Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

Thierische Bewegung. XI. Buch.
zwar wellenförmige Fasern, doch so, daß sich die Bukkel
der Wellen einander zugekehrt sind, und indem sich selbige
berüren, so drükken sie den dazwischen liegenden Nerven,
und entwenden sich also die Ursache der Bewegung selbst.

Jch überlasse diese, und vielleicht noch andre Mutmas-
sungen, der Ueberlegung des Lesers.

§. 22.
Die gedrehte Faser.

Wenn etwas einfach zu sein scheinet, so ist es gewis
die Hipotese von der gedrehten Faser. Es scheint selbst die
Zergliedrungskunst dieser Meinung das Wort zu reden.
Ausserdem lehrt die Mechanik, daß todte angefeuchtete
Strikke blos von einigen Tropfen Wassers kürzer gemacht
werden, und unglaubliche Gewichter auf heben. Man
hat eine berümte Geschichte von dem Baumeister Fontana
(y), welcher, auf Befel des Pabstes Sixtus des 5, einen
Obelisk aufrichten wollte, und da die auf hebende Kräfte
nicht hinlänglich waren, und bereits alles den Umsturz
drohte, die erstaunliche Last mit angefeuchteten Strikken
in die Höhe hob, und auf ihre Grundfläche niedersezzte.
Jch weiß, daß einige dieses vor eine mechanische Fabel hal-
ten (z). Allein die Sache ist an sich selbst wahr, indem
das Wasser Strikke verkürzt und Mülsteine spaltet, wenn
man (a) damit beide wie mit einem Thaue besprengt. Man
hat auf solche Weise hundert Pfunde aufgehoben (a*).

Es hat zuerst J. Majow (a**) und nach ihm Wal-
ter Charleton (b), so wie vor kurzem der berümte Ber-

tier
(y) [Spaltenumbruch] Catalogue de BONNIER
de la Mosson. CHARLETON
third. lectur. pag. 94. 95. TA-
GLINI
de aere pag.
115.
(z) NOLLET T. III. p. 168.
wenigstens erzält man dergleichen
von dem Obelisk zu Konstantino-
pel vor dem FONTANA. AUGE-
RII de BUSBEQ. oper. p.
70.
(a) [Spaltenumbruch] NOLLET lecons de phy-
sique T. I. p. 88. T. III. p.
164.
(a*) BOYLE subtil. effluv.
p.
184.
(a**) pag. 78. Daß die Faser-
gen von den Geistern zusammen-
gedreht werden.
(b) loc. cit. et MISTICHELLI
apopless. pag.
26.

Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
zwar wellenfoͤrmige Faſern, doch ſo, daß ſich die Bukkel
der Wellen einander zugekehrt ſind, und indem ſich ſelbige
beruͤren, ſo druͤkken ſie den dazwiſchen liegenden Nerven,
und entwenden ſich alſo die Urſache der Bewegung ſelbſt.

Jch uͤberlaſſe dieſe, und vielleicht noch andre Mutmaſ-
ſungen, der Ueberlegung des Leſers.

§. 22.
Die gedrehte Faſer.

Wenn etwas einfach zu ſein ſcheinet, ſo iſt es gewis
die Hipoteſe von der gedrehten Faſer. Es ſcheint ſelbſt die
Zergliedrungskunſt dieſer Meinung das Wort zu reden.
Auſſerdem lehrt die Mechanik, daß todte angefeuchtete
Strikke blos von einigen Tropfen Waſſers kuͤrzer gemacht
werden, und unglaubliche Gewichter auf heben. Man
hat eine beruͤmte Geſchichte von dem Baumeiſter Fontana
(y), welcher, auf Befel des Pabſtes Sixtus des 5, einen
Obeliſk aufrichten wollte, und da die auf hebende Kraͤfte
nicht hinlaͤnglich waren, und bereits alles den Umſturz
drohte, die erſtaunliche Laſt mit angefeuchteten Strikken
in die Hoͤhe hob, und auf ihre Grundflaͤche niederſezzte.
Jch weiß, daß einige dieſes vor eine mechaniſche Fabel hal-
ten (z). Allein die Sache iſt an ſich ſelbſt wahr, indem
das Waſſer Strikke verkuͤrzt und Muͤlſteine ſpaltet, wenn
man (a) damit beide wie mit einem Thaue beſprengt. Man
hat auf ſolche Weiſe hundert Pfunde aufgehoben (a*).

