Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.betriegen. So hat auch meinem Bedüncken nach der Einwurff nichts auf sich/ daß die Gewissens- Stiche/ wie die Furcht überhaupt/ von der Er- ziehung und dem/ was in der Jugend von GOtt/ Gesetz/ Himmel und Hölle dem Menschen beygebracht und gelehret worden/ den Ursprung nehmen. Das Gefühl des Gewissens entsteht nicht willkührlich: man kan sich selbiges nach Ge- fallen weder machen noch auslöschen. Es gehö- ret zu denen Dingen/ die sich leidend/ das ist/ ge- gen alles unser Wollen und oft gegen allen vor- setzlichen Widerstand in der Seelen zeugen. Wie viele löschten solches gerne aus/ wenn es ihnen möglich wäre? Wider Dinge/ die in einer so le- bendigen Erfahrung gegründet/ lassen sich keine Zweiffel machen/ und es können überall keine Ein- wendungen dagegen etwas gelten. Man könte sonst den Leuten weis machen/ daß essen/ trincken und schlaffen nur von der Erziehung käme und eine leere Gewohnheit wäre/ oder ihnen wie der Engelländer Asgill gar einbilden/ es wäre ein Vor- urtheil/ daß die Menschen sterben müsten/ es käme nur auf den Glauben an/ so würden sie ewig le- ben können. XXIV. Ob nicht die Empfindungen ei- nes bösen Gewissens/ welche wir künftighin Gewissens-Stiche nen- nen D 4
betriegen. So hat auch meinem Beduͤncken nach der Einwurff nichts auf ſich/ daß die Gewiſſens- Stiche/ wie die Furcht uͤberhaupt/ von der Er- ziehung und dem/ was in der Jugend von GOtt/ Geſetz/ Himmel und Hoͤlle dem Menſchen beygebracht und gelehret worden/ den Urſprung nehmen. Das Gefuͤhl des Gewiſſens entſteht nicht willkuͤhrlich: man kan ſich ſelbiges nach Ge- fallen weder machen noch ausloͤſchen. Es gehoͤ- ret zu denen Dingen/ die ſich leidend/ das iſt/ ge- gen alles unſer Wollen und oft gegen allen vor- ſetzlichen Widerſtand in der Seelen zeugen. Wie viele loͤſchten ſolches gerne aus/ wenn es ihnen moͤglich waͤre? Wider Dinge/ die in einer ſo le- bendigen Erfahrung gegruͤndet/ laſſen ſich keine Zweiffel machen/ und es koͤnnen uͤberall keine Ein- wendungen dagegen etwas gelten. Man koͤnte ſonſt den Leuten weis machen/ daß eſſen/ trincken und ſchlaffen nur von der Erziehung kaͤme und eine leere Gewohnheit waͤre/ oder ihnen wie der Engellaͤnder Asgill gar einbilden/ es waͤre ein Vor- urtheil/ daß die Menſchen ſterben muͤſten/ es kaͤme nur auf den Glauben an/ ſo wuͤrden ſie ewig le- ben koͤnnen. XXIV. Ob nicht die Empfindungen ei- nes boͤſen Gewiſſens/ welche wir kuͤnftighin Gewiſſens-Stiche nen- nen D 4
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betriegen. So hat auch meinem Beduͤncken nach
der Einwurff nichts auf ſich/ daß die Gewiſſens-
Stiche/ wie die Furcht uͤberhaupt/ von der Er-
ziehung und dem/ was in der Jugend von
GOtt/ Geſetz/ Himmel und Hoͤlle dem Menſchen
beygebracht und gelehret worden/ den Urſprung
nehmen. Das Gefuͤhl des Gewiſſens entſteht
nicht willkuͤhrlich: man kan ſich ſelbiges nach Ge-
fallen weder machen noch ausloͤſchen. Es gehoͤ-
ret zu denen Dingen/ die ſich leidend/ das iſt/ ge-
gen alles unſer Wollen und oft gegen allen vor-
ſetzlichen Widerſtand in der Seelen zeugen. Wie
viele loͤſchten ſolches gerne aus/ wenn es ihnen
moͤglich waͤre? Wider Dinge/ die in einer ſo le-
bendigen Erfahrung gegruͤndet/ laſſen ſich keine
Zweiffel machen/ und es koͤnnen uͤberall keine Ein-
wendungen dagegen etwas gelten. Man koͤnte
ſonſt den Leuten weis machen/ daß eſſen/ trincken
und ſchlaffen nur von der Erziehung kaͤme und
eine leere Gewohnheit waͤre/ oder ihnen wie der
Engellaͤnder Asgill gar einbilden/ es waͤre ein Vor-
urtheil/ daß die Menſchen ſterben muͤſten/ es kaͤme
nur auf den Glauben an/ ſo wuͤrden ſie ewig le-
ben koͤnnen.
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Ob nicht die Empfindungen ei-
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