Sectio VII. de Prudentia status circa aerarium, tributa & vectigalia.
§. 1. 2. 3.
Von dem ae- rario des Staats und dessen Bestel- lung.
DIeses ist eine von denen schwersten materien, welche man nicht aus studiren kan: denn tempora mutantur & nos mutamur in il- lis. Es giebt nicht mehr changements als in Cameral Sachen- Wenn einer nun unter dem Friedrich VVilhelm der gröste financier ge- wesen, und er wollte unter dem jetzigen König in Preussen wieder eine solche Stelle vertreten, so würde er von neuen lernen müssen. In mei- ner eigenen oeconomie, welches etwas kleines, changire ich mich ja alle Tage, und wenn ich sehe, daß ich etwas kan besser haben, so lasse ich das alte fahren. Deßwegen wird mir auch kein Mensch eine Unbestän- digkeit attribuiren: denn in re familiari lernet man nicht aus. Den Grotium, welchen ich sonst aestimire, kan ich in diesem Stücke nicht approbiren, wenn er sagt, es sey ein Anzeigen einer imprudentiae, wenn man sich ändere. Es sind ja tausend circumstantiae da, welche Gelegen- heit geben, bald dieses, bald jenes zu entdecken. Da nun dieses in eines jeden oeconomie sich findet, wie vielmehr können sich nicht Aenderungen in einem grossen Reiche zu tragen. Wenn man Franckreich ansiehet, und nur consideriret, was vor Veränderungen unter Ludovico XIV. vor- gegangen, unus homo non sufficit, ut omnes mutationes memoria com- prehendere possit. Ich habe selbst einen gantzen Folianten, welcher da- von handelt. Ob wir nun gleich viel Bücher haben in Cameralibus, in- dem auch viele Juristen davon geschrieben, so kan man deßwegen doch nicht sagen, daß die Sache exhauriret wäre, sondern alle Tage kan man was neues entdecken. Man lernet seine eigene menage nicht aus, ge- schweige bey grossen Reichen, wie Holland, Franckreich, Engeland etc. sind. Der Autor hat hier den Conring excerpiret, welcher einen Tractar geschrieben de aerario argendo & conservando in octavo. Die excerpta sind gut, wobey aber noch viele observationes zu machen sind. * Ich
traue
*Conring war ein pragmatischer, kluger Mann, welcher raisonniret, wie ein Mi- nistre im Cabinet. Das kan man sehen aus dem Buch, welches er geschrie-
ben,
Cap. V. De prudentia
Sectio VII. de Prudentia ſtatus circa ærarium, tributa & vectigalia.
§. 1. 2. 3.
Von dem æ- rario des Staats und deſſen Beſtel- lung.
DIeſes iſt eine von denen ſchwerſten materien, welche man nicht aus ſtudiren kan: denn tempora mutantur & nos mutamur in il- lis. Es giebt nicht mehr changements als in Cameral Sachen- Wenn einer nun unter dem Friedrich VVilhelm der groͤſte financier ge- weſen, und er wollte unter dem jetzigen Koͤnig in Preuſſen wieder eine ſolche Stelle vertreten, ſo wuͤrde er von neuen lernen muͤſſen. In mei- ner eigenen œconomie, welches etwas kleines, changire ich mich ja alle Tage, und wenn ich ſehe, daß ich etwas kan beſſer haben, ſo laſſe ich das alte fahren. Deßwegen wird mir auch kein Menſch eine Unbeſtaͤn- digkeit attribuiren: denn in re familiari lernet man nicht aus. Den Grotium, welchen ich ſonſt æſtimire, kan ich in dieſem Stuͤcke nicht approbiren, wenn er ſagt, es ſey ein Anzeigen einer imprudentiæ, wenn man ſich aͤndere. Es ſind ja tauſend circumſtantiæ da, welche Gelegen- heit geben, bald dieſes, bald jenes zu entdecken. Da nun dieſes in eines jeden œconomie ſich findet, wie vielmehr koͤnnen ſich