Vermischung aller dieser Urstoffe das vollkommenste Tem- perament mache; träfe es sich aber, daß entweder das Blut, oder die Galle, oder die Erde, oder das Wasser (Phlegma) über ihre gehörige Dose hinauswüchsen; so liessen die Alten aus diesem Uebergewichte die vier einfa- chen und Haupttemperamenten, nämlich von einer über- flüßigen Galle, das cholerische, von zu vielem Wasser, das phlegmatische, von der vermerten Blutmasse, das sangvinische, und endlich von der Menge schwarzer Galle, das melancholische Temperament entstehen.
Wider diese Gründe, welches Hauptpfeiler der gan- zen Arzneikunst waren, gab J. Baptist Helmontius(d) verschiedne Gründe, welche er mit guter Scharfsinnigkeit ausfürte, zu erinnern; allein die Aerzte blieben dennoch heimliche Verehrer der alten Schulleier. Man kann nämlich Willisens(e) seine Grundstoffe, nämlich Geist, Salz, Erde, Wasser und Oel leicht hieher ziehen, so wie man die Stahlische Elementarteile dahin rechnen kann (f), welche in Wasser, in einem brennbaren Grund- stoffe, und in Erde bestehen, und welche sich nach den Lehrsäzzen seiner Schule bald so, bald anders mit einan- der vermischen, woraus man die alten Temperamente wieder ergänzet, und mit neuen Zieraten bereichert hat, die sonst Galen der Welt ehemals einfacher vortrug (f*).
§. 6. Doch es enthalten diese Temperamente nichts gründliches.
Wenn wir dagegen aufrichtig verfaren, und blos dem Faden der Warheit folgen wollen, so erblikken wir ohne (c)
Umstän-
(d)Humoristar. passiva deceptio.
(e)De febribus c. 1. 2.
(f)Theor. medic. S. 301. Hi- storia temperament. u. f.
(f*)[Spaltenumbruch]
Hievon weichen nicht sehr ab Vieussens Schwefel, sein schar- fes Salz, sein sauer Salz, Erde und Wasser. Deux Dissert. S. 114. Nur daß Stahl die Salze verwarf.
(c)[Spaltenumbruch]
Vergleichet damit galenvm de elementis u. f.
P 2
Verhaͤltnis der Blutſtoffe u. ſ. f.
Vermiſchung aller dieſer Urſtoffe das vollkommenſte Tem- perament mache; traͤfe es ſich aber, daß entweder das Blut, oder die Galle, oder die Erde, oder das Waſſer (Phlegma) uͤber ihre gehoͤrige Doſe hinauswuͤchſen; ſo lieſſen die Alten aus dieſem Uebergewichte die vier einfa- chen und Haupttemperamenten, naͤmlich von einer uͤber- fluͤßigen Galle, das choleriſche, von zu vielem Waſſer, das phlegmatiſche, von der vermerten Blutmaſſe, das ſangviniſche, und endlich von der Menge ſchwarzer Galle, das melancholiſche Temperament entſtehen.
Wider dieſe Gruͤnde, welches Hauptpfeiler der gan- zen Arzneikunſt waren, gab J. Baptiſt Helmontius(d) verſchiedne Gruͤnde, welche er mit guter Scharfſinnigkeit ausfuͤrte, zu erinnern; allein die Aerzte blieben dennoch heimliche Verehrer der alten Schulleier. Man kann naͤmlich Williſens(e) ſeine Grundſtoffe, naͤmlich Geiſt, Salz, Erde, Waſſer und Oel leicht hieher ziehen, ſo wie man die Stahliſche Elementarteile dahin rechnen kann (f), welche in Waſſer, in einem brennbaren Grund- ſtoffe, und in Erde beſtehen, und welche ſich nach den Lehrſaͤzzen ſeiner Schule bald ſo, bald anders mit einan- der vermiſchen, woraus man die alten Temperamente wieder ergaͤnzet, und mit neuen Zieraten bereichert hat, die ſonſt Galen der Welt ehemals einfacher vortrug (f*).
§. 6. Doch es enthalten dieſe Temperamente nichts gruͤndliches.
Wenn wir dagegen aufrichtig verfaren, und blos dem Faden der Warheit folgen wollen, ſo erblikken wir ohne (c)
Umſtaͤn-
(d)Humoriſtar. paſſiva deceptio.
(e)De febribus c. 1. 2.
(f)Theor. medic. S. 301. Hi- ſtoria temperament. u. f.
(f*)[Spaltenumbruch]
Hievon weichen nicht ſehr ab Vieuſſens Schwefel, ſein ſchar- fes Salz, ſein ſauer Salz, Erde und Waſſer. Deux Diſſert. S. 114. Nur daß Stahl die Salze verwarf.
(c)[Spaltenumbruch]
Vergleichet damit galenvm de elementis u. f.
P 2
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Verhaͤltnis der Blutſtoffe u. ſ. f.
Vermiſchung aller dieſer Urſtoffe das vollkommenſte Tem-
perament mache; traͤfe es ſich aber, daß entweder das
Blut, oder die Galle, oder die Erde, oder das Waſſer
(Phlegma) uͤber ihre gehoͤrige Doſe hinauswuͤchſen; ſo
lieſſen die Alten aus dieſem Uebergewichte die vier einfa-
chen und Haupttemperamenten, naͤmlich von einer uͤber-
fluͤßigen Galle, das choleriſche, von zu vielem Waſſer,
das phlegmatiſche, von der vermerten Blutmaſſe, das
ſangviniſche, und endlich von der Menge ſchwarzer Galle,
das melancholiſche Temperament entſtehen.
Wider dieſe Gruͤnde, welches Hauptpfeiler der gan-
zen Arzneikunſt waren, gab J. Baptiſt Helmontius (d)
verſchiedne Gruͤnde, welche er mit guter Scharfſinnigkeit
ausfuͤrte, zu erinnern; allein die Aerzte blieben dennoch
heimliche Verehrer der alten Schulleier. Man kann
naͤmlich Williſens (e) ſeine Grundſtoffe, naͤmlich Geiſt,
Salz, Erde, Waſſer und Oel leicht hieher ziehen, ſo wie
man die Stahliſche Elementarteile dahin rechnen
kann (f), welche in Waſſer, in einem brennbaren Grund-
ſtoffe, und in Erde beſtehen, und welche ſich nach den
Lehrſaͤzzen ſeiner Schule bald ſo, bald anders mit einan-
der vermiſchen, woraus man die alten Temperamente
wieder ergaͤnzet, und mit neuen Zieraten bereichert hat,
die ſonſt Galen der Welt ehemals einfacher vortrug (f*).
§. 6.
Doch es enthalten dieſe Temperamente nichts
gruͤndliches.
Wenn wir dagegen aufrichtig verfaren, und blos dem
Faden der Warheit folgen wollen, ſo erblikken wir ohne
Umſtaͤn-
(c)
(d) Humoriſtar. paſſiva deceptio.
(e) De febribus c. 1. 2.
(f) Theor. medic. S. 301. Hi-
ſtoria temperament. u. f.
(f*)
Hievon weichen nicht ſehr
ab Vieuſſens Schwefel, ſein ſchar-
fes Salz, ſein ſauer Salz, Erde
und Waſſer. Deux Diſſert. S. 114.
Nur daß Stahl die Salze verwarf.
(c)
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/247>, abgerufen am 20.11.2024.
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