Es hat zuerſt J. Majow (a**) und nach ihm Wal-
ter Charleton (b), ſo wie vor kurzem der beruͤmte Ber-

tier
(y) [Spaltenumbruch] Catalogue de BONNIER
de la Moſſon. CHARLETON
third. lectur. pag. 94. 95. TA-
GLINI
de aere pag.
115.
(z) NOLLET T. III. p. 168.
wenigſtens erzaͤlt man dergleichen
von dem Obeliſk zu Konſtantino-
pel vor dem FONTANA. AUGE-
RII de BUSBEQ. oper. p.
70.
(a) [Spaltenumbruch] NOLLET leçons de phy-
ſique T. I. p. 88. T. III. p.
164.
(a*) BOYLE ſubtil. effluv.
p.
184.
(a**) pag. 78. Daß die Faſer-
gen von den Geiſtern zuſammen-
gedreht werden.
(b) loc. cit. et MISTICHELLI
apopleſſ. pag.
26.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0194" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Thieri&#x017F;che Bewegung. <hi rendition="#aq">XI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
zwar wellenfo&#x0364;rmige Fa&#x017F;ern, doch &#x017F;o, daß &#x017F;ich die Bukkel<lb/>
der Wellen einander zugekehrt &#x017F;ind, und indem &#x017F;ich &#x017F;elbige<lb/>
beru&#x0364;ren, &#x017F;o dru&#x0364;kken &#x017F;ie den dazwi&#x017F;chen liegenden Nerven,<lb/>
und entwenden &#x017F;ich al&#x017F;o die Ur&#x017F;ache der Bewegung &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jch u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;e, und vielleicht noch andre Mutma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ungen, der Ueberlegung des Le&#x017F;ers.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">§. 22.<lb/>
Die gedrehte Fa&#x017F;er.</hi> </head><lb/>
          <p>Wenn etwas einfach zu &#x017F;ein &#x017F;cheinet, &#x017F;o i&#x017F;t es gewis<lb/>
die Hipote&#x017F;e von der gedrehten Fa&#x017F;er. Es &#x017F;cheint &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
Zergliedrungskun&#x017F;t die&#x017F;er Meinung das Wort zu reden.<lb/>
Au&#x017F;&#x017F;erdem lehrt die Mechanik, daß todte angefeuchtete<lb/>
Strikke blos von einigen Tropfen Wa&#x017F;&#x017F;ers ku&#x0364;rzer gemacht<lb/>
werden, und unglaubliche Gewichter auf heben. Man<lb/>
hat eine beru&#x0364;mte Ge&#x017F;chichte von dem Baumei&#x017F;ter Fontana<lb/><note place="foot" n="(y)"><cb/><hi rendition="#aq">Catalogue de <hi rendition="#g">BONNIER</hi><lb/>
de la Mo&#x017F;&#x017F;on. <hi rendition="#g">CHARLETON</hi><lb/>
third. lectur. pag. 94. 95. <hi rendition="#g">TA-<lb/>
GLINI</hi> de aere pag.</hi> 115.</note>, welcher, auf Befel des Pab&#x017F;tes Sixtus des 5, einen<lb/>
Obeli&#x017F;k aufrichten wollte, und da die auf hebende Kra&#x0364;fte<lb/>
nicht hinla&#x0364;nglich waren, und bereits alles den Um&#x017F;turz<lb/>
drohte, die er&#x017F;taunliche La&#x017F;t mit angefeuchteten Strikken<lb/>
in die Ho&#x0364;he hob, und auf ihre Grundfla&#x0364;che nieder&#x017F;ezzte.<lb/>
Jch weiß, daß einige die&#x017F;es vor eine mechani&#x017F;che Fabel hal-<lb/>
ten <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">NOLLET</hi> T. III. p.</hi> 168.<lb/>
wenig&#x017F;tens erza&#x0364;lt man dergleichen<lb/>
von dem Obeli&#x017F;k zu Kon&#x017F;tantino-<lb/>
pel vor dem <hi rendition="#aq">FONTANA. AUGE-<lb/>
RII de BUSBEQ. oper. p.</hi> 70.</note>. Allein die Sache i&#x017F;t an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t wahr, indem<lb/>