nicht Aenderungen in einem groſſen Reiche zu tragen. Wenn man Franckreich anſiehet, und nur conſideriret, was vor Veraͤnderungen unter Ludovico XIV. vor- gegangen, unus homo non ſufficit, ut omnes mutationes memoria com- prehendere poſſit. Ich habe ſelbſt einen gantzen Folianten, welcher da- von handelt. Ob wir nun gleich viel Buͤcher haben in Cameralibus, in- dem auch viele Juriſten davon geſchrieben, ſo kan man deßwegen doch nicht ſagen, daß die Sache exhauriret waͤre, ſondern alle Tage kan man was neues entdecken. Man lernet ſeine eigene menage nicht aus, ge- ſchweige bey groſſen Reichen, wie Holland, Franckreich, Engeland ꝛc. ſind. Der Autor hat hier den Conring excerpiret, welcher einen Tractar geſchrieben de ærario argendo & conſervando in octavo. Die excerpta ſind gut, wobey aber noch viele obſervationes zu machen ſind. * Ich
traue
*Conring war ein pragmatiſcher, kluger Mann, welcher raiſonniret, wie ein Mi- niſtre im Cabinet. Das kan man ſehen aus dem Buch, welches er geſchrie-
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Cap. V. De prudentia
Sectio VII.
de
Prudentia ſtatus circa ærarium, tributa &
vectigalia.
§. 1. 2. 3.
DIeſes iſt eine von denen ſchwerſten materien, welche man nicht
aus ſtudiren kan: denn tempora mutantur & nos mutamur in il-
lis. Es giebt nicht mehr changements als in Cameral Sachen-
Wenn einer nun unter dem Friedrich VVilhelm der groͤſte financier ge-
weſen, und er wollte unter dem jetzigen Koͤnig in Preuſſen wieder eine
ſolche Stelle vertreten, ſo wuͤrde er von neuen lernen muͤſſen. In mei-
ner eigenen œconomie, welches etwas kleines, changire ich mich ja alle
Tage, und wenn ich ſehe, daß ich etwas kan beſſer haben, ſo laſſe ich
das alte fahren. Deßwegen wird mir auch kein Menſch eine Unbeſtaͤn-
digkeit attribuiren: denn in re familiari lernet man nicht aus. Den
Grotium, welchen ich ſonſt æſtimire, kan ich in dieſem Stuͤcke nicht
approbiren, wenn er ſagt, es ſey ein Anzeigen einer imprudentiæ, wenn
man ſich aͤndere. Es ſind ja tauſend circumſtantiæ da, welche Gelegen-
heit geben, bald dieſes, bald jenes zu entdecken. Da nun dieſes in eines
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in einem groſſen Reiche zu tragen. Wenn man Franckreich anſiehet,
und nur conſideriret, was vor Veraͤnderungen unter Ludovico XIV. vor-
gegangen, unus homo non ſufficit, ut omnes mutationes memoria com-
prehendere poſſit. Ich habe ſelbſt einen gantzen Folianten, welcher da-
von handelt. Ob wir nun gleich viel Buͤcher haben in Cameralibus, in-
dem auch viele Juriſten davon geſchrieben, ſo kan man deßwegen doch
nicht ſagen, daß die Sache exhauriret waͤre, ſondern alle Tage kan man
was neues entdecken. Man lernet ſeine eigene menage nicht aus, ge-
ſchweige bey groſſen Reichen, wie Holland, Franckreich, Engeland ꝛc.
ſind. Der Autor hat hier den Conring excerpiret, welcher einen Tractar
geſchrieben de ærario argendo & conſervando in octavo. Die excerpta
ſind gut, wobey aber noch viele obſervationes zu machen ſind. * Ich
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* Conring war ein pragmatiſcher, kluger Mann, welcher raiſonniret, wie ein Mi-
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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/272>, abgerufen am 24.02.2025.
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