Ohngefehr durch diese Gründe hat man die Malpig- hische Meinung dergestalt bewaffnet, daß fast die ganze Welt der Arzneigelerten dieselbe für erwiesen annahm, und man zälte unter ihre Grundsäzze, daß eine jede Ab- sonderung mittelst der Drüsen verrichtet würde (h), und daß keine Absonderung ohne Bläschen geschehen könnte: folglich wären alle zusammengesezzte Drüsen, und alle absondernde Eingeweide, wirkliche Knäule von ganz kleinen und holen Bläschen. Doch es fanden Anton Nuk(i), als er die Drüsenbläschen (folliculus) bestritte, und Raymund Vieussens, als er die Auswurfsgänge aus einem Gefässe der ersten oder zwoten Ordnung her- leitete, ohne daß ein solches holes Beulchen dazwischen läge, keine gar zu günstige Richter (k).
§. 8. Ruyschens Gegenmeinung.
Wir legen diese Meinung dem Ruysch bei, ob sie gleich viel ältere Urheber hat. Doch sie hat vornäm- lich den Kunstgriffen eines Ruyschens ihr Ansehen, und ihre Freunde zu danken. Es bestehen nämlich alle Ein- geweide, und auch die zusammengesezzte Drüsen, nach diesen Grundsäzzen, aus Gefässen, und einem Zellge- webe, ohne daß zwischen Ausfürungsgängen, und den Schlagadern, Bläschen befindlich wären. Edmund King(l) war der erste, welcher schrieb, daß das Einge- weide allenthalben aus lauter Gefässen bestünde, und dies that er vor Ruyschens(m) Zeiten, überhaupt im Jare 1666. Ueber die Drüsen hatte Nehemias Grew(n), ein Mann, der in der Zergliederung der
Pflan-
(h)[Spaltenumbruch]petit Parerga und in der Merycologia. Petr. nannivs an- gef. Ort.
(i) Jn der Adenologia.
(k)Tr. des liqueurs. S. 129. u. f.
(l)[Spaltenumbruch]Philos. Trans. n. 52.
(m) Viele Jare darauf gestand Ruysch den Eingeweiden Drüsen zu.
(n)Cosmolog. sacra. S. 20.
Siebendes Buch. Die Abſonderung.
Ohngefehr durch dieſe Gruͤnde hat man die Malpig- hiſche Meinung dergeſtalt bewaffnet, daß faſt die ganze Welt der Arzneigelerten dieſelbe fuͤr erwieſen annahm, und man zaͤlte unter ihre Grundſaͤzze, daß eine jede Ab- ſonderung mittelſt der Druͤſen verrichtet wuͤrde (h), und daß keine Abſonderung ohne Blaͤschen geſchehen koͤnnte: folglich waͤren alle zuſammengeſezzte Druͤſen, und alle abſondernde Eingeweide, wirkliche Knaͤule von ganz kleinen und holen Blaͤschen. Doch es fanden Anton Nuk(i), als er die Druͤſenblaͤschen (folliculus) beſtritte, und Raymund Vieuſſens, als er die Auswurfsgaͤnge aus einem Gefaͤſſe der erſten oder zwoten Ordnung her- leitete, ohne daß ein ſolches holes Beulchen dazwiſchen laͤge, keine gar zu guͤnſtige Richter (k).
§. 8. Ruyſchens Gegenmeinung.
Wir legen dieſe Meinung dem Ruyſch bei, ob ſie gleich viel aͤltere Urheber hat. Doch ſie hat vornaͤm- lich den Kunſtgriffen eines Ruyſchens ihr Anſehen, und ihre Freunde zu danken. Es beſtehen naͤmlich alle Ein- geweide, und auch die zuſammengeſezzte Druͤſen, nach dieſen Grundſaͤzzen, aus Gefaͤſſen, und einem Zellge- webe, ohne daß zwiſchen Ausfuͤrungsgaͤngen, und den Schlagadern, Blaͤschen befindlich waͤren. Edmund King(l) war der erſte, welcher ſchrieb, daß das Einge- weide allenthalben aus lauter Gefaͤſſen beſtuͤnde, und dies that er vor Ruyſchens(m) Zeiten, uͤberhaupt im Jare 1666. Ueber die Druͤſen hatte Nehemias Grew(n), ein Mann, der in der Zergliederung der
Pflan-
(h)[Spaltenumbruch]petit Parerga und in der Merycologia. Petr. nannivſ an- gef. Ort.
(i) Jn der Adenologia.
(k)Tr. des liqueurs. S. 129. u. f.
(l)[Spaltenumbruch]Philoſ. Tranſ. n. 52.
(m) Viele Jare darauf geſtand Ruyſch den Eingeweiden Druͤſen zu.
