Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Völkerrechte überhaupt,
indes die Natur- und Völkerrechtslehren unabgesondert
vor. Desto sorgfältiger sind Wolf, Vattel, Ickstadt
und die neuern Gelehrten in deren Auseinandersetzung
gewesen; und Moser hat das europäische Völkerrecht
ohn alle Einmischung des Naturrechts vorgetragen.

*] Io. Car. Durrius de juris gentium cum jure naturae
consensu. Alt.
1671. 4.
Io. Dan. Schwertneri diss. de discrimine juris gentium a
jure naturae. Lips.
1685. 4.
Dav. Frid. Kappeine diss. an et quatenus jus gentium a
jure naturae differat? Lugd. Bat.
1741. 4.
§. 14.
Existenz eines Völkerrechts.

Mit dem Unterschiede wird denn auch die Existenz
eines eignen Völkerrechts überhaupt, besonders aber des
positiven abgeläugnet. Man wendet ein, daß freie Völ-
ker, welche keinen Obern als Gott über sich erkennen,
an menschliche Gesetze und Gewonheiten nicht gebunden
seyn könten, sondern lediglich die Vorschriften des Na-
turrechts befolgen dürften. Andere, die allenfals ein
eignes Völkerrecht zugeben, halten doch selbst das natür-
liche darum für unnütz, weil die Völker zu dessen Beob-
achtung durch niemanden angehalten werden könten.
Allein nicht blos Gesetze eines Obern, sondern auch Ver-
träge zwischen Gleichen sind vermögend, die Richtschnur
der Handlungen zu bestimmen, und ein Recht zu begrün-
den. Sind freie Völker gleich keinem menschlichen
Gesetzgeber unterworfen, so können sie doch selbst gewisse
Verbindlichkeiten sich auflegen, welche als Gesetze von
ihnen beobachtet werden, und deren Handhabung gegen
die Uebertreter, so wie bey den Vorschriften der Natur,
dem andern Theile mit Recht gebührt.

*]

Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
indes die Natur- und Voͤlkerrechtslehren unabgeſondert
vor. Deſto ſorgfaͤltiger ſind Wolf, Vattel, Ickſtadt
und die neuern Gelehrten in deren Auseinanderſetzung
geweſen; und Moſer hat das europaͤiſche Voͤlkerrecht
ohn alle Einmiſchung des Naturrechts vorgetragen.

*] Io. Car. Durrius de juris gentium cum jure naturae
conſenſu. Alt.
1671. 4.
Io. Dan. Schwertneri disſ. de diſcrimine juris gentium a
jure naturae. Lipſ.
1685. 4.
Dav. Frid. Kappeine disſ. an et quatenus jus gentium a
jure naturae differat? Lugd. Bat.
1741. 4.
§. 14.
Exiſtenz eines Voͤlkerrechts.

Mit dem Unterſchiede wird denn auch die Exiſtenz
eines eignen Voͤlkerrechts uͤberhaupt, beſonders aber des
poſitiven abgelaͤugnet. Man wendet ein, daß freie Voͤl-
ker, welche keinen Obern als Gott uͤber ſich erkennen,
an menſchliche Geſetze und Gewonheiten nicht gebunden
ſeyn koͤnten, ſondern lediglich die Vorſchriften des Na-
turrechts befolgen duͤrften. Andere, die allenfals ein
eignes Voͤlkerrecht zugeben, halten doch ſelbſt das natuͤr-
liche darum fuͤr unnuͤtz, weil die Voͤlker zu deſſen Beob-
achtung durch niemanden angehalten werden koͤnten.
Allein nicht blos Geſetze eines Obern, ſondern auch Ver-
traͤge zwiſchen Gleichen ſind vermoͤgend, die Richtſchnur
der Handlungen zu beſtimmen, und ein Recht zu begruͤn-
den. Sind freie Voͤlker gleich keinem menſchlichen
Geſetzgeber unterworfen, ſo koͤnnen ſie doch ſelbſt gewiſſe
Verbindlichkeiten ſich auflegen, welche als Geſetze von
ihnen beobachtet werden, und deren Handhabung gegen
die Uebertreter, ſo wie bey den Vorſchriften der Natur,
dem andern Theile mit Recht gebuͤhrt.

