§. 28. Zweifel oder Bedenken über die Vereinigung der Gebärmutter mit dem Kuchen.
Nach meiner Vermutung wird daran kein Mensch zweifeln, daß nicht die Gebärmutter, vermittelst des Ku- chens, der Frucht einen Nahrungssaft zuführen solte; und man siehet nicht ein, wie die Frucht auf einem andern Wege, die Materie zum Wachsen hernehmen solte. Die- semnach ist die Meinung, daß die Frucht durch den Na- bel ernähret werde, bereits ein uralter Gedanke (a).
Man warf die Frage auf, von welcher Art derjenige Saft sey, welchen die Gebärmutter in den Kuchen über- gehen läst. Viele lehren, es sey dieses Blut; andere sagen: Nein; und es bleibt dieser Handel unentschieden, da ausserdem zween berühmte Männer (b) vor Kurzem, gegen den Zufluß des Blutes in den Kuchen Versuche anführten. Diese Versuche sind von allerlei Arten.
So lehret der berühmte Roederer, daß die Ader- haut der Gebärmutter (c), welche während der Schwan- gerschaft wächst, deutlich mit der gitterförmigen Mem- bran des chorii in Verbindung stehe, indem sich so gar die Schlagadern und Blutadern beider Dekken mit ein- ander vermischen und zusammenwachsen.
Jedoch, er giebt darum noch nicht die Strasse des Blutes selbst zu, welche von der Mutter in das Kind über- gehen solte; weil er sagt, daß diese fadenartige Membran (d) ihr Blut nicht den Nabelgefässen überreiche: und
den-
(a)[Spaltenumbruch]HIPPOCRATES peri tro- phes nat. puer. n. 5. ANAXA- GORVS. apud. CENSORINUM c. 6. STOICI durchs chorion, und dem Nabel, bei dem PLUTARCH. Placit. L. V. c. 6 DEMOCRITUS apud PLUTARCHIUM ARISTO- TELES gener. anim. L. II. c. 4. die in die Blut und Schlagadern des uteri inserirte Blut und Schlag- [Spaltenumbruch]
adern wären der Anfang der Af- tergeburt GALEN form. fet. Dis- sect. vulv.
(b)ALEX. MONRO in II. & III. T. Ess. of a Societ. at Edimb. & T. I. Ess. of a Societ. physic. and litter. & J. G. ROEDERER de utero gravido.
(c)p. 24. 25.
(d)p. 25.
Die Frucht. XXIX. B.
§. 28. Zweifel oder Bedenken uͤber die Vereinigung der Gebaͤrmutter mit dem Kuchen.
Nach meiner Vermutung wird daran kein Menſch zweifeln, daß nicht die Gebaͤrmutter, vermittelſt des Ku- chens, der Frucht einen Nahrungsſaft zufuͤhren ſolte; und man ſiehet nicht ein, wie die Frucht auf einem andern Wege, die Materie zum Wachſen hernehmen ſolte. Die- ſemnach iſt die Meinung, daß die Frucht durch den Na- bel ernaͤhret werde, bereits ein uralter Gedanke (a).
Man warf die Frage auf, von welcher Art derjenige Saft ſey, welchen die Gebaͤrmutter in den Kuchen uͤber- gehen laͤſt. Viele lehren, es ſey dieſes Blut; andere ſagen: Nein; und es bleibt dieſer Handel unentſchieden, da auſſerdem zween beruͤhmte Maͤnner (b) vor Kurzem, gegen den Zufluß des Blutes in den Kuchen Verſuche anfuͤhrten. Dieſe Verſuche ſind von allerlei Arten.
So lehret der beruͤhmte Roederer, daß die Ader- haut der Gebaͤrmutter (c), welche waͤhrend der Schwan- gerſchaft waͤchſt, deutlich mit der gitterfoͤrmigen Mem- bran des chorii in Verbindung ſtehe, indem ſich ſo gar die Schlagadern und Blutadern beider Dekken mit ein- ander vermiſchen und zuſammenwachſen.
