Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Abschnitt. Der Verstand.
§. 13.
Der Wizz.

Die Beurtheilungskraft beschäftiget sich, Jdeen von
einander zu unterscheiden, und der Wizz verbindet sie.
Es findet nämlich diese Fähigkeit der Seele an den ver-
glichenen Jdeen Gleichheiten, welche einen desto grössern
Wizz erfordern, je verstekkter sie sind, und je tiefer sie in
der Natur beider Jdeen verborgen liegen. Wenn sich
Leibniz über die vergebliche Bemühungen in Verglei-
chung der Rechnung des Unendlichen, des Virgilischen
Verses bedient:

Kömmt es aber zu den vulkanischen Waffen;
so zerspringt dagegen das Schwerdt der Sterblichen,
wie ein nichtswürdiges Stükk Eis,

so findet er hier auf eine wizzige Art diejenige Gleichheit,
die sich zwischen den gemeinen Zahlen, so sich durch
den gemeinen Algorithmus entwikkeln lassen, und zwischen
den subtilen und verborgnen Berechnungen zeiget, welche
sich blos durch die Rechnung des Unendlichen auflösen
lassen: diese vergleicht er mit einem Götterschwerdte, wel-
ches alles zerschneidet, jene Zahlen aber mit einem schwa-
chen und zerbrechlichen Jnstrumente. Wenn Newton
aus dem Falle eines Apfels vom Baume, auf die Schwe-
re, als das vornehmste Gesezz der ganzen Welt schlos,
so entdekkte sein Geist eine sehr verstekkte Aehnlichkeit (g).

Es erhellet hieraus, warum der Wizz schnell wirke,
denn es darf nur in einem einzigen Begriffe eine gewisse
besondere Aehnlichkeit vorhanden sein, und warum es oft
den wizzigen Köpfen an Beurtheilung fehle. Es beruhen
nämlich die Erfindungen auf irgend einer Aehnlichkeit,
und man erwäget nicht alle besondere Begriffe in einer
langsamen Untersuchung, um ihre Unterschiede zu finden.

Da
(g) BONNET p. 313.
I. Abſchnitt. Der Verſtand.
§. 13.
Der Wizz.

Die Beurtheilungskraft beſchaͤftiget ſich, Jdeen von
einander zu unterſcheiden, und der Wizz verbindet ſie.
Es findet naͤmlich dieſe Faͤhigkeit der Seele an den ver-
glichenen Jdeen Gleichheiten, welche einen deſto groͤſſern
Wizz erfordern, je verſtekkter ſie ſind, und je tiefer ſie in
der Natur beider Jdeen verborgen liegen. Wenn ſich
Leibniz uͤber die vergebliche Bemuͤhungen in Verglei-
chung der Rechnung des Unendlichen, des Virgiliſchen
Verſes bedient:

Koͤmmt es aber zu den vulkaniſchen Waffen;
ſo zerſpringt dagegen das Schwerdt der Sterblichen,
wie ein nichtswuͤrdiges Stuͤkk Eis,

ſo findet er hier auf eine wizzige Art diejenige Gleichheit,
die ſich zwiſchen den gemeinen Zahlen, ſo ſich durch
den gemeinen Algorithmus entwikkeln laſſen, und zwiſchen
den ſubtilen und verborgnen Berechnungen zeiget, welche
ſich blos durch die Rechnung des Unendlichen aufloͤſen
laſſen: dieſe vergleicht er mit einem Goͤtterſchwerdte, wel-
ches alles zerſchneidet, jene Zahlen aber mit einem ſchwa-
chen und zerbrechlichen Jnſtrumente. Wenn Newton
aus dem Falle eines Apfels vom Baume, auf die Schwe-
re, als das vornehmſte Geſezz der ganzen Welt ſchlos,
ſo entdekkte ſein Geiſt eine ſehr verſtekkte Aehnlichkeit (g).

Es erhellet hieraus, warum der Wizz ſchnell wirke,
denn es darf nur in einem einzigen Begriffe eine gewiſſe
beſondere Aehnlichkeit vorhanden ſein, und warum es oft
den wizzigen Koͤpfen an Beurtheilung fehle. Es beruhen
naͤmlich die Erfindungen auf irgend einer Aehnlichkeit,
und man erwaͤget nicht alle beſondere Begriffe in einer
langſamen Unterſuchung, um ihre Unterſchiede zu finden.

