Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Das Herz.
geschläfert worden, so hat dennoch niemals jemand über
sein Herz, oder seine Schlagadern, eine willkührliche Herr-
schaft bemerket, oder selbst geäussert, oder auch seinen
Pulsschlag jemals nach eigener Willkühr beschleunigen,
oder anhalten können. Das Herz ist von den Befehlen
der Seele frei geblieben, und die Seele hat ihr voriges
Unvermögen, in Ansehung der Beherrschung des Herzens,
behalten. Es würde hier jemand von der Parthei derer
Gegner vergebens einwenden, es wäre unter dergleichen
Ohnmachten der Herzschlag sehr schwach gewesen, habe
aber nicht gänzlich aufgehöret: denn es ist in einigen
Exempeln das Herz so vollkommen ruhig gewesen, daß
auch sogar die Fäulung, laut der Geschichte die Job van
Meekren anführet, die äussersten Glieder bereits ange-
griffen gehabt (y).

§. 12.
Die Seele hat ihre Wohnung nicht im
Herzen.

Endlich ist es auch mehr als zu gewiß, daß die See-
le ihren Siz im Kopfe hat, und daß das Herz, wenn
man es gleich vom Kopfe abgesondert hat, dennoch eben-
falls schlägt, mithin also der Herzschlag nicht von der
Seele herrühren könne. Denn es hat seine vollkomme-
ne Richtigkeit, (um nur aus vielen Gründen einige we-
nige anzuführen,) daß, wenn das Gehirn durch irgend
eine Ursache gedrükket wird, alsdenn sogleich alle Ge-
schäfte der Seele, und das Bewustseyn unserer selbst, völ-
lig aufhören. Es ist auch hinwiederum gewiß, daß nie-
mals etwas dergleichen erfolget, wenn gleich dieser oder
jener von denen übrigen Theilen des Körpers gedrükt,
zerschnitten, oder gar abgenommen wird; so oft aber das

Leben
(y) C. XVII. App.

Viertes Buch. Das Herz.
geſchlaͤfert worden, ſo hat dennoch niemals jemand uͤber
ſein Herz, oder ſeine Schlagadern, eine willkuͤhrliche Herr-
ſchaft bemerket, oder ſelbſt geaͤuſſert, oder auch ſeinen
Pulsſchlag jemals nach eigener Willkuͤhr beſchleunigen,
oder anhalten koͤnnen. Das Herz iſt von den Befehlen
der Seele frei geblieben, und die Seele hat ihr voriges
Unvermoͤgen, in Anſehung der Beherrſchung des Herzens,
behalten. Es wuͤrde hier jemand von der Parthei derer
Gegner vergebens einwenden, es waͤre unter dergleichen
Ohnmachten der Herzſchlag ſehr ſchwach geweſen, habe
aber nicht gaͤnzlich aufgehoͤret: denn es iſt in einigen
Exempeln das Herz ſo vollkommen ruhig geweſen, daß
auch ſogar die Faͤulung, laut der Geſchichte die Job van
Meekren anfuͤhret, die aͤuſſerſten Glieder bereits ange-
griffen gehabt (y).

§. 12.
Die Seele hat ihre Wohnung nicht im
Herzen.

Endlich iſt es auch mehr als zu gewiß, daß die See-
le ihren Siz im Kopfe hat, und daß das Herz, wenn
man es gleich vom Kopfe abgeſondert hat, dennoch eben-
falls ſchlaͤgt, mithin alſo der Herzſchlag nicht von der
Seele herruͤhren koͤnne. Denn es hat ſeine vollkomme-
ne Richtigkeit, (um nur aus vielen Gruͤnden einige we-
nige anzufuͤhren,) daß, wenn das Gehirn durch irgend
eine Urſache gedruͤkket wird, alsdenn ſogleich alle Ge-
ſchaͤfte der Seele, und das Bewuſtſeyn unſerer ſelbſt, voͤl-
lig aufhoͤren. Es iſt auch hinwiederum gewiß, daß nie-
mals etwas dergleichen erfolget, wenn gleich dieſer oder
jener von denen uͤbrigen Theilen des Koͤrpers gedruͤkt,
zerſchnitten, oder gar abgenommen wird; ſo oft aber das