das Wa&#x017F;&#x017F;er Strikke verku&#x0364;rzt und Mu&#x0364;l&#x017F;teine &#x017F;paltet, wenn<lb/>
man <note place="foot" n="(a)"><cb/><hi rendition="#aq">NOLLET leçons de phy-<lb/>
&#x017F;ique T. I. p. 88. T. III. p.</hi> 164.</note> damit beide wie mit einem Thaue be&#x017F;prengt. Man<lb/>
hat auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e hundert Pfunde aufgehoben <note place="foot" n="(a*)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BOYLE</hi> &#x017F;ubtil. effluv.<lb/>
p.</hi> 184.</note>.</p><lb/>
          <p>Es hat zuer&#x017F;t J. <hi rendition="#fr">Majow</hi> <note place="foot" n="(a**)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 78. Daß die Fa&#x017F;er-<lb/>
gen von den Gei&#x017F;tern zu&#x017F;ammen-<lb/>
gedreht werden.</note> und nach ihm Wal-<lb/>
ter <hi rendition="#fr">Charleton</hi> <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">loc. cit. et MISTICHELLI<lb/>
apople&#x017F;&#x017F;. pag.</hi> 26.</note>, &#x017F;o wie vor kurzem der beru&#x0364;mte <hi rendition="#fr">Ber-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">tier</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0194] Thieriſche Bewegung. XI. Buch. zwar wellenfoͤrmige Faſern, doch ſo, daß ſich die Bukkel der Wellen einander zugekehrt ſind, und indem ſich ſelbige beruͤren, ſo druͤkken ſie den dazwiſchen liegenden Nerven, und entwenden ſich alſo die Urſache der Bewegung ſelbſt. Jch uͤberlaſſe dieſe, und vielleicht noch andre Mutmaſ- ſungen, der Ueberlegung des Leſers. §. 22. Die gedrehte Faſer. Wenn etwas einfach zu ſein ſcheinet, ſo iſt es gewis die Hipoteſe von der gedrehten Faſer. Es ſcheint ſelbſt die Zergliedrungskunſt dieſer Meinung das Wort zu reden. Auſſerdem lehrt die Mechanik, daß todte angefeuchtete Strikke blos von einigen Tropfen Waſſers kuͤrzer gemacht werden, und unglaubliche Gewichter auf heben. Man hat eine beruͤmte Geſchichte von dem Baumeiſter Fontana (y), welcher, auf Befel des Pabſtes Sixtus des 5, einen Obeliſk aufrichten wollte, und da die auf hebende Kraͤfte nicht hinlaͤnglich waren, und bereits alles den Umſturz drohte, die erſtaunliche Laſt mit angefeuchteten Strikken in die Hoͤhe hob, und auf ihre Grundflaͤche niederſezzte. Jch weiß, daß einige dieſes vor eine mechaniſche Fabel hal- ten (z). Allein die Sache iſt an ſich ſelbſt wahr, indem das Waſſer Strikke verkuͤrzt und Muͤlſteine ſpaltet, wenn man (a) damit beide wie mit einem Thaue beſprengt. Man hat auf ſolche Weiſe hundert Pfunde aufgehoben (a*). Es hat zuerſt J. Majow (a**) und nach ihm Wal- ter Charleton (b), ſo wie vor kurzem der beruͤmte Ber- tier (y) Catalogue de BONNIER de la Moſſon. CHARLETON third. lectur. pag. 94. 95. TA- GLINI de aere pag. 115. (z) NOLLET T. III. p. 168. wenigſtens erzaͤlt man dergleichen von dem Obeliſk zu Konſtantino- pel vor dem FONTANA. AUGE- RII de BUSBEQ. oper. p. 70. (a) NOLLET leçons de phy- ſique T. I. p. 88. T. III. p. 164. (a*) BOYLE ſubtil. effluv. p. 184. (a**) pag. 78. Daß die Faſer- gen von den Geiſtern zuſammen- gedreht werden. (b) loc. cit. et MISTICHELLI apopleſſ. pag. 26.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/194
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/194>, abgerufen am 20.11.2024.