhigt werden.
Als man uͤber die beyden erſten Artikel genug debat-
tirt, aber nichts entſchieden hatte, gieng man zu dem
dritten, der folgendermaßen veraͤndert, und ſo veraͤn-
dert, als ein Artikel der Conſtitution von der Natio-
nalverſammlung decretirt ward:
“Kein Menſch muß in ſeinen Meynungen, ſelbſt
auch in den gottesdienſtlichen (religieuſes) beunruhigt
werden, wenn ihre oͤffentliche Aeußerung (manifeſta-
tion) die oͤffentliche, durch das Geſetz veſtgeſetzte Ord-
nung nicht ſtoͤhrt.” Dieſer letzte Artikel fand viele
Schwierigkeiten, und iſt auch jetzt noch vielen Critiken
unterworfen. Es waren am Sonntage nur wenige
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(2014-07-07T10:32:49Z)
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