Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
IV. Abschnitt. Nuzzen.

Endlich geben die Wirbelbeine, wenn sie durch ihre
Ausstrekker zurükke gezogen werden (s), die Stüzze für den
Kopf ab. Da dieser Kopf vorne weit über das Gelenke
am Atlas vorliegt, und wenn wir schlafen allezeit von selbst
nach vorne sinkt, so waren hier wieder viel Ausstrekker nötig,
welche von den Gräten, und den Querfortsäzzen des Halses
und Rükkens entspringen, und den Kopf zurükke ziehen.
Da derselbige gegenteils von sehr wenigen und viel schwä-
chern Muskeln, als dem geraden grossen, dem kleinen, und
dem langen Halsmuskel nach vorne gezogen wird. Die
Seiten des Halses werden auch von den ungleich dreisei-
tigen und andern von den Queerfortsäzzen herkommenden
Muskeln unterstüzzt, welche durch den Gegenzug hindern,
daß der Kopf, oder Hals nicht auf eine andre Seite über-
nikken kann.

Da so viele Kräfte, ob ich gleich nicht einmal alle ge-
nannt habe, bei dem Stehen zusammen wirken, so darf
man sich nicht wundern, daß solches so sehr müde macht
(t), und zwar um desto mehr, weil eben diese Muskeln
in eins weg fortarbeiten. Daher pflegen diejenigen, wel-
che stehen, bald auf den rechten Fus (u), indem der
linke gleichsam so lange müßig ist, bald auf den linken
aufzutreten, und bald wieder etwas weiter zu spazieren,
damit wenigstens einige Muskeln, die das Stehen zu ver-
richten haben, indessen ausruhen mögen.

§. 3.
Das Fortgehen.

Das Fortgehen ist sowohl für den Menschen, als für
den Beschreiber leichter, als das Stehen war. Man
sezze, es stehe eine Person (x); folglich bleibt der eine
Fus unbeweglich stehen, welches der feste Punkt für dieje-

nige
(s) [Spaltenumbruch] Die Ausstrekker des Rükkens
sind sehr stark. COWPER ad T.
88.
(t) FABRICIUS de gressu
[Spaltenumbruch] p. 16. COWPER loc cit. BAY-
LE pag.
213.
(u) BORELL. L. I. prop. 143.
(x) pag. 564. seqq.
IV. Abſchnitt. Nuzzen.

Endlich geben die Wirbelbeine, wenn ſie durch ihre
Ausſtrekker zuruͤkke gezogen werden (s), die Stuͤzze fuͤr den
Kopf ab. Da dieſer Kopf vorne weit uͤber das Gelenke
am Atlas vorliegt, und wenn wir ſchlafen allezeit von ſelbſt
nach vorne ſinkt, ſo waren hier wieder viel Ausſtrekker noͤtig,
welche von den Graͤten, und den Querfortſaͤzzen des Halſes
und Ruͤkkens entſpringen, und den Kopf zuruͤkke ziehen.
Da derſelbige gegenteils von ſehr wenigen und viel ſchwaͤ-
chern Muſkeln, als dem geraden groſſen, dem kleinen, und
dem langen Halsmuſkel nach vorne gezogen wird. Die
Seiten des Halſes werden auch von den ungleich dreiſei-
tigen und andern von den Queerfortſaͤzzen herkommenden
Muſkeln unterſtuͤzzt, welche durch den Gegenzug hindern,
daß der Kopf, oder Hals nicht auf eine andre Seite uͤber-
nikken kann.

Da ſo viele Kraͤfte, ob ich gleich nicht einmal alle ge-
nannt habe, bei dem Stehen zuſammen wirken, ſo darf
man ſich nicht wundern, daß ſolches ſo ſehr muͤde macht
(t), und zwar um deſto mehr, weil eben dieſe Muſkeln
in eins weg fortarbeiten. Daher pflegen diejenigen, wel-
che ſtehen, bald auf den rechten Fus (u), indem der
linke gleichſam ſo lange muͤßig iſt, bald auf den linken
aufzutreten, und bald wieder etwas weiter zu ſpazieren,
damit wenigſtens einige Muſkeln, die das Stehen zu ver-
richten haben, indeſſen ausruhen moͤgen.