(n)Coſmolog. ſacra. S. 20.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0644"n="624"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Siebendes Buch. Die Abſonderung.</hi></fw><lb/><p>Ohngefehr durch dieſe Gruͤnde hat man die Malpig-<lb/>
hiſche Meinung dergeſtalt bewaffnet, daß faſt die ganze<lb/>
Welt der Arzneigelerten dieſelbe fuͤr erwieſen annahm,<lb/>
und man zaͤlte unter ihre Grundſaͤzze, daß eine jede Ab-<lb/>ſonderung mittelſt der Druͤſen verrichtet wuͤrde <noteplace="foot"n="(h)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#k">petit</hi> Parerga</hi> und in der<lb/><hirendition="#aq">Merycologia. Petr. <hirendition="#k">nannivſ</hi></hi> an-<lb/>
gef. Ort.</note>, und<lb/>
daß keine Abſonderung ohne Blaͤschen geſchehen koͤnnte:<lb/>
folglich waͤren alle zuſammengeſezzte Druͤſen, und alle<lb/>
abſondernde Eingeweide, wirkliche Knaͤule von ganz<lb/>
kleinen und holen Blaͤschen. Doch es fanden Anton<lb/><hirendition="#fr">Nuk</hi><noteplace="foot"n="(i)">Jn der <hirendition="#aq">Adenologia.</hi></note>, als er die Druͤſenblaͤschen (<hirendition="#aq">folliculus</hi>) beſtritte,<lb/>
und Raymund <hirendition="#fr">Vieuſſens,</hi> als er die Auswurfsgaͤnge<lb/>
aus einem Gefaͤſſe der erſten oder zwoten Ordnung her-<lb/>
leitete, ohne daß ein ſolches holes Beulchen dazwiſchen<lb/>
laͤge, keine gar zu guͤnſtige Richter <noteplace="foot"n="(k)"><hirendition="#aq">Tr. des liqueurs.</hi> S. 129.<lb/>
u. f.</note>.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 8.<lb/>
Ruyſchens Gegenmeinung.</head><lb/><p>Wir legen dieſe Meinung dem <hirendition="#fr">Ruyſch</hi> bei, ob ſie<lb/>
gleich viel aͤltere Urheber hat. Doch ſie hat vornaͤm-<lb/>
lich den Kunſtgriffen eines <hirendition="#fr">Ruyſchens</hi> ihr Anſehen, und<lb/>
ihre Freunde zu danken. Es beſtehen naͤmlich alle Ein-<lb/>
geweide, und auch die zuſammengeſezzte Druͤſen, nach<lb/>
dieſen Grundſaͤzzen, aus Gefaͤſſen, und einem Zellge-<lb/>
webe, ohne daß zwiſchen Ausfuͤrungsgaͤngen, und den<lb/>
Schlagadern, Blaͤschen befindlich waͤren. Edmund<lb/><hirendition="#fr">King</hi><noteplace="foot"n="(l)"><cb/><hirendition="#aq">Philoſ. Tranſ. n.</hi> 52.</note> war der erſte, welcher ſchrieb, daß das Einge-<lb/>
weide allenthalben aus lauter Gefaͤſſen beſtuͤnde, und<lb/>
dies that er vor <hirendition="#fr">Ruyſchens</hi><noteplace="foot"n="(m)">Viele Jare darauf geſtand<lb/><hirendition="#fr">Ruyſch</hi> den Eingeweiden Druͤſen<lb/>
zu.</note> Zeiten, uͤberhaupt im<lb/>
Jare 1666. Ueber die Druͤſen hatte Nehemias<lb/><hirendition="#fr">Grew</hi><noteplace="foot"n="(n)"><hirendition="#aq">Coſmolog. ſacra.</hi> S. 20.</note>, ein Mann, der in der Zergliederung der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Pflan-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[624/0644]
Siebendes Buch. Die Abſonderung.
Ohngefehr durch dieſe Gruͤnde hat man die Malpig-
hiſche Meinung dergeſtalt bewaffnet, daß faſt die ganze
Welt der Arzneigelerten dieſelbe fuͤr erwieſen annahm,
und man zaͤlte unter ihre Grundſaͤzze, daß eine jede Ab-
ſonderung mittelſt der Druͤſen verrichtet wuͤrde (h), und
daß keine Abſonderung ohne Blaͤschen geſchehen koͤnnte:
folglich waͤren alle zuſammengeſezzte Druͤſen, und alle
abſondernde Eingeweide, wirkliche Knaͤule von ganz
kleinen und holen Blaͤschen. Doch es fanden Anton
Nuk (i), als er die Druͤſenblaͤschen (folliculus) beſtritte,
und Raymund Vieuſſens, als er die Auswurfsgaͤnge
aus einem Gefaͤſſe der erſten oder zwoten Ordnung her-
leitete, ohne daß ein ſolches holes Beulchen dazwiſchen
laͤge, keine gar zu guͤnſtige Richter (k).
§. 8.
Ruyſchens Gegenmeinung.
Wir legen dieſe Meinung dem Ruyſch bei, ob ſie
gleich viel aͤltere Urheber hat. Doch ſie hat vornaͤm-
lich den Kunſtgriffen eines Ruyſchens ihr Anſehen, und
ihre Freunde zu danken. Es beſtehen naͤmlich alle Ein-
geweide, und auch die zuſammengeſezzte Druͤſen, nach
dieſen Grundſaͤzzen, aus Gefaͤſſen, und einem Zellge-
webe, ohne daß zwiſchen Ausfuͤrungsgaͤngen, und den
Schlagadern, Blaͤschen befindlich waͤren. Edmund
King (l) war der erſte, welcher ſchrieb, daß das Einge-
weide allenthalben aus lauter Gefaͤſſen beſtuͤnde, und
dies that er vor Ruyſchens (m) Zeiten, uͤberhaupt im
Jare 1666. Ueber die Druͤſen hatte Nehemias
Grew (n), ein Mann, der in der Zergliederung der
Pflan-
(h)
petit Parerga und in der
Merycologia. Petr. nannivſ an-
gef. Ort.
(i) Jn der Adenologia.
(k) Tr. des liqueurs. S. 129.
u. f.
(l)
Philoſ. Tranſ. n. 52.
(m) Viele Jare darauf geſtand
Ruyſch den Eingeweiden Druͤſen
zu.
(n) Coſmolog. ſacra. S. 20.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/644>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.