Mit gleichem Beifalle nahmen auch die Aerzte (s) die Theorie von den Entzündungen an, welche aus die- sen Gründen hergeleitet war. Eine Verirrung vom ge- wöhnlichen Orte (errorem loci) nannte mein geliebter Lehrer (t) den Uebergang des Blutes in kleinere Gefässe. Er lehrte, daß diese an sich konische Gefässe zwar in ihre gröste Mündung ein dahin geprestes Kügelchen aufnäh- men, demselben aber alsdenn Widerstand thäten, wenn es weiter fortrükken wollte, und das um so mehr, je tie- fer ein Kügelchen in ein zarteres Gefäs hinein gerathen wäre: denn es wären die Oefnungen der kleinen Gefässe um so viel kleiner im Lichten, je weiter sie sich von ihrem Ursprunge, welches eine rothe Schlagader ist, entfern- ten: folglich geschähe denen Wänden dieser Gefässe im- mer mehr Gewalt, und daher fände auch ein Blutkügel- chen, welches hier wie ein Keil dieselben zu erweitern sucht, einen grössern Widerstand vor sich. Jndessen kä- me der Herzschlag gleichsam von hinten dazu, wodurch das Blut mit Gewalt fortgepresset, und ein bereits in ei- nem solchen stekkendes Kügelchen in die engsten Röhr- chen des kegelförmigen Gefässes getrieben würde. Sol- chemnach müsten nothwendig diese Gefässe dadurch zer- rissen werden, wofern nicht das Kügelchen entweder zu-
rük-
(s)[Spaltenumbruch]
Jch führe hier einige an, welche die Börhaavische Verir- rung vom gewohnlichen Ort ange- nommen haben. J. Claud. Adrian Helvetius in der Oecon animal. S. 44. 78. wo zwar der Quell nicht deutlich genung angezeigt ist, aus dem er geschopft hatte, wie sol- ches schon längstens Joh. Besse (in der replique S. 73.) erinnert hat. raym. vievssens nov. vas. syst. S. 109. 110. sylva de la [Spaltenumbruch]
saignee T. I. S. 281. Thom. Schwenkehaematol. S. 52. 98. Joh. von Gorterde persp S. 47. G. v. SwietenComment. T. I. S. 178. 640. 641. 646. u. f. Geor- ge Erhard Hambergerde theor. inflammationis Clift. wintring- ham Inquiry. S. 219. J. Hux- hamof fevers. S. 3.
(t)Aphor. de cognosc. & cu- rand. morb n. 118. 378. Prax. med T. I. S. 269.
O 2
Schlagadern.
§. 30. Die Verirrung vom gewoͤhnlichen Orte.
Mit gleichem Beifalle nahmen auch die Aerzte (s) die Theorie von den Entzuͤndungen an, welche aus die- ſen Gruͤnden hergeleitet war. Eine Verirrung vom ge- woͤhnlichen Orte (errorem loci) nannte mein geliebter Lehrer (t) den Uebergang des Blutes in kleinere Gefaͤſſe. Er lehrte, daß dieſe an ſich koniſche Gefaͤſſe zwar in ihre groͤſte Muͤndung ein dahin gepreſtes Kuͤgelchen aufnaͤh- men, demſelben aber alsdenn Widerſtand thaͤten, wenn es weiter fortruͤkken wollte, und das um ſo mehr, je tie- fer ein Kuͤgelchen in ein zarteres Gefaͤs hinein gerathen waͤre: denn es waͤren die Oefnungen der kleinen Gefaͤſſe um ſo viel kleiner im Lichten, je weiter ſie ſich von ihrem Urſprunge, welches eine rothe Schlagader iſt, entfern- ten: folglich geſchaͤhe denen Waͤnden dieſer Gefaͤſſe im- mer mehr Gewalt, und daher faͤnde auch ein Blutkuͤgel- chen, welches hier wie ein Keil dieſelben zu erweitern ſucht, einen groͤſſern Widerſtand vor ſich. Jndeſſen kaͤ- me der Herzſchlag gleichſam von hinten dazu, wodurch das Blut mit Gewalt fortgepreſſet, und ein bereits in ei- nem ſolchen ſtekkendes Kuͤgelchen in die engſten Roͤhr- chen des kegelfoͤrmigen Gefaͤſſes getrieben wuͤrde. Sol- chemnach muͤſten nothwendig dieſe Gefaͤſſe dadurch zer- riſſen werden, wofern nicht das Kuͤgelchen entweder zu-
ruͤk-
(s)[Spaltenumbruch]
Jch fuͤhre hier einige an, welche die Börhaaviſche Verir- rung vom gewohnlichen Ort ange- nommen haben. J. Claud. Adrian Helvetius in der Oecon animal. S. 44. 78. wo zwar der Quell nicht deutlich genung angezeigt iſt, aus dem er geſchopft hatte, wie ſol- ches ſchon laͤngſtens Joh. Beſſe (in der replique S. 73.) erinnert hat. raym. vievssens nov. vaſ. ſyſt. S. 109. 110. sylva de la [Spaltenumbruch]
ſaignée T. I. S. 281. Thom. Schwenkehæmatol. S. 52. 98. Joh. von Gorterde perſp S. 47. G. v. SwietenComment. T. I. S. 178. 640. 641. 646. u. f. Geor- ge Erhard Hambergerde theor. inflammationis Clift. wintring- ham Inquiry. S. 219. J. Hux- hamof fevers. S. 3.