§. 3.
Das Fortgehen.

Das Fortgehen iſt ſowohl fuͤr den Menſchen, als fuͤr
den Beſchreiber leichter, als das Stehen war. Man
ſezze, es ſtehe eine Perſon (x); folglich bleibt der eine
Fus unbeweglich ſtehen, welches der feſte Punkt fuͤr dieje-

nige
(s) [Spaltenumbruch] Die Ausſtrekker des Ruͤkkens
ſind ſehr ſtark. COWPER ad T.
88.
(t) FABRICIUS de greſſu
[Spaltenumbruch] p. 16. COWPER loc cit. BAY-
LE pag.
213.
(u) BORELL. L. I. prop. 143.
(x) pag. 564. ſeqq.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0223" n="205"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Nuzzen.</hi> </fw><lb/>
          <p>Endlich geben die Wirbelbeine, wenn &#x017F;ie durch ihre<lb/>
Aus&#x017F;trekker zuru&#x0364;kke gezogen werden <note place="foot" n="(s)"><cb/>
Die Aus&#x017F;trekker des Ru&#x0364;kkens<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ehr &#x017F;tark. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">COWPER</hi> ad T.</hi><lb/>
88.</note>, die Stu&#x0364;zze fu&#x0364;r den<lb/>
Kopf ab. Da die&#x017F;er Kopf vorne weit u&#x0364;ber das Gelenke<lb/>
am Atlas vorliegt, und wenn wir &#x017F;chlafen allezeit von &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nach vorne &#x017F;inkt, &#x017F;o waren hier wieder viel Aus&#x017F;trekker no&#x0364;tig,<lb/>
welche von den Gra&#x0364;ten, und den Querfort&#x017F;a&#x0364;zzen des Hal&#x017F;es<lb/>
und Ru&#x0364;kkens ent&#x017F;pringen, und den Kopf zuru&#x0364;kke ziehen.<lb/>
Da der&#x017F;elbige gegenteils von &#x017F;ehr wenigen und viel &#x017F;chwa&#x0364;-<lb/>
chern Mu&#x017F;keln, als dem geraden gro&#x017F;&#x017F;en, dem kleinen, und<lb/>
dem langen Halsmu&#x017F;kel nach vorne gezogen wird. Die<lb/>
Seiten des Hal&#x017F;es werden auch von den ungleich drei&#x017F;ei-<lb/>
tigen und andern von den Queerfort&#x017F;a&#x0364;zzen herkommenden<lb/>
Mu&#x017F;keln unter&#x017F;tu&#x0364;zzt, welche durch den Gegenzug hindern,<lb/>
daß der Kopf, oder Hals nicht auf eine andre Seite u&#x0364;ber-<lb/>
nikken kann.</p><lb/>
          <p>Da &#x017F;o viele Kra&#x0364;fte, ob ich gleich nicht einmal alle ge-<lb/>
nannt habe, bei dem Stehen zu&#x017F;ammen wirken, &#x017F;o darf<lb/>
man &#x017F;ich nicht wundern, daß &#x017F;olches &#x017F;o &#x017F;ehr mu&#x0364;de macht<lb/><note place="foot" n="(t)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">FABRICIUS</hi> de gre&#x017F;&#x017F;u<lb/><cb/>
p. 16. <hi rendition="#g">COWPER</hi> loc cit. BAY-<lb/>
LE pag.</hi> 213.</note>, und zwar um de&#x017F;to mehr, weil eben die&#x017F;e Mu&#x017F;keln<lb/>
in eins weg fortarbeiten. Daher pflegen diejenigen, wel-<lb/>
che &#x017F;tehen, bald auf den rechten Fus <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BORELL.</hi> L. I. prop.</hi> 143.</note>, indem der<lb/>
