§. 1. Man mus sich diesen beiden Empfindungen beqvemen.
Es würde eine unnötige Spizzfündigkeit sein, wenn man Hunger und Durst anders, als einen Schmerz betrachten wollte, oder wenn man einen besondern Sinn (a) zu erdenken suchte, zu welchem beide gehören sollten.
Beide sind getreue Wegweiser der Natur (b), wenn man sie für sich allein, und ohne Beimischung anderer Jdeen anhört: und es ist nicht nötig, nach dem Gewich- te (c), oder nach der unmerklichen Ausdünstung zu be- rechnen, wie viel Narungsmittel man bedarf, denn der noch übrige Hunger befielt uns schon, ob wir weiter essen, und die gestillte Lust, daß wir aufhören sollen. Und so wissen alle Thiere, ohne Lehrmeister, in ihren Speisen Maas zu halten.
Ferner, da eben dieselben Ursachen den Durst hervor- bringen, welche uns in die Notwendigkeit zu trinken sez- zen, und dieses thut der Mangel an Feuchtigkeit (d), die Schärfe der Säfte oder ihre Zähigkeit, so ist es billig, daß durch einerlei Maas, theils die Absicht, warum man trinkt, erhalten, theils dem Verlangen darnach ein Ende gemacht wird. Wenn die Feuchtigkeit wieder ersezzt, die Schärfe benommen, die Zähigkeit aufgelöst worden, so hat man keine Ursache mehr, zu trinken; und so ist es
auch
(a)[Spaltenumbruch]GORTER es sei ein inner- licher Geschmakk PERRAULT du gout.
(b)[Spaltenumbruch]WAINEWRIGTH of meat. p. 157.
(c)GORTER de fame p. 71 75.
(d)p. 180.
Dritter Abſchnitt. Speiſe und Trank.
§. 1. Man mus ſich dieſen beiden Empfindungen beqvemen.
Es wuͤrde eine unnoͤtige Spizzfuͤndigkeit ſein, wenn man Hunger und Durſt anders, als einen Schmerz betrachten wollte, oder wenn man einen beſondern Sinn (a) zu erdenken ſuchte, zu welchem beide gehoͤren ſollten.
Beide ſind getreue Wegweiſer der Natur (b), wenn man ſie fuͤr ſich allein, und ohne Beimiſchung anderer Jdeen anhoͤrt: und es iſt nicht noͤtig, nach dem Gewich- te (c), oder nach der unmerklichen Ausduͤnſtung zu be- rechnen, wie viel Narungsmittel man bedarf, denn der noch uͤbrige Hunger befielt uns ſchon, ob wir weiter eſſen, und die geſtillte Luſt, daß wir aufhoͤren ſollen. Und ſo wiſſen alle Thiere, ohne Lehrmeiſter, in ihren Speiſen Maas zu halten.
Ferner, da eben dieſelben Urſachen den Durſt hervor- bringen, welche uns in die Notwendigkeit zu trinken ſez- zen, und dieſes thut der Mangel an Feuchtigkeit (d), die Schaͤrfe der Saͤfte oder ihre Zaͤhigkeit, ſo iſt es billig, daß durch einerlei Maas, theils die Abſicht, warum man trinkt, erhalten, theils dem Verlangen darnach ein Ende gemacht wird. Wenn die Feuchtigkeit wieder erſezzt, die Schaͤrfe benommen, die Zaͤhigkeit aufgeloͤſt worden, ſo hat man keine Urſache mehr, zu trinken; und ſo iſt es
auch
(a)[Spaltenumbruch]GORTER es ſei ein inner- licher Geſchmakk PERRAULT du gout.
(b)[Spaltenumbruch]WAINEWRIGTH of meat. p. 157.
(c)GORTER de fame p. 71 75.
(d)p. 180.
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[269[285]/0305]
Dritter Abſchnitt.
Speiſe und Trank.
§. 1.
Man mus ſich dieſen beiden Empfindungen
beqvemen.
Es wuͤrde eine unnoͤtige Spizzfuͤndigkeit ſein, wenn
man Hunger und Durſt anders, als einen Schmerz
betrachten wollte, oder wenn man einen beſondern Sinn
(a) zu erdenken ſuchte, zu welchem beide gehoͤren ſollten.
Beide ſind getreue Wegweiſer der Natur (b), wenn
man ſie fuͤr ſich allein, und ohne Beimiſchung anderer
Jdeen anhoͤrt: und es iſt nicht noͤtig, nach dem Gewich-
te (c), oder nach der unmerklichen Ausduͤnſtung zu be-
rechnen, wie viel Narungsmittel man bedarf, denn der
noch uͤbrige Hunger befielt uns ſchon, ob wir weiter eſſen,
und die geſtillte Luſt, daß wir aufhoͤren ſollen. Und ſo
wiſſen alle Thiere, ohne Lehrmeiſter, in ihren Speiſen
Maas zu halten.
Ferner, da eben dieſelben Urſachen den Durſt hervor-
bringen, welche uns in die Notwendigkeit zu trinken ſez-
zen, und dieſes thut der Mangel an Feuchtigkeit (d), die
Schaͤrfe der Saͤfte oder ihre Zaͤhigkeit, ſo iſt es billig,
daß durch einerlei Maas, theils die Abſicht, warum man
trinkt, erhalten, theils dem Verlangen darnach ein Ende
gemacht wird. Wenn die Feuchtigkeit wieder erſezzt, die
Schaͤrfe benommen, die Zaͤhigkeit aufgeloͤſt worden, ſo
hat man keine Urſache mehr, zu trinken; und ſo iſt es
auch
(a)
GORTER es ſei ein inner-
licher Geſchmakk PERRAULT du
gout.
(b)
WAINEWRIGTH of meat.
p. 157.
(c) GORTER de fame p. 71 75.
(d) p. 180.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 269[285]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/305>, abgerufen am 21.11.2024.
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