Leben
(y) C. XVII. App.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0984" n="928"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
ge&#x017F;chla&#x0364;fert worden, &#x017F;o hat dennoch niemals jemand u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;ein Herz, oder &#x017F;eine Schlagadern, eine willku&#x0364;hrliche Herr-<lb/>
&#x017F;chaft bemerket, oder &#x017F;elb&#x017F;t gea&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert, oder auch &#x017F;einen<lb/>
Puls&#x017F;chlag jemals nach eigener Willku&#x0364;hr be&#x017F;chleunigen,<lb/>
oder anhalten ko&#x0364;nnen. Das Herz i&#x017F;t von den Befehlen<lb/>
der Seele frei geblieben, und die Seele hat ihr voriges<lb/>
Unvermo&#x0364;gen, in An&#x017F;ehung der Beherr&#x017F;chung des Herzens,<lb/>
behalten. Es wu&#x0364;rde hier jemand von der Parthei derer<lb/>
Gegner vergebens einwenden, es wa&#x0364;re unter dergleichen<lb/>
Ohnmachten der Herz&#x017F;chlag &#x017F;ehr &#x017F;chwach gewe&#x017F;en, habe<lb/>
aber nicht ga&#x0364;nzlich aufgeho&#x0364;ret: denn es i&#x017F;t in einigen<lb/>
Exempeln das Herz &#x017F;o vollkommen ruhig gewe&#x017F;en, daß<lb/>
auch &#x017F;ogar die Fa&#x0364;ulung, laut der Ge&#x017F;chichte die Job van<lb/><hi rendition="#fr">Meekren</hi> anfu&#x0364;hret, die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Glieder bereits ange-<lb/>
griffen gehabt <note place="foot" n="(y)"><hi rendition="#aq">C. XVII. App.</hi></note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 12.<lb/>
Die Seele hat ihre Wohnung nicht im<lb/>
Herzen.</head><lb/>
            <p>Endlich i&#x017F;t es auch mehr als zu gewiß, daß die See-<lb/>
le ihren Siz im Kopfe hat, und daß das Herz, wenn<lb/>
man es gleich vom Kopfe abge&#x017F;ondert hat, dennoch eben-<lb/>
falls &#x017F;chla&#x0364;gt, mithin al&#x017F;o der Herz&#x017F;chlag nicht von der<lb/>
Seele herru&#x0364;hren ko&#x0364;nne. Denn es hat &#x017F;eine vollkomme-<lb/>
ne Richtigkeit, (um nur aus vielen Gru&#x0364;nden einige we-<lb/>
nige anzufu&#x0364;hren,) daß, wenn das Gehirn durch irgend<lb/>
eine Ur&#x017F;ache gedru&#x0364;kket wird, alsdenn &#x017F;ogleich alle Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;fte der Seele, und das Bewu&#x017F;t&#x017F;eyn un&#x017F;erer &#x017F;elb&#x017F;t, vo&#x0364;l-<lb/>
lig aufho&#x0364;ren. Es i&#x017F;t auch hinwiederum gewiß, daß nie-<lb/>
mals etwas dergleichen erfolget, wenn gleich die&#x017F;er oder<lb/>
jener von denen u&#x0364;brigen Theilen des Ko&#x0364;rpers gedru&#x0364;kt,<lb/>
zer&#x017F;chnitten, oder gar abgenommen wird; &#x017F;o oft aber das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Leben</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[928/0984] Viertes Buch. Das Herz. geſchlaͤfert worden, ſo hat dennoch niemals jemand uͤber ſein Herz, oder ſeine Schlagadern, eine willkuͤhrliche Herr- ſchaft bemerket, oder ſelbſt geaͤuſſert, oder auch ſeinen Pulsſchlag jemals nach eigener Willkuͤhr beſchleunigen, oder anhalten koͤnnen. Das Herz iſt von den Befehlen der Seele frei geblieben, und die Seele hat ihr voriges Unvermoͤgen, in Anſehung der Beherrſchung des Herzens, behalten. Es wuͤrde hier jemand von der Parthei derer Gegner vergebens einwenden, es waͤre unter dergleichen Ohnmachten der Herzſchlag ſehr ſchwach geweſen, habe aber nicht gaͤnzlich aufgehoͤret: denn es iſt in einigen Exempeln das Herz ſo vollkommen ruhig geweſen, daß auch ſogar die Faͤulung, laut der Geſchichte die Job van Meekren anfuͤhret, die aͤuſſerſten Glieder bereits ange- griffen gehabt (y). §. 12. Die Seele hat ihre Wohnung nicht im Herzen. Endlich iſt es auch mehr als zu gewiß, daß die See- le ihren Siz im Kopfe hat, und daß das Herz, wenn man es gleich vom Kopfe abgeſondert hat, dennoch eben- falls ſchlaͤgt, mithin alſo der Herzſchlag nicht von der Seele herruͤhren koͤnne. Denn es hat ſeine vollkomme- ne Richtigkeit, (um nur aus vielen Gruͤnden einige we- nige anzufuͤhren,) daß, wenn das Gehirn durch irgend eine Urſache gedruͤkket wird, alsdenn ſogleich alle Ge- ſchaͤfte der Seele, und das Bewuſtſeyn unſerer ſelbſt, voͤl- lig aufhoͤren. Es iſt auch hinwiederum gewiß, daß nie- mals etwas dergleichen erfolget, wenn gleich dieſer oder jener von denen uͤbrigen Theilen des Koͤrpers gedruͤkt, zerſchnitten, oder gar abgenommen wird; ſo oft aber das Leben (y) C. XVII. App.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/984
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 928. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/984>, abgerufen am 21.12.2024.