Jedoch, er giebt darum noch nicht die Straſſe des Blutes ſelbſt zu, welche von der Mutter in das Kind uͤber- gehen ſolte; weil er ſagt, daß dieſe fadenartige Membran (d) ihr Blut nicht den Nabelgefaͤſſen uͤberreiche: und
den-
(a)[Spaltenumbruch]HIPPOCRATES peri tro- phes nat. puer. n. 5. ANAXA- GORVS. apud. CENSORINUM c. 6. STOICI durchs chorion, und dem Nabel, bei dem PLUTARCH. Placit. L. V. c. 6 DEMOCRITUS apud PLUTARCHIUM ARISTO- TELES gener. anim. L. II. c. 4. die in die Blut und Schlagadern des uteri inſerirte Blut und Schlag- [Spaltenumbruch]
adern waͤren der Anfang der Af- tergeburt GALEN form. fet. Diſ- ſect. vulv.
(b)ALEX. MONRO in II. & III. T. Eſſ. of a Societ. at Edimb. & T. I. Eſſ. of a Societ. phyſic. and litter. & J. G. ROEDERER de utero gravido.
(c)p. 24. 25.
(d)p. 25.
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[394[396]/0448]
Die Frucht. XXIX. B.
§. 28.
Zweifel oder Bedenken uͤber die Vereinigung der
Gebaͤrmutter mit dem Kuchen.
Nach meiner Vermutung wird daran kein Menſch
zweifeln, daß nicht die Gebaͤrmutter, vermittelſt des Ku-
chens, der Frucht einen Nahrungsſaft zufuͤhren ſolte; und
man ſiehet nicht ein, wie die Frucht auf einem andern
Wege, die Materie zum Wachſen hernehmen ſolte. Die-
ſemnach iſt die Meinung, daß die Frucht durch den Na-
bel ernaͤhret werde, bereits ein uralter Gedanke (a).
Man warf die Frage auf, von welcher Art derjenige
Saft ſey, welchen die Gebaͤrmutter in den Kuchen uͤber-
gehen laͤſt. Viele lehren, es ſey dieſes Blut; andere
ſagen: Nein; und es bleibt dieſer Handel unentſchieden,
da auſſerdem zween beruͤhmte Maͤnner (b) vor Kurzem,
gegen den Zufluß des Blutes in den Kuchen Verſuche
anfuͤhrten. Dieſe Verſuche ſind von allerlei Arten.
So lehret der beruͤhmte Roederer, daß die Ader-
haut der Gebaͤrmutter (c), welche waͤhrend der Schwan-
gerſchaft waͤchſt, deutlich mit der gitterfoͤrmigen Mem-
bran des chorii in Verbindung ſtehe, indem ſich ſo gar
die Schlagadern und Blutadern beider Dekken mit ein-
ander vermiſchen und zuſammenwachſen.
Jedoch, er giebt darum noch nicht die Straſſe des
Blutes ſelbſt zu, welche von der Mutter in das Kind uͤber-
gehen ſolte; weil er ſagt, daß dieſe fadenartige Membran
(d) ihr Blut nicht den Nabelgefaͤſſen uͤberreiche: und
den-
(a)
HIPPOCRATES peri tro-
phes nat. puer. n. 5. ANAXA-
GORVS. apud. CENSORINUM
c. 6. STOICI durchs chorion, und
dem Nabel, bei dem PLUTARCH.
Placit. L. V. c. 6 DEMOCRITUS
apud PLUTARCHIUM ARISTO-
TELES gener. anim. L. II. c. 4.
die in die Blut und Schlagadern
des uteri inſerirte Blut und Schlag-
adern waͤren der Anfang der Af-
tergeburt GALEN form. fet. Diſ-
ſect. vulv.
(b) ALEX. MONRO in II. &
III. T. Eſſ. of a Societ. at Edimb.
& T. I. Eſſ. of a Societ. phyſic.
and litter. & J. G. ROEDERER
de utero gravido.
(c) p. 24. 25.
(d) p. 25.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 394[396]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/448>, abgerufen am 20.11.2024.
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