(t)Aphor. de cognoſc. & cu- rand. morb n. 118. 378. Prax. med T. I. S. 269.
O 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0267"n="211"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Schlagadern.</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 30.<lb/>
Die Verirrung vom gewoͤhnlichen Orte.</head><lb/><p>Mit gleichem Beifalle nahmen auch die Aerzte <noteplace="foot"n="(s)"><cb/>
Jch fuͤhre hier einige an,<lb/>
welche die <hirendition="#fr">Börhaaviſche</hi> Verir-<lb/>
rung vom gewohnlichen Ort ange-<lb/>
nommen haben. J. Claud. Adrian<lb/><hirendition="#fr">Helvetius</hi> in der <hirendition="#aq">Oecon animal.</hi><lb/>
S. 44. 78. wo zwar der Quell nicht<lb/>
deutlich genung angezeigt iſt, aus<lb/>
dem er geſchopft hatte, wie ſol-<lb/>
ches ſchon laͤngſtens Joh. <hirendition="#fr">Beſſe</hi><lb/>
(in der <hirendition="#aq">replique</hi> S. 73.) erinnert<lb/>
hat. <hirendition="#aq"><hirendition="#k">raym. vievssens</hi> nov. vaſ.<lb/>ſyſt.</hi> S. 109. 110. <hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">sylva</hi></hi> de la<lb/><cb/>ſaignée T. I.</hi> S. 281. Thom.<lb/><hirendition="#fr">Schwenke</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#k">h</hi>æmatol.</hi> S. 52. 98.<lb/>
Joh. von <hirendition="#fr">Gorter</hi><hirendition="#aq">de perſp</hi> S. 47.<lb/>
G. v. <hirendition="#fr">Swieten</hi><hirendition="#aq">Comment. T. I.</hi><lb/>
S. 178. 640. 641. 646. u. f. Geor-<lb/>
ge Erhard <hirendition="#fr">Hamberger</hi><hirendition="#aq">de theor.<lb/>
inflammationis Clift. <hirendition="#k">wintring-<lb/>
ham</hi> Inquiry.</hi> S. 219. J. <hirendition="#fr">Hux-<lb/>
ham</hi><hirendition="#aq">of fevers.</hi> S. 3.</note><lb/>
die Theorie von den Entzuͤndungen an, welche aus die-<lb/>ſen Gruͤnden hergeleitet war. Eine <hirendition="#fr">Verirrung vom ge-<lb/>
woͤhnlichen Orte</hi> (<hirendition="#aq">errorem loci</hi>) nannte mein geliebter<lb/>
Lehrer <noteplace="foot"n="(t)"><hirendition="#aq">Aphor. de cognoſc. & cu-<lb/>
rand. morb n. 118. 378. Prax. med<lb/>
T. I.</hi> S. 269.</note> den Uebergang des Blutes in kleinere Gefaͤſſe.<lb/>
Er lehrte, daß dieſe an ſich koniſche Gefaͤſſe zwar in ihre<lb/>
groͤſte Muͤndung ein dahin gepreſtes Kuͤgelchen aufnaͤh-<lb/>
men, demſelben aber alsdenn Widerſtand thaͤten, wenn<lb/>
es weiter fortruͤkken wollte, und das um ſo mehr, je tie-<lb/>
fer ein Kuͤgelchen in ein zarteres Gefaͤs hinein gerathen<lb/>
waͤre: denn es waͤren die Oefnungen der kleinen Gefaͤſſe<lb/>
um ſo viel kleiner im Lichten, je weiter ſie ſich von ihrem<lb/>
Urſprunge, welches eine rothe Schlagader iſt, entfern-<lb/>
ten: folglich geſchaͤhe denen Waͤnden dieſer Gefaͤſſe im-<lb/>
mer mehr Gewalt, und daher faͤnde auch ein Blutkuͤgel-<lb/>
chen, welches hier wie ein Keil dieſelben zu erweitern<lb/>ſucht, einen groͤſſern Widerſtand vor ſich. Jndeſſen kaͤ-<lb/>
me der Herzſchlag gleichſam von hinten dazu, wodurch<lb/>
das Blut mit Gewalt fortgepreſſet, und ein bereits in ei-<lb/>
nem ſolchen ſtekkendes Kuͤgelchen in die engſten Roͤhr-<lb/>
chen des kegelfoͤrmigen Gefaͤſſes getrieben wuͤrde. <hirendition="#fr">Sol-</hi><lb/>
chemnach muͤſten nothwendig dieſe Gefaͤſſe dadurch zer-<lb/>
riſſen werden, wofern nicht das Kuͤgelchen entweder zu-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">ruͤk-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[211/0267]
Schlagadern.
§. 30.
Die Verirrung vom gewoͤhnlichen Orte.
Mit gleichem Beifalle nahmen auch die Aerzte (s)
die Theorie von den Entzuͤndungen an, welche aus die-
ſen Gruͤnden hergeleitet war. Eine Verirrung vom ge-
woͤhnlichen Orte (errorem loci) nannte mein geliebter
Lehrer (t) den Uebergang des Blutes in kleinere Gefaͤſſe.
Er lehrte, daß dieſe an ſich koniſche Gefaͤſſe zwar in ihre
groͤſte Muͤndung ein dahin gepreſtes Kuͤgelchen aufnaͤh-
men, demſelben aber alsdenn Widerſtand thaͤten, wenn
es weiter fortruͤkken wollte, und das um ſo mehr, je tie-
fer ein Kuͤgelchen in ein zarteres Gefaͤs hinein gerathen
waͤre: denn es waͤren die Oefnungen der kleinen Gefaͤſſe
um ſo viel kleiner im Lichten, je weiter ſie ſich von ihrem
Urſprunge, welches eine rothe Schlagader iſt, entfern-
ten: folglich geſchaͤhe denen Waͤnden dieſer Gefaͤſſe im-
mer mehr Gewalt, und daher faͤnde auch ein Blutkuͤgel-
chen, welches hier wie ein Keil dieſelben zu erweitern
ſucht, einen groͤſſern Widerſtand vor ſich. Jndeſſen kaͤ-
me der Herzſchlag gleichſam von hinten dazu, wodurch
das Blut mit Gewalt fortgepreſſet, und ein bereits in ei-
nem ſolchen ſtekkendes Kuͤgelchen in die engſten Roͤhr-
chen des kegelfoͤrmigen Gefaͤſſes getrieben wuͤrde. Sol-
chemnach muͤſten nothwendig dieſe Gefaͤſſe dadurch zer-
riſſen werden, wofern nicht das Kuͤgelchen entweder zu-
ruͤk-
(s)
Jch fuͤhre hier einige an,
welche die Börhaaviſche Verir-
rung vom gewohnlichen Ort ange-
nommen haben. J. Claud. Adrian
Helvetius in der Oecon animal.
S. 44. 78. wo zwar der Quell nicht
deutlich genung angezeigt iſt, aus
dem er geſchopft hatte, wie ſol-
ches ſchon laͤngſtens Joh. Beſſe
(in der replique S. 73.) erinnert
hat. raym. vievssens nov. vaſ.
ſyſt. S. 109. 110. sylva de la
ſaignée T. I. S. 281. Thom.
Schwenke hæmatol. S. 52. 98.
Joh. von Gorter de perſp S. 47.
G. v. Swieten Comment. T. I.
S. 178. 640. 641. 646. u. f. Geor-
ge Erhard Hamberger de theor.
inflammationis Clift. wintring-
ham Inquiry. S. 219. J. Hux-
ham of fevers. S. 3.
(t) Aphor. de cognoſc. & cu-
rand. morb n. 118. 378. Prax. med
T. I. S. 269.
O 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/267>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.