*]Io. Ad. Ickstadt in Elem. jur. gentium L. I. c. II. §. 2. Schol. theilt auch das natürliche, nämlich das nothwendige, in algemeines und besonderes. Ersteres soll die alge- meinsten Regeln, lezteres dieienigen Grundsätze enthalten, welche die Natur eines ieden Staats insbesondere erheischt.
§. 12. Andrer Rechtslehrer Abtheilungen des Völkerrechts.
Vorstehende Völkerrechtseintheilungen haben mir die wesentlichsten geschienen. Andre Völkerrechtslehrer be- dienen sich deren noch mehrere, die zum Theil blos in der Benennung abweichen. Ich will wenigstens die vor- nehmsten davon bemerklich machen. Nach der Meinung des Grotius zerfält das Völkerrecht in zwei Haupttheile in latius patens, worunter er sein sogenantes ius gentium voluntarium versteht, das wieder vniversale et certarum gentium seyn soll, und in arctius patens, welches blos das bey mehreren Völkern gleichförmig angenommene Privatrecht enthält. Das natürliche Völkerrecht ist nach dem Grotius und andern Philosophen entweder ein in- nerliches oder äusserliches. Jenes soll aus den Grund- sätzen bestehn, welche ich mit Wolfen und andern zu dem nothwendigen Völkerrechte zähle, weil sie, wenn auch nicht äusserlich, doch für das Gewissen der Völker ver- bindlich sind. Zu diesen gehören die auch äussere Zwangsmittel zulassende Pflichten: und weil die Beob- achtung der innern Obliegenheiten von andern Völkern, nicht wie die äussern, mit volkomnen Rechte gefodert werden können; so wird das Völkerrecht vielfältig auch in volkomnes und unvolkomnes eingeteilt. Ferner unterscheidet man es in absolutes [absolutum connatum, von einigen auch primarium genant] und hypothetisches [hypotheticum, adquisitum oder auch secundarium]. Er- steres ist dasienige, welches ohne Zuthun einer verbindli-
chen
Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
*]Io. Ad. Ickſtadt in Elem. jur. gentium L. I. c. II. §. 2. Schol. theilt auch das natuͤrliche, naͤmlich das nothwendige, in algemeines und beſonderes. Erſteres ſoll die alge- meinſten Regeln, lezteres dieienigen Grundſaͤtze enthalten, welche die Natur eines ieden Staats insbeſondere erheiſcht.
§. 12. Andrer Rechtslehrer Abtheilungen des Voͤlkerrechts.
Vorſtehende Voͤlkerrechtseintheilungen haben mir die weſentlichſten geſchienen. Andre Voͤlkerrechtslehrer be- dienen ſich deren noch mehrere, die zum Theil blos in der Benennung abweichen. Ich will wenigſtens die vor- nehmſten davon bemerklich machen. Nach der Meinung des Grotius zerfaͤlt das Voͤlkerrecht in zwei Haupttheile in latius patens, worunter er ſein ſogenantes ius gentium voluntarium verſteht, das wieder vniverſale et certarum gentium ſeyn ſoll, und in arctius patens, welches blos das bey mehreren Voͤlkern gleichfoͤrmig angenommene Privatrecht enthaͤlt. Das natuͤrliche Voͤlkerrecht iſt nach dem Grotius und andern Philoſophen entweder ein in- nerliches oder aͤuſſerliches. Jenes ſoll aus den Grund- ſaͤtzen beſtehn, welche ich mit Wolfen und andern zu dem nothwendigen Voͤlkerrechte zaͤhle, weil ſie, wenn auch nicht aͤuſſerlich, doch fuͤr das Gewiſſen der Voͤlker ver- bindlich ſind. Zu dieſen gehoͤren die auch aͤuſſere Zwangsmittel zulaſſende Pflichten: und weil die Beob- achtung der innern Obliegenheiten von andern Voͤlkern, nicht wie die aͤuſſern, mit volkomnen Rechte gefodert werden koͤnnen; ſo wird das Voͤlkerrecht vielfaͤltig auch in volkomnes und unvolkomnes eingeteilt. Ferner unterſcheidet man es in abſolutes [abſolutum connatum, von einigen auch primarium genant] und hypothetiſches [hypotheticum, adquiſitum oder auch ſecundarium]. Er- ſteres iſt dasienige, welches ohne Zuthun einer verbindli-
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Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
*] Io. Ad. Ickſtadt in Elem. jur. gentium L. I. c. II. §. 2.
Schol. theilt auch das natuͤrliche, naͤmlich das nothwendige,
in algemeines und beſonderes. Erſteres ſoll die alge-
meinſten Regeln, lezteres dieienigen Grundſaͤtze enthalten,
welche die Natur eines ieden Staats insbeſondere erheiſcht.
§. 12.
Andrer Rechtslehrer Abtheilungen des
Voͤlkerrechts.
Vorſtehende Voͤlkerrechtseintheilungen haben mir die
weſentlichſten geſchienen. Andre Voͤlkerrechtslehrer be-
dienen ſich deren noch mehrere, die zum Theil blos in der
Benennung abweichen. Ich will wenigſtens die vor-
nehmſten davon bemerklich machen. Nach der Meinung
des Grotius zerfaͤlt das Voͤlkerrecht in zwei Haupttheile
in latius patens, worunter er ſein ſogenantes ius gentium
voluntarium verſteht, das wieder vniverſale et certarum
gentium ſeyn ſoll, und in arctius patens, welches blos
das bey mehreren Voͤlkern gleichfoͤrmig angenommene
Privatrecht enthaͤlt. Das natuͤrliche Voͤlkerrecht iſt nach
dem Grotius und andern Philoſophen entweder ein in-
nerliches oder aͤuſſerliches. Jenes ſoll aus den Grund-
ſaͤtzen beſtehn, welche ich mit Wolfen und andern zu dem
nothwendigen Voͤlkerrechte zaͤhle, weil ſie, wenn auch
nicht aͤuſſerlich, doch fuͤr das Gewiſſen der Voͤlker ver-
bindlich ſind. Zu dieſen gehoͤren die auch aͤuſſere
Zwangsmittel zulaſſende Pflichten: und weil die Beob-
achtung der innern Obliegenheiten von andern Voͤlkern,
nicht wie die aͤuſſern, mit volkomnen Rechte gefodert
werden koͤnnen; ſo wird das Voͤlkerrecht vielfaͤltig auch
in volkomnes und unvolkomnes eingeteilt. Ferner
unterſcheidet man es in abſolutes [abſolutum connatum,
von einigen auch primarium genant] und hypothetiſches
[hypotheticum, adquiſitum oder auch ſecundarium]. Er-
ſteres iſt dasienige, welches ohne Zuthun einer verbindli-
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/48>, abgerufen am 22.02.2025.
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