ist, ausspricht, ein Gott, der zugiebt, daß et¬ was außer ihm ist, ohne er selbst zu sein, als wenn ein Gott, der Raum und Zeit erschaffen hat, um aus Laune irgend einen kleinlichen Weltzweck zu erfüllen, um durch die Dauer zu thun, was ihm ja im Nu gelingen könnte, um unglückliche, von Zweifeln zerfleischte, halb thierische, halb menschliche Menschen auf einem gewissen Erdballe, in einem gewissen Deutsch¬ land, hier in dieser ganzen Misere herumkrie¬ chen zu lassen, als wenn ein solcher Gott je¬ mals meinem philosophischen Bewußtsein ent¬ sprechen könnte! Aber was Philosophie? Wir reden nicht von Philosophie: ich vergaß, daß wir über einige Ammenmärchen und poetische Grillen sprechen. Ich muß glauben, daß Chri¬ stus sei ein eingeborner Sohn Gottes, von ei¬ ner Jungfrau geboren, niedergefahren zur Hölle und wieder auferstanden -- Nein, auch dies ist nicht der Kern des Christenthums. Was soll
iſt, ausſpricht, ein Gott, der zugiebt, daß et¬ was außer ihm iſt, ohne er ſelbſt zu ſein, als wenn ein Gott, der Raum und Zeit erſchaffen hat, um aus Laune irgend einen kleinlichen Weltzweck zu erfüllen, um durch die Dauer zu thun, was ihm ja im Nu gelingen könnte, um unglückliche, von Zweifeln zerfleiſchte, halb thieriſche, halb menſchliche Menſchen auf einem gewiſſen Erdballe, in einem gewiſſen Deutſch¬ land, hier in dieſer ganzen Miſere herumkrie¬ chen zu laſſen, als wenn ein ſolcher Gott je¬ mals meinem philoſophiſchen Bewußtſein ent¬ ſprechen könnte! Aber was Philoſophie? Wir reden nicht von Philoſophie: ich vergaß, daß wir über einige Ammenmärchen und poetiſche Grillen ſprechen. Ich muß glauben, daß Chri¬ ſtus ſei ein eingeborner Sohn Gottes, von ei¬ ner Jungfrau geboren, niedergefahren zur Hölle und wieder auferſtanden — Nein, auch dies iſt nicht der Kern des Chriſtenthums. Was ſoll
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0297"n="290[288]"/>
iſt, ausſpricht, ein Gott, der zugiebt, daß et¬<lb/>
was außer ihm iſt, ohne er ſelbſt zu ſein, als<lb/>
wenn ein Gott, der Raum und Zeit erſchaffen<lb/>
hat, um aus Laune irgend einen kleinlichen<lb/>
Weltzweck zu erfüllen, um durch die Dauer zu<lb/>
thun, was ihm ja im Nu gelingen könnte, um<lb/>
unglückliche, von Zweifeln zerfleiſchte, halb<lb/>
thieriſche, halb menſchliche Menſchen auf einem<lb/>
gewiſſen Erdballe, in einem gewiſſen Deutſch¬<lb/>
land, hier in dieſer ganzen Miſere herumkrie¬<lb/>
chen zu laſſen, als wenn ein ſolcher Gott je¬<lb/>
mals meinem philoſophiſchen Bewußtſein ent¬<lb/>ſprechen könnte! Aber was Philoſophie? Wir<lb/>
reden nicht von Philoſophie: ich vergaß, daß<lb/>
wir über einige Ammenmärchen und poetiſche<lb/>
Grillen ſprechen. Ich muß glauben, daß Chri¬<lb/>ſtus ſei ein eingeborner Sohn Gottes, von ei¬<lb/>
ner Jungfrau geboren, niedergefahren zur Hölle<lb/>
und wieder auferſtanden — Nein, auch dies iſt<lb/>
nicht der Kern des Chriſtenthums. Was ſoll<lb/></p></div></body></text></TEI>
[290[288]/0297]
iſt, ausſpricht, ein Gott, der zugiebt, daß et¬
was außer ihm iſt, ohne er ſelbſt zu ſein, als
wenn ein Gott, der Raum und Zeit erſchaffen
hat, um aus Laune irgend einen kleinlichen
Weltzweck zu erfüllen, um durch die Dauer zu
thun, was ihm ja im Nu gelingen könnte, um
unglückliche, von Zweifeln zerfleiſchte, halb
thieriſche, halb menſchliche Menſchen auf einem
gewiſſen Erdballe, in einem gewiſſen Deutſch¬
land, hier in dieſer ganzen Miſere herumkrie¬
chen zu laſſen, als wenn ein ſolcher Gott je¬
mals meinem philoſophiſchen Bewußtſein ent¬
ſprechen könnte! Aber was Philoſophie? Wir
reden nicht von Philoſophie: ich vergaß, daß
wir über einige Ammenmärchen und poetiſche
Grillen ſprechen. Ich muß glauben, daß Chri¬
ſtus ſei ein eingeborner Sohn Gottes, von ei¬
ner Jungfrau geboren, niedergefahren zur Hölle
und wieder auferſtanden — Nein, auch dies iſt
nicht der Kern des Chriſtenthums. Was ſoll
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 290[288]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/297>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.