Eine andre Ursache zur Verspätung, welche mit der vorhergehenden fast auf eins hinaus kömmt, lieget in der kegelförmigen Richtung der Schlagadern gegrün- det. Denn es verursacht diese Figur ebenfalls, daß das Flüßige auf die Wände des Kanals auffällt, selbige ausdehnt, und in ihrem Umkreise Veränderungen zum Vorschein bringt. Man wird nämlich auch bei einer geringen Betrachtung einsehen, daß man die gesammte Blutmasse für eine Reihe Fäden halten kann, dergleichen man in der That an Thieren von kaltem Blute mit Au- gen warnimmt. Ferner erkennt man leicht, daß aus einem jeglichen Schlagaderaste, der zum Empfange des Bluts eine weite Mündung, und zum Ausgissen eine en- gere hat, wenn alles übrige gleich bleibt, eine eben so grosse Menge Blutfäden ohne Abprellen herausdringen, als die engere Mündung durchläst; und daß alle übrige Fäden, welche einen Ring ausmachen, um welchen die grosse Mündung grösser ist, als die kleine, in der That auf die Wand der Schlagader auffallen, und selbige Wand so lange auszudehnen alle Mühe anwenden, bis die kleine Mündung des Gefässes mit der grössern Mün- dung gleich gros geworden (t). Auch von dieser Ursache wird ein Theil der ursprünglichen Geschwindigkeit des Bluts vernichtet. Denn es ist diese Erweiterung der Schlagader eine wirkliche Beugung aus einer kürzern krummen Linie, zu einer längern Linie. Hängt man folglich an einen Cilinder eine kegelförmige Röhre, so wird diese um desto geschwinder ausgeleeret werden, je weiter diese Röhre ihre Schenkel aus einander wirft (u), und
folg-
(t)[Spaltenumbruch]bellin Propos. XXV. de motu bilis. schreiber Element. S. 321. fizes de liene S. 119. boerhaave ad n. CCXII.
(u)[Spaltenumbruch]bernovlli Hydrodynam S. 44. 276.
v. Hall. Phis.II.Th. T
in den Schlagadern.
§. 20. Wegen der Kegelfoͤrmigen Figur.
Eine andre Urſache zur Verſpaͤtung, welche mit der vorhergehenden faſt auf eins hinaus koͤmmt, lieget in der kegelfoͤrmigen Richtung der Schlagadern gegruͤn- det. Denn es verurſacht dieſe Figur ebenfalls, daß das Fluͤßige auf die Waͤnde des Kanals auffaͤllt, ſelbige ausdehnt, und in ihrem Umkreiſe Veraͤnderungen zum Vorſchein bringt. Man wird naͤmlich auch bei einer geringen Betrachtung einſehen, daß man die geſammte Blutmaſſe fuͤr eine Reihe Faͤden halten kann, dergleichen man in der That an Thieren von kaltem Blute mit Au- gen warnimmt. Ferner erkennt man leicht, daß aus einem jeglichen Schlagaderaſte, der zum Empfange des Bluts eine weite Muͤndung, und zum Ausgiſſen eine en- gere hat, wenn alles uͤbrige gleich bleibt, eine eben ſo groſſe Menge Blutfaͤden ohne Abprellen herausdringen, als die engere Muͤndung durchlaͤſt; und daß alle uͤbrige Faͤden, welche einen Ring ausmachen, um welchen die groſſe Muͤndung groͤſſer iſt, als die kleine, in der That auf die Wand der Schlagader auffallen, und ſelbige Wand ſo lange auszudehnen alle Muͤhe anwenden, bis die kleine Muͤndung des Gefaͤſſes mit der groͤſſern Muͤn- dung gleich gros geworden (t). Auch von dieſer Urſache wird ein Theil der urſpruͤnglichen Geſchwindigkeit des Bluts vernichtet. Denn es iſt dieſe Erweiterung der Schlagader eine wirkliche Beugung aus einer kuͤrzern krummen Linie, zu einer laͤngern Linie. Haͤngt man folglich an einen Cilinder eine kegelfoͤrmige Roͤhre, ſo wird dieſe um deſto geſchwinder ausgeleeret werden, je weiter dieſe Roͤhre ihre Schenkel aus einander wirft (u), und
folg-
(t)[Spaltenumbruch]bellin Propoſ. XXV. de motu bilis. ſchreiber Element. S. 321. fizeſ de liene S. 119. boerhaave ad n. CCXII.
(u)[Spaltenumbruch]bernovlli Hydrodynam S. 44. 276.
v. Hall. Phiſ.II.Th. T
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[289/0309]
in den Schlagadern.
§. 20.
Wegen der Kegelfoͤrmigen Figur.
Eine andre Urſache zur Verſpaͤtung, welche mit
der vorhergehenden faſt auf eins hinaus koͤmmt, lieget
in der kegelfoͤrmigen Richtung der Schlagadern gegruͤn-
det. Denn es verurſacht dieſe Figur ebenfalls, daß das
Fluͤßige auf die Waͤnde des Kanals auffaͤllt, ſelbige
ausdehnt, und in ihrem Umkreiſe Veraͤnderungen zum
Vorſchein bringt. Man wird naͤmlich auch bei einer
geringen Betrachtung einſehen, daß man die geſammte
Blutmaſſe fuͤr eine Reihe Faͤden halten kann, dergleichen
man in der That an Thieren von kaltem Blute mit Au-
gen warnimmt. Ferner erkennt man leicht, daß aus
einem jeglichen Schlagaderaſte, der zum Empfange des
Bluts eine weite Muͤndung, und zum Ausgiſſen eine en-
gere hat, wenn alles uͤbrige gleich bleibt, eine eben ſo
groſſe Menge Blutfaͤden ohne Abprellen herausdringen,
als die engere Muͤndung durchlaͤſt; und daß alle uͤbrige
Faͤden, welche einen Ring ausmachen, um welchen die
groſſe Muͤndung groͤſſer iſt, als die kleine, in der That
auf die Wand der Schlagader auffallen, und ſelbige
Wand ſo lange auszudehnen alle Muͤhe anwenden, bis
die kleine Muͤndung des Gefaͤſſes mit der groͤſſern Muͤn-
dung gleich gros geworden (t). Auch von dieſer Urſache
wird ein Theil der urſpruͤnglichen Geſchwindigkeit des
Bluts vernichtet. Denn es iſt dieſe Erweiterung der
Schlagader eine wirkliche Beugung aus einer kuͤrzern
krummen Linie, zu einer laͤngern Linie. Haͤngt man
folglich an einen Cilinder eine kegelfoͤrmige Roͤhre, ſo
wird dieſe um deſto geſchwinder ausgeleeret werden, je
weiter dieſe Roͤhre ihre Schenkel aus einander wirft (u), und
folg-
(t)
bellin Propoſ. XXV. de
motu bilis. ſchreiber Element.
S. 321. fizeſ de liene S. 119.
boerhaave ad n. CCXII.
(u)
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/309>, abgerufen am 20.11.2024.
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