Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Macht der Nazionen
b] Erinnerungen über Kahlens Balance etc. S. 165. u. f.
c] Man vergl. Wolf J. G. c. VI. §. 649. und Glafeys Völ-
kerr. c. II. §. 9. 9. u. f.
§. 15.
Erlaubte Mittel zu Erhaltung desselben.

Es bedarf ohnstreitig vieler Behutsamkeit in Bestim-
mung der gehörigen Grenzen des Gleichgewichts und der
zu Erhaltung desselben erlaubten Mittel a], damit sol-
ches, anstatt die Gerechtsame und Freiheit der Nazionen
zu sichern, dieselben nicht noch mehr beleidige. Ueber-
haupt ist zu merken, daß, da das Gleichgewicht die Ab-
sicht hat, zu verhindern, daß kein Volk eine Ueber-
macht erlange, die den mit ihm verbundenen Nazionen
gefährlich werden könte, man mehr vertheidigungs- als
angrifsweise zu Werke gehen, und sich so viel mög-
lich aller beleidigenden und gewaltsamen Mittel dabey
enthalten müsse.

Eine große Republick, wie Heinrich IV. von Frank-
reich etc. sie sich dachte, oder eine von mehrern Nazionen
bereits gesuchte Universalmonarchie b] würden, obgedach-
termaassen, dem System des Gleichgewichts vielleicht
am zuträglichsten seyn; aber sie dürften, wie bis itzt, so
noch ferner eine Chimäre bleiben.

So lange die Macht einer Nazion noch nicht über-
wiegend wird, [§. 6.] deren Anwuchs iedoch Besorg-
nisse zu erregen im Stande ist, ob der sich vergrößernde
Staat gleich noch keinen Anlas zu Mistrauen gegeben
hat, können die übrigen Nazionen keine andern Maas-
regeln ergreifen, als daß sie durch Verbesserung ihrer
eignen Kriegsverfassung, Anlegung von Festungen etc.
durch Bündnisse mit andern, sich auf alle Fälle in guten
Vertheidigungsstand setzen c]. Fängt die Macht an

über-
Von der Macht der Nazionen
b] Erinnerungen uͤber Kahlens Balance ꝛc. S. 165. u. f.
c] Man vergl. Wolf J. G. c. VI. §. 649. und Glafeys Voͤl-
kerr. c. II. §. 9. 9. u. f.
§. 15.
Erlaubte Mittel zu Erhaltung deſſelben.

Es bedarf ohnſtreitig vieler Behutſamkeit in Beſtim-
mung der gehoͤrigen Grenzen des Gleichgewichts und der
zu Erhaltung deſſelben erlaubten Mittel a], damit ſol-
ches, anſtatt die Gerechtſame und Freiheit der Nazionen
zu ſichern, dieſelben nicht noch mehr beleidige. Ueber-
haupt iſt zu merken, daß, da das Gleichgewicht die Ab-
ſicht hat, zu verhindern, daß kein Volk eine Ueber-
macht erlange, die den mit ihm verbundenen Nazionen
gefaͤhrlich werden koͤnte, man mehr vertheidigungs- als
angrifsweiſe zu Werke gehen, und ſich ſo viel moͤg-
lich aller beleidigenden und gewaltſamen Mittel dabey
enthalten muͤſſe.

Eine große Republick, wie Heinrich IV. von Frank-
reich ꝛc. ſie ſich dachte, oder eine von mehrern Nazionen
bereits geſuchte Univerſalmonarchie b] wuͤrden, obgedach-
termaaſſen, dem Syſtem des Gleichgewichts vielleicht
am zutraͤglichſten ſeyn; aber ſie duͤrften, wie bis itzt, ſo
noch ferner eine Chimaͤre bleiben.

So lange die Macht einer Nazion noch nicht uͤber-
wiegend wird, [§. 6.] deren Anwuchs iedoch Beſorg-
niſſe zu erregen im Stande iſt, ob der ſich vergroͤßernde
Staat gleich noch keinen Anlas zu Mistrauen gegeben
hat, koͤnnen die uͤbrigen Nazionen keine andern Maas-
regeln ergreifen, als daß ſie durch Verbeſſerung ihrer
eignen Kriegsverfaſſung, Anlegung von Feſtungen ꝛc.
durch Buͤndniſſe mit andern, ſich auf alle Faͤlle in guten
Vertheidigungsſtand ſetzen c]. Faͤngt die Macht an