*]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0050" n="24"/><fw place="top" type="header">Von dem Vo&#x0364;lkerrechte u&#x0364;berhaupt,</fw><lb/>
indes die Natur- und Vo&#x0364;lkerrechtslehren unabge&#x017F;ondert<lb/>
vor. De&#x017F;to &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger &#x017F;ind Wolf, Vattel, Ick&#x017F;tadt<lb/>
und die neuern Gelehrten in deren Auseinander&#x017F;etzung<lb/>
gewe&#x017F;en; und Mo&#x017F;er hat das europa&#x0364;i&#x017F;che Vo&#x0364;lkerrecht<lb/>
ohn alle Einmi&#x017F;chung des Naturrechts vorgetragen.</p><lb/>
          <note place="end" n="*]"><hi rendition="#aq">Io. Car. <hi rendition="#i">Durrius</hi> de juris gentium cum jure naturae<lb/>
con&#x017F;en&#x017F;u. Alt.</hi> 1671. 4.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Io. Dan. <hi rendition="#i">Schwertneri</hi> dis&#x017F;. de di&#x017F;crimine juris gentium a<lb/>
jure naturae. Lip&#x017F;.</hi> 1685. 4.<lb/><hi rendition="#aq">Dav. Frid. <hi rendition="#i">Kappeine</hi> dis&#x017F;. an et quatenus jus gentium a<lb/>
jure naturae differat? Lugd. Bat.</hi> 1741. 4.</hi></note>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 14.<lb/><hi rendition="#g">Exi&#x017F;tenz eines Vo&#x0364;lkerrechts</hi>.</head><lb/>
          <p>Mit dem Unter&#x017F;chiede wird denn auch die Exi&#x017F;tenz<lb/>
eines eignen Vo&#x0364;lkerrechts u&#x0364;berhaupt, be&#x017F;onders aber des<lb/>
po&#x017F;itiven abgela&#x0364;ugnet. Man wendet ein, daß freie Vo&#x0364;l-<lb/>
ker, welche keinen Obern als Gott u&#x0364;ber &#x017F;ich erkennen,<lb/>
an men&#x017F;chliche Ge&#x017F;etze und Gewonheiten nicht gebunden<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nten, &#x017F;ondern lediglich die Vor&#x017F;chriften des Na-<lb/>
turrechts befolgen du&#x0364;rften. Andere, die allenfals ein<lb/>
eignes Vo&#x0364;lkerrecht zugeben, halten doch &#x017F;elb&#x017F;t das natu&#x0364;r-<lb/>
liche darum fu&#x0364;r unnu&#x0364;tz, weil die Vo&#x0364;lker zu de&#x017F;&#x017F;en Beob-<lb/>
achtung durch niemanden angehalten werden ko&#x0364;nten.<lb/>
Allein nicht blos Ge&#x017F;etze eines Obern, &#x017F;ondern auch Ver-<lb/>
tra&#x0364;ge zwi&#x017F;chen Gleichen &#x017F;ind vermo&#x0364;gend, die Richt&#x017F;chnur<lb/>
der Handlungen zu be&#x017F;timmen, und ein Recht zu begru&#x0364;n-<lb/>
den. Sind freie Vo&#x0364;lker gleich keinem men&#x017F;chlichen<lb/>
Ge&#x017F;etzgeber unterworfen, &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie doch &#x017F;elb&#x017F;t gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Verbindlichkeiten &#x017F;ich auflegen, welche als Ge&#x017F;etze von<lb/>
ihnen beobachtet werden, und deren Handhabung gegen<lb/>
die Uebertreter, &#x017F;o wie bey den Vor&#x017F;chriften der Natur,<lb/>
dem andern Theile mit Recht gebu&#x0364;hrt.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">*]</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0050] Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt, indes die Natur- und Voͤlkerrechtslehren unabgeſondert vor. Deſto ſorgfaͤltiger ſind Wolf, Vattel, Ickſtadt und die neuern Gelehrten in deren Auseinanderſetzung geweſen; und Moſer hat das europaͤiſche Voͤlkerrecht ohn alle Einmiſchung des Naturrechts vorgetragen. *] Io. Car. Durrius de juris gentium cum jure naturae conſenſu. Alt. 1671. 4. Io. Dan. Schwertneri disſ. de diſcrimine juris gentium a jure naturae. Lipſ. 1685. 4. Dav. Frid. Kappeine disſ. an et quatenus jus gentium a jure naturae differat? Lugd. Bat. 1741. 4. §. 14. Exiſtenz eines Voͤlkerrechts. Mit dem Unterſchiede wird denn auch die Exiſtenz eines eignen Voͤlkerrechts uͤberhaupt, beſonders aber des poſitiven abgelaͤugnet. Man wendet ein, daß freie Voͤl- ker, welche keinen Obern als Gott uͤber ſich erkennen, an menſchliche Geſetze und Gewonheiten nicht gebunden ſeyn koͤnten, ſondern lediglich die Vorſchriften des Na- turrechts befolgen duͤrften. Andere, die allenfals ein eignes Voͤlkerrecht zugeben, halten doch ſelbſt das natuͤr- liche darum fuͤr unnuͤtz, weil die Voͤlker zu deſſen Beob- achtung durch niemanden angehalten werden koͤnten. Allein nicht blos Geſetze eines Obern, ſondern auch Ver- traͤge zwiſchen Gleichen ſind vermoͤgend, die Richtſchnur der Handlungen zu beſtimmen, und ein Recht zu begruͤn- den. Sind freie Voͤlker gleich keinem menſchlichen Geſetzgeber unterworfen, ſo koͤnnen ſie doch ſelbſt gewiſſe Verbindlichkeiten ſich auflegen, welche als Geſetze von ihnen beobachtet werden, und deren Handhabung gegen die Uebertreter, ſo wie bey den Vorſchriften der Natur, dem andern Theile mit Recht gebuͤhrt. *]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/50
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/50>, abgerufen am 21.11.2024.