Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
IV. Abschnitt. Das Sehen.

Dergleichen Leute sollen Dinge grösser sehen (s), und
man kann dieses glauben, weil ihre Hornhaut convex ist
(t): und dieses ist die zweite Ursache, warum sie schärfer
sehen. Es lassen sich an einem grössern Bilde mehr Thei-
le unterscheiden.

Sie haben nur ein geringeres Licht nöthig (u), weil
in ihnen wegen eben dieser Weite der Hornhaut und des
Sterns, mehr Strahlen in das inwendige des Auges
fallen, und hiezu kömmt noch die schärfere Empfindlich-
keit der Nezzhaut. Die Einwohner von Neuholland
sind kurzsichtig, weil sie wegen der grossen Menge Fliegen
beständig mit den Augenliedern plinken, und dadurch
erhält sich ihre Nezzhaut zärter (x).

§. 16.
Mittel gegen dieses Uebel.

Weil diese Krankheit sehr gemein ist, so wird man
mir erlauben, daß ich mich bey diesen Betrachtungen
noch ein wenig aufhalten darf, die vielleicht nicht physio-
logisch gnug sind.

Das erste Mittel ist dasjenige, welches man von dem
Alter selbsten zu hoffen hat, wofern das Uebel von einer
gar zu convexen Crystallinse oder Hornhaut entstanden ist.

Da nemlich mit dem Alter alle feste Theile eines thie-
rischen Körpers hart, die flüßigen aber vermindert wer-
den, weil sich allmählig die wäßrige Feuchtigkeit vermin-
dert, und der wäßrige Theil der gläsernen Feuchtigkeit
abnimmt, so wird sich auch die Feuchtigkeit der Crystal-
linse mindern, und sich die feste Fasern der Hornhaut,
welche vor dem grössere Bogen machten, nunmehro in

kür-
(s) [Spaltenumbruch] BOERHAAVE morb. ocul.
p.
189. Sehen kleiner BUFFON
T. III. p.
329.
(t) Unter beiden Augen eines
Menschen sahe das Kurzsichtige,
[Spaltenumbruch] die Dinge grösser LEIDENFROST
l. c. PORTERFIELD T. II. p.
368.
(u) BOERHAAVE de morb.
ocul. p. 185 PORTERFIELD Ess.
T. IV. p.
230.
(x) DAMPIER travels I. p. 521.
R r r 3
IV. Abſchnitt. Das Sehen.

Dergleichen Leute ſollen Dinge groͤſſer ſehen (s), und
man kann dieſes glauben, weil ihre Hornhaut convex iſt
(t): und dieſes iſt die zweite Urſache, warum ſie ſchaͤrfer
ſehen. Es laſſen ſich an einem groͤſſern Bilde mehr Thei-
le unterſcheiden.

Sie haben nur ein geringeres Licht noͤthig (u), weil
in ihnen wegen eben dieſer Weite der Hornhaut und des
Sterns, mehr Strahlen in das inwendige des Auges
fallen, und hiezu koͤmmt noch die ſchaͤrfere Empfindlich-
keit der Nezzhaut. Die Einwohner von Neuholland
ſind kurzſichtig, weil ſie wegen der groſſen Menge Fliegen
beſtaͤndig mit den Augenliedern plinken, und dadurch
erhaͤlt ſich ihre Nezzhaut zaͤrter (x).

§. 16.
Mittel gegen dieſes Uebel.

Weil dieſe Krankheit ſehr gemein iſt, ſo wird man
mir erlauben, daß ich mich bey dieſen Betrachtungen
noch ein wenig aufhalten darf, die vielleicht nicht phyſio-
logiſch gnug ſind.

Das erſte Mittel iſt dasjenige, welches man von dem
Alter ſelbſten zu hoffen hat, wofern das Uebel von einer
gar zu convexen Cryſtallinſe oder Hornhaut entſtanden iſt.

Da nemlich mit dem Alter alle feſte Theile eines thie-
riſchen Koͤrpers hart, die fluͤßigen aber vermindert wer-
den, weil ſich allmaͤhlig die waͤßrige Feuchtigkeit vermin-
dert, und der waͤßrige Theil der glaͤſernen Feuchtigkeit
abnimmt, ſo wird ſich auch die Feuchtigkeit der Cryſtal-
linſe mindern, und ſich die feſte Faſern der Hornhaut,
welche vor dem groͤſſere Bogen machten, nunmehro in

kuͤr-
(s) [Spaltenumbruch] BOERHAAVE morb. ocul.
p.
189. Sehen kleiner BUFFON
T. III. p.
329.
(t) Unter beiden Augen eines
Menſchen ſahe das Kurzſichtige,
[Spaltenumbruch] die Dinge groͤſſer LEIDENFROST
l. c. PORTERFIELD T. II. p.
368.
(u) BOERHAAVE de morb.
ocul. p. 185 PORTERFIELD Eſſ.
T. IV. p.
230.
(x) DAMPIER travels I. p. 521.
R r r 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f1015" n="997"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Das Sehen.</hi> </fw><lb/>
            <p>Dergleichen Leute &#x017F;ollen Dinge gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ehen <note place="foot" n="(s)"><cb/><hi rendition="#aq">BOERHAAVE morb. ocul.<lb/>
p.</hi> 189. Sehen kleiner <hi rendition="#aq">BUFFON<lb/>
T. III. p.</hi> 329.</note>, und<lb/>
man kann die&#x017F;es glauben, weil ihre Hornhaut convex i&#x017F;t<lb/><note place="foot" n="(t)">Unter beiden Augen eines<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;ahe das Kurz&#x017F;ichtige,<lb/><cb/>
die Dinge gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">LEIDENFROST<lb/>
l. c. PORTERFIELD T. II. p.</hi> 368.</note>: und die&#x017F;es i&#x017F;t die zweite Ur&#x017F;ache, warum &#x017F;ie &#x017F;cha&#x0364;rfer<lb/>
&#x017F;ehen. Es la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich an einem gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Bilde mehr Thei-<lb/>
le unter&#x017F;cheiden.</p><lb/>
            <p>Sie haben nur ein geringeres Licht no&#x0364;thig <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BOERHAAVE</hi> de morb.<lb/>
ocul. p. 185 PORTERFIELD E&#x017F;&#x017F;.<lb/>
T. IV. p.</hi> 230.</note>, weil<lb/>
in ihnen wegen eben die&#x017F;er Weite der Hornhaut und des<lb/>
Sterns, mehr Strahlen in das inwendige des Auges<lb/>
fallen, und hiezu ko&#x0364;mmt noch die &#x017F;cha&#x0364;rfere Empfindlich-<lb/>
keit der Nezzhaut. Die Einwohner von Neuholland<lb/>
&#x017F;ind kurz&#x017F;ichtig, weil &#x017F;ie wegen der gro&#x017F;&#x017F;en Menge Fliegen<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig mit den Augenliedern plinken, und dadurch<lb/>
erha&#x0364;lt &#x017F;ich ihre Nezzhaut za&#x0364;rter <note place="foot" n="(x)"><hi rendition="#aq">DAMPIER travels I. p.</hi> 521.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 16.<lb/><hi rendition="#b">Mittel gegen die&#x017F;es Uebel.</hi></head><lb/>
            <p>Weil die&#x017F;e Krankheit &#x017F;ehr gemein i&#x017F;t, &#x017F;o wird man<lb/>
mir erlauben, daß ich mich bey die&#x017F;en Betrachtungen<lb/>
noch ein wenig aufhalten darf, die vielleicht nicht phy&#x017F;io-<lb/>
logi&#x017F;ch gnug &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>Das er&#x017F;te Mittel i&#x017F;t dasjenige, welches man von dem<lb/>
Alter &#x017F;elb&#x017F;ten zu hoffen hat, wofern das Uebel von einer<lb/>
gar zu convexen Cry&#x017F;tallin&#x017F;e oder Hornhaut ent&#x017F;tanden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Da nemlich mit dem Alter alle fe&#x017F;te Theile eines thie-<lb/>
ri&#x017F;chen Ko&#x0364;rpers hart, die flu&#x0364;ßigen aber vermindert wer-<lb/>
den, weil &#x017F;ich allma&#x0364;hlig die wa&#x0364;ßrige Feuchtigkeit vermin-<lb/>
dert, und der wa&#x0364;ßrige Theil der gla&#x0364;&#x017F;ernen Feuchtigkeit<lb/>
abnimmt, &#x017F;o wird &#x017F;ich auch die Feuchtigkeit der Cry&#x017F;tal-<lb/>
lin&#x017F;e mindern, und &#x017F;ich die fe&#x017F;te Fa&#x017F;ern der Hornhaut,<lb/>
welche vor dem gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Bogen machten, nunmehro in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R r r 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ku&#x0364;r-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[997/1015] IV. Abſchnitt. Das Sehen. Dergleichen Leute ſollen Dinge groͤſſer ſehen (s), und man kann dieſes glauben, weil ihre Hornhaut convex iſt (t): und dieſes iſt die zweite Urſache, warum ſie ſchaͤrfer ſehen. Es laſſen ſich an einem groͤſſern Bilde mehr Thei- le unterſcheiden. Sie haben nur ein geringeres Licht noͤthig (u), weil in ihnen wegen eben dieſer Weite der Hornhaut und des Sterns, mehr Strahlen in das inwendige des Auges fallen, und hiezu koͤmmt noch die ſchaͤrfere Empfindlich- keit der Nezzhaut. Die Einwohner von Neuholland ſind kurzſichtig, weil ſie wegen der groſſen Menge Fliegen beſtaͤndig mit den Augenliedern plinken, und dadurch erhaͤlt ſich ihre Nezzhaut zaͤrter (x). §. 16. Mittel gegen dieſes Uebel. Weil dieſe Krankheit ſehr gemein iſt, ſo wird man mir erlauben, daß ich mich bey dieſen Betrachtungen noch ein wenig aufhalten darf, die vielleicht nicht phyſio- logiſch gnug ſind. Das erſte Mittel iſt dasjenige, welches man von dem Alter ſelbſten zu hoffen hat, wofern das Uebel von einer gar zu convexen Cryſtallinſe oder Hornhaut entſtanden iſt. Da nemlich mit dem Alter alle feſte Theile eines thie- riſchen Koͤrpers hart, die fluͤßigen aber vermindert wer- den, weil ſich allmaͤhlig die waͤßrige Feuchtigkeit vermin- dert, und der waͤßrige Theil der glaͤſernen Feuchtigkeit abnimmt, ſo wird ſich auch die Feuchtigkeit der Cryſtal- linſe mindern, und ſich die feſte Faſern der Hornhaut, welche vor dem groͤſſere Bogen machten, nunmehro in kuͤr- (s) BOERHAAVE morb. ocul. p. 189. Sehen kleiner BUFFON T. III. p. 329. (t) Unter beiden Augen eines Menſchen ſahe das Kurzſichtige, die Dinge groͤſſer LEIDENFROST l. c. PORTERFIELD T. II. p. 368. (u) BOERHAAVE de morb. ocul. p. 185 PORTERFIELD Eſſ. T. IV. p. 230. (x) DAMPIER travels I. p. 521. R r r 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1015
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 997. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1015>, abgerufen am 30.12.2024.