Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.Die zweyte Stund. tig/ weil sie wortreicher als keine andere/ die ein-syllbigen Stammwörter zierlich verdopeln und einigen kan; daß in einer wolgefasten Rede ein natürlicher der Deutung gemässer Ton/ und wol- klingender Laut zu finden/ welcher in der Poete- rey kunstrichtig verfasset/ und durch die Music begeistert wird. 5. Die jenigen/ so vermeinen/ man müsse die II. 6. Wann wir die Wörter unsrer Sprache recht Die
Die zweyte Stund. tig/ weil ſie wortreicher als keine andere/ die ein-ſyllbigen Stammwoͤrter zierlich verdopeln und einigen kan; daß in einer wolgefaſten Rede ein natuͤrlicher der Deutung gemaͤſſer Ton/ uñ wol- klingender Laut zu finden/ welcher in der Poete- rey kunſtrichtig verfaſſet/ und durch die Muſic begeiſtert wird. 5. Die jenigen/ ſo vermeinen/ man muͤſſe die II. 6. Wann wir die Woͤrter unſrer Sprache recht Die
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Die zweyte Stund.
tig/ weil ſie wortreicher als keine andere/ die ein-
ſyllbigen Stammwoͤrter zierlich verdopeln und
einigen kan; daß in einer wolgefaſten Rede ein
natuͤrlicher der Deutung gemaͤſſer Ton/ uñ wol-
klingender Laut zu finden/ welcher in der Poete-
rey kunſtrichtig verfaſſet/ und durch die Muſic
begeiſtert wird.
5. Die jenigen/ ſo vermeinen/ man muͤſſe die
teutſche Poeterey nach dem Lateiniſchen richten/
ſind auf einer gantz irrigen Meinung. Unſre
Sprache iſt eine Haubtſprache/ und wird nach
ihrer Eigenſchaft/ und nach keiner andern Lehr-
ſaͤtzen gerichtet werden koͤnnen. Wir wollen hier-
von etwas Weniges zu anderer mehrverſtaͤndi-
gen Nachſpur melden/ und uns richten nach den
jenigen/ welche bißhero nicht ohne unſterblichen
Namensruhm liebliche Gedichte verabfaſſet/ uñ
in Druck gegeben: Wie aber die Griechiſche und
Lateiniſche Sprach/ nach vieler hundert Jahren
Arbeit/ zu endlicher Vollkommenheit gelanget/ ſo
iſt ſolche dieſer Zeit bey dem Anfang nicht zu ver-
hoffen/ ſondern beruhet alles auf genauſichtiger
Verbeſſerung gluͤcklich.
II.
6. Wann wir die Woͤrter unſrer Sprache recht
betrachten/ findẽ wir derſelbigen dreyerley: I. ein-
ſyllbige. II. zweyſyllbige. III. dreyſyllbige.
Die
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Zitationshilfe: | Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/36>, abgerufen am 22.02.2025. |