Da
(g) BONNET p. 313.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f1103" n="1085"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Der Ver&#x017F;tand.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">§. 13.<lb/><hi rendition="#g">Der Wizz.</hi></hi> </head><lb/>
            <p>Die Beurtheilungskraft be&#x017F;cha&#x0364;ftiget &#x017F;ich, Jdeen von<lb/>
einander zu unter&#x017F;cheiden, und der Wizz verbindet &#x017F;ie.<lb/>
Es findet na&#x0364;mlich die&#x017F;e Fa&#x0364;higkeit der Seele an den ver-<lb/>
glichenen Jdeen Gleichheiten, welche einen de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Wizz erfordern, je ver&#x017F;tekkter &#x017F;ie &#x017F;ind, und je tiefer &#x017F;ie in<lb/>
der Natur beider Jdeen verborgen liegen. Wenn &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#fr">Leibniz</hi> u&#x0364;ber die vergebliche Bemu&#x0364;hungen in Verglei-<lb/>
chung der Rechnung des Unendlichen, des <hi rendition="#fr">Virgili&#x017F;chen</hi><lb/>
Ver&#x017F;es bedient:</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;mmt es aber zu den vulkani&#x017F;chen Waffen;<lb/>
&#x017F;o zer&#x017F;pringt dagegen das Schwerdt der Sterblichen,<lb/>
wie ein nichtswu&#x0364;rdiges Stu&#x0364;kk Eis,</hi> </p><lb/>
            <p>&#x017F;o findet er hier auf eine wizzige Art diejenige Gleichheit,<lb/>
die &#x017F;ich zwi&#x017F;chen den gemeinen Zahlen, &#x017F;o &#x017F;ich durch<lb/>
den gemeinen Algorithmus entwikkeln la&#x017F;&#x017F;en, und zwi&#x017F;chen<lb/>
den &#x017F;ubtilen und verborgnen Berechnungen zeiget, welche<lb/>
&#x017F;ich blos durch die Rechnung des Unendlichen auflo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en: die&#x017F;e vergleicht er mit einem Go&#x0364;tter&#x017F;chwerdte, wel-<lb/>
ches alles zer&#x017F;chneidet, jene Zahlen aber mit einem &#x017F;chwa-<lb/>
chen und zerbrechlichen Jn&#x017F;trumente. Wenn <hi rendition="#fr">Newton</hi><lb/>
aus dem Falle eines Apfels vom Baume, auf die Schwe-<lb/>
re, als das vornehm&#x017F;te Ge&#x017F;ezz der ganzen Welt &#x017F;chlos,<lb/>
&#x017F;o entdekkte &#x017F;ein Gei&#x017F;t eine &#x017F;ehr ver&#x017F;tekkte Aehnlichkeit <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">BONNET p.</hi> 313.</note>.</p><lb/>
            <p>Es erhellet hieraus, warum der Wizz &#x017F;chnell wirke,<lb/>
denn es darf nur in einem einzigen Begriffe eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
be&#x017F;ondere Aehnlichkeit vorhanden &#x017F;ein, und warum es oft<lb/>
den wizzigen Ko&#x0364;pfen an Beurtheilung fehle. Es beruhen<lb/>
na&#x0364;mlich die Erfindungen auf irgend einer Aehnlichkeit,<lb/>
und man erwa&#x0364;get nicht alle be&#x017F;ondere Begriffe in einer<lb/>
lang&#x017F;amen Unter&#x017F;uchung, um ihre Unter&#x017F;chiede zu finden.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1085/1103] I. Abſchnitt. Der Verſtand. §. 13. Der Wizz. Die Beurtheilungskraft beſchaͤftiget ſich, Jdeen von einander zu unterſcheiden, und der Wizz verbindet ſie. Es findet naͤmlich dieſe Faͤhigkeit der Seele an den ver- glichenen Jdeen Gleichheiten, welche einen deſto groͤſſern Wizz erfordern, je verſtekkter ſie ſind, und je tiefer ſie in der Natur beider Jdeen verborgen liegen. Wenn ſich Leibniz uͤber die vergebliche Bemuͤhungen in Verglei- chung der Rechnung des Unendlichen, des Virgiliſchen Verſes bedient: Koͤmmt es aber zu den vulkaniſchen Waffen; ſo zerſpringt dagegen das Schwerdt der Sterblichen, wie ein nichtswuͤrdiges Stuͤkk Eis, ſo findet er hier auf eine wizzige Art diejenige Gleichheit, die ſich zwiſchen den gemeinen Zahlen, ſo ſich durch den gemeinen Algorithmus entwikkeln laſſen, und zwiſchen den ſubtilen und verborgnen Berechnungen zeiget, welche ſich blos durch die Rechnung des Unendlichen aufloͤſen laſſen: dieſe vergleicht er mit einem Goͤtterſchwerdte, wel- ches alles zerſchneidet, jene Zahlen aber mit einem ſchwa- chen und zerbrechlichen Jnſtrumente. Wenn Newton aus dem Falle eines Apfels vom Baume, auf die Schwe- re, als das vornehmſte Geſezz der ganzen Welt ſchlos, ſo entdekkte ſein Geiſt eine ſehr verſtekkte Aehnlichkeit (g). Es erhellet hieraus, warum der Wizz ſchnell wirke, denn es darf nur in einem einzigen Begriffe eine gewiſſe beſondere Aehnlichkeit vorhanden ſein, und warum es oft den wizzigen Koͤpfen an Beurtheilung fehle. Es beruhen naͤmlich die Erfindungen auf irgend einer Aehnlichkeit, und man erwaͤget nicht alle beſondere Begriffe in einer langſamen Unterſuchung, um ihre Unterſchiede zu finden. Da (g) BONNET p. 313.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1103
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1085. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1103>, abgerufen am 21.12.2024.