linke gleich&#x017F;am &#x017F;o lange mu&#x0364;ßig i&#x017F;t, bald auf den linken<lb/>
aufzutreten, und bald wieder etwas weiter zu &#x017F;pazieren,<lb/>
damit wenig&#x017F;tens einige Mu&#x017F;keln, die das Stehen zu ver-<lb/>
richten haben, inde&#x017F;&#x017F;en ausruhen mo&#x0364;gen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 3.<lb/>
Das Fortgehen.</head><lb/>
          <p>Das Fortgehen i&#x017F;t &#x017F;owohl fu&#x0364;r den Men&#x017F;chen, als fu&#x0364;r<lb/>
den Be&#x017F;chreiber leichter, als das Stehen war. Man<lb/>
&#x017F;ezze, es &#x017F;tehe eine Per&#x017F;on <note place="foot" n="(x)"><hi rendition="#aq">pag. 564. &#x017F;eqq.</hi></note>; folglich bleibt der eine<lb/>
Fus unbeweglich &#x017F;tehen, welches der fe&#x017F;te Punkt fu&#x0364;r dieje-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nige</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0223] IV. Abſchnitt. Nuzzen. Endlich geben die Wirbelbeine, wenn ſie durch ihre Ausſtrekker zuruͤkke gezogen werden (s), die Stuͤzze fuͤr den Kopf ab. Da dieſer Kopf vorne weit uͤber das Gelenke am Atlas vorliegt, und wenn wir ſchlafen allezeit von ſelbſt nach vorne ſinkt, ſo waren hier wieder viel Ausſtrekker noͤtig, welche von den Graͤten, und den Querfortſaͤzzen des Halſes und Ruͤkkens entſpringen, und den Kopf zuruͤkke ziehen. Da derſelbige gegenteils von ſehr wenigen und viel ſchwaͤ- chern Muſkeln, als dem geraden groſſen, dem kleinen, und dem langen Halsmuſkel nach vorne gezogen wird. Die Seiten des Halſes werden auch von den ungleich dreiſei- tigen und andern von den Queerfortſaͤzzen herkommenden Muſkeln unterſtuͤzzt, welche durch den Gegenzug hindern, daß der Kopf, oder Hals nicht auf eine andre Seite uͤber- nikken kann. Da ſo viele Kraͤfte, ob ich gleich nicht einmal alle ge- nannt habe, bei dem Stehen zuſammen wirken, ſo darf man ſich nicht wundern, daß ſolches ſo ſehr muͤde macht (t), und zwar um deſto mehr, weil eben dieſe Muſkeln in eins weg fortarbeiten. Daher pflegen diejenigen, wel- che ſtehen, bald auf den rechten Fus (u), indem der linke gleichſam ſo lange muͤßig iſt, bald auf den linken aufzutreten, und bald wieder etwas weiter zu ſpazieren, damit wenigſtens einige Muſkeln, die das Stehen zu ver- richten haben, indeſſen ausruhen moͤgen. §. 3. Das Fortgehen. Das Fortgehen iſt ſowohl fuͤr den Menſchen, als fuͤr den Beſchreiber leichter, als das Stehen war. Man ſezze, es ſtehe eine Perſon (x); folglich bleibt der eine Fus unbeweglich ſtehen, welches der feſte Punkt fuͤr dieje- nige (s) Die Ausſtrekker des Ruͤkkens ſind ſehr ſtark. COWPER ad T. 88. (t) FABRICIUS de greſſu p. 16. COWPER loc cit. BAY- LE pag. 213. (u) BORELL. L. I. prop. 143. (x) pag. 564. ſeqq.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/223
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/223>, abgerufen am 20.11.2024.