uͤber-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0388" n="362"/>
            <fw place="top" type="header">Von der Macht der Nazionen</fw><lb/>
            <note place="end" n="b]">Erinnerungen u&#x0364;ber Kahlens Balance &#xA75B;c. S. 165. u. f.</note><lb/>
            <note place="end" n="c]">Man vergl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Wolf</hi> J. G. c. VI.</hi> §. 649. und Glafeys Vo&#x0364;l-<lb/>
kerr. <hi rendition="#aq">c. II.</hi> §. 9. 9. u. f.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 15.<lb/><hi rendition="#g">Erlaubte Mittel zu Erhaltung de&#x017F;&#x017F;elben</hi>.</head><lb/>
            <p>Es bedarf ohn&#x017F;treitig vieler Behut&#x017F;amkeit in Be&#x017F;tim-<lb/>
mung der geho&#x0364;rigen Grenzen des Gleichgewichts und der<lb/>
zu Erhaltung de&#x017F;&#x017F;elben erlaubten Mittel <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">a</hi></hi>], damit &#x017F;ol-<lb/>
ches, an&#x017F;tatt die Gerecht&#x017F;ame und Freiheit der Nazionen<lb/>
zu &#x017F;ichern, die&#x017F;elben nicht noch mehr beleidige. Ueber-<lb/>
haupt i&#x017F;t zu merken, daß, da das Gleichgewicht die Ab-<lb/>
&#x017F;icht hat, <hi rendition="#fr">zu verhindern</hi>, daß kein Volk eine Ueber-<lb/>
macht erlange, die den mit ihm verbundenen Nazionen<lb/>
gefa&#x0364;hrlich werden ko&#x0364;nte, man mehr vertheidigungs- als<lb/>
angrifswei&#x017F;e zu Werke gehen, und &#x017F;ich &#x017F;o viel mo&#x0364;g-<lb/>
lich aller beleidigenden und gewalt&#x017F;amen Mittel dabey<lb/>
enthalten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>Eine große Republick, wie Heinrich <hi rendition="#aq">IV.</hi> von Frank-<lb/>
reich &#xA75B;c. &#x017F;ie &#x017F;ich dachte, oder eine von mehrern Nazionen<lb/>
bereits ge&#x017F;uchte Univer&#x017F;almonarchie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">b</hi></hi>] wu&#x0364;rden, obgedach-<lb/>
termaa&#x017F;&#x017F;en, dem Sy&#x017F;tem des Gleichgewichts vielleicht<lb/>
am zutra&#x0364;glich&#x017F;ten &#x017F;eyn; aber &#x017F;ie du&#x0364;rften, wie bis itzt, &#x017F;o<lb/>
noch ferner eine Chima&#x0364;re bleiben.</p><lb/>
            <p>So lange die Macht einer Nazion noch nicht u&#x0364;ber-<lb/>
wiegend wird, [§. 6.] deren Anwuchs iedoch Be&#x017F;org-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e zu erregen im Stande i&#x017F;t, ob der &#x017F;ich vergro&#x0364;ßernde<lb/>
Staat gleich noch keinen Anlas zu Mistrauen gegeben<lb/>
hat, ko&#x0364;nnen die u&#x0364;brigen Nazionen keine andern Maas-<lb/>
regeln ergreifen, als daß &#x017F;ie durch Verbe&#x017F;&#x017F;erung ihrer<lb/>
eignen Kriegsverfa&#x017F;&#x017F;ung, Anlegung von Fe&#x017F;tungen &#xA75B;c.<lb/>
durch Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e mit andern, &#x017F;ich auf alle Fa&#x0364;lle in guten<lb/>
Vertheidigungs&#x017F;tand &#x017F;etzen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">c</hi></hi>]. Fa&#x0364;ngt die Macht an<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">u&#x0364;ber-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0388] Von der Macht der Nazionen b] Erinnerungen uͤber Kahlens Balance ꝛc. S. 165. u. f. c] Man vergl. Wolf J. G. c. VI. §. 649. und Glafeys Voͤl- kerr. c. II. §. 9. 9. u. f. §. 15. Erlaubte Mittel zu Erhaltung deſſelben. Es bedarf ohnſtreitig vieler Behutſamkeit in Beſtim- mung der gehoͤrigen Grenzen des Gleichgewichts und der zu Erhaltung deſſelben erlaubten Mittel a], damit ſol- ches, anſtatt die Gerechtſame und Freiheit der Nazionen zu ſichern, dieſelben nicht noch mehr beleidige. Ueber- haupt iſt zu merken, daß, da das Gleichgewicht die Ab- ſicht hat, zu verhindern, daß kein Volk eine Ueber- macht erlange, die den mit ihm verbundenen Nazionen gefaͤhrlich werden koͤnte, man mehr vertheidigungs- als angrifsweiſe zu Werke gehen, und ſich ſo viel moͤg- lich aller beleidigenden und gewaltſamen Mittel dabey enthalten muͤſſe. Eine große Republick, wie Heinrich IV. von Frank- reich ꝛc. ſie ſich dachte, oder eine von mehrern Nazionen bereits geſuchte Univerſalmonarchie b] wuͤrden, obgedach- termaaſſen, dem Syſtem des Gleichgewichts vielleicht am zutraͤglichſten ſeyn; aber ſie duͤrften, wie bis itzt, ſo noch ferner eine Chimaͤre bleiben. So lange die Macht einer Nazion noch nicht uͤber- wiegend wird, [§. 6.] deren Anwuchs iedoch Beſorg- niſſe zu erregen im Stande iſt, ob der ſich vergroͤßernde Staat gleich noch keinen Anlas zu Mistrauen gegeben hat, koͤnnen die uͤbrigen Nazionen keine andern Maas- regeln ergreifen, als daß ſie durch Verbeſſerung ihrer eignen Kriegsverfaſſung, Anlegung von Feſtungen ꝛc. durch Buͤndniſſe mit andern, ſich auf alle Faͤlle in guten Vertheidigungsſtand ſetzen c]. Faͤngt die Macht an uͤber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/388
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/388>, abgerufen am 21.12.2024.