[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.Geliebte, Du hast mir schon so oft versprochen, Du wollest auf den Fluthen des Mondscheinlichtes zu mir segeln. Daß Du in diesem Augenblicke der Wonne an meine bewegte Brust sänkest! Siehe! diese Rose würf' ich in die Wogenfluth Deines Busens, und ließe mich in ihrem Kelche nach dem Sonnenaufgang Deines Augenstrahles tragen! Uebrigens kennst Du über Thränen meine Ansicht. Ich hasse sie. Die unnatürlichsten Bäume, die je gepflanzt sind, nennt man Trauerweiden. Aus den geringfügigen Dingen, die den Menschen die Augen naß machen, lernt man ihre Schwäche kennen--ein Christbaum, ein Ostermorgen, die untergehende Sonne--und sie sind weg! Ich empfehle Dir Kant's Kritik der praktischen Vernunft. Das Glück des Menschen hat ganz andere Grundlagen. Mein Ideal der Glückseligkeit hab' ich mir jetzt festgestellt und mir zugleich vorgenommen, zur Beglückung der Menschheit mich einem deutschen Fürsten als Janitscharenmusik zu vermiethen. Bist Du also heute zur Rührung aufgelegt, so werd' ich das Vergnügen haben, Dich nicht zu sehen. Sonst ergreif' ich diese Gelegenheit, Dich zu versichern, daß, wenn Du mein Alpha bist, ich Dein Omega bin und bleibe! Geliebte, Du hast mir schon so oft versprochen, Du wollest auf den Fluthen des Mondscheinlichtes zu mir segeln. Daß Du in diesem Augenblicke der Wonne an meine bewegte Brust sänkest! Siehe! diese Rose würf’ ich in die Wogenfluth Deines Busens, und ließe mich in ihrem Kelche nach dem Sonnenaufgang Deines Augenstrahles tragen! Uebrigens kennst Du über Thränen meine Ansicht. Ich hasse sie. Die unnatürlichsten Bäume, die je gepflanzt sind, nennt man Trauerweiden. Aus den geringfügigen Dingen, die den Menschen die Augen naß machen, lernt man ihre Schwäche kennen—ein Christbaum, ein Ostermorgen, die untergehende Sonne—und sie sind weg! Ich empfehle Dir Kant’s Kritik der praktischen Vernunft. Das Glück des Menschen hat ganz andere Grundlagen. Mein Ideal der Glückseligkeit hab’ ich mir jetzt festgestellt und mir zugleich vorgenommen, zur Beglückung der Menschheit mich einem deutschen Fürsten als Janitscharenmusik zu vermiethen. Bist Du also heute zur Rührung aufgelegt, so werd’ ich das Vergnügen haben, Dich nicht zu sehen. Sonst ergreif’ ich diese Gelegenheit, Dich zu versichern, daß, wenn Du mein Alpha bist, ich Dein Omega bin und bleibe! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0045" n="32"/> <p> Geliebte, Du hast mir schon so oft versprochen, Du wollest auf den Fluthen des Mondscheinlichtes zu mir segeln. Daß Du in diesem Augenblicke der Wonne an meine bewegte Brust sänkest! Siehe! diese Rose würf’ ich in die Wogenfluth Deines Busens, und ließe mich in ihrem Kelche nach dem Sonnenaufgang Deines Augenstrahles tragen!</p> <p>Uebrigens kennst Du über Thränen meine Ansicht. Ich hasse sie. Die unnatürlichsten Bäume, die je gepflanzt sind, nennt man Trauerweiden. Aus den geringfügigen Dingen, die den Menschen die Augen naß machen, lernt man ihre Schwäche kennen—ein Christbaum, ein Ostermorgen, die untergehende Sonne—und sie sind weg! Ich empfehle Dir Kant’s Kritik der praktischen Vernunft. Das Glück des Menschen hat ganz andere Grundlagen. Mein Ideal der Glückseligkeit hab’ ich mir jetzt festgestellt und mir zugleich vorgenommen, zur Beglückung der Menschheit mich einem deutschen Fürsten als <ref xml:id="TEXTJanitscharenmusik" target="BrN3E.htm#ERLJanitscharenmusik">Janitscharenmusik</ref> zu vermiethen.</p> <p>Bist Du also heute zur Rührung aufgelegt, so werd’ ich das Vergnügen haben, Dich nicht zu sehen.</p> <p>Sonst ergreif’ ich diese Gelegenheit, Dich zu versichern, daß, wenn Du mein Alpha bist, ich Dein Omega bin und bleibe!</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="1"> </div> </body> </text> </TEI> [32/0045]
Geliebte, Du hast mir schon so oft versprochen, Du wollest auf den Fluthen des Mondscheinlichtes zu mir segeln. Daß Du in diesem Augenblicke der Wonne an meine bewegte Brust sänkest! Siehe! diese Rose würf’ ich in die Wogenfluth Deines Busens, und ließe mich in ihrem Kelche nach dem Sonnenaufgang Deines Augenstrahles tragen!
Uebrigens kennst Du über Thränen meine Ansicht. Ich hasse sie. Die unnatürlichsten Bäume, die je gepflanzt sind, nennt man Trauerweiden. Aus den geringfügigen Dingen, die den Menschen die Augen naß machen, lernt man ihre Schwäche kennen—ein Christbaum, ein Ostermorgen, die untergehende Sonne—und sie sind weg! Ich empfehle Dir Kant’s Kritik der praktischen Vernunft. Das Glück des Menschen hat ganz andere Grundlagen. Mein Ideal der Glückseligkeit hab’ ich mir jetzt festgestellt und mir zugleich vorgenommen, zur Beglückung der Menschheit mich einem deutschen Fürsten als Janitscharenmusik zu vermiethen.
Bist Du also heute zur Rührung aufgelegt, so werd’ ich das Vergnügen haben, Dich nicht zu sehen.
Sonst ergreif’ ich diese Gelegenheit, Dich zu versichern, daß, wenn Du mein Alpha bist, ich Dein Omega bin und bleibe!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-07-01T14:33:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |