der Regierung vorgelegt: ob, im Fall es zum offenbaren Bruch zwischen der Republick und dem Kaiser kommen sollte, Grosbritannien, den Tractaten gemäs, den Hol- ländern beistehn, oder ein müssiger Zuschauer bey einem Kriege verbleiben wolle, in den das Interesse aller euro- päischen Staaten verwickelt sey?
§. 26. Antwort darauf.
In den vorbemerkten Fällen leidet die Regel des natürlichen Völkerrechts: daß kein freies Volk schuldig sey, dem andern von seinen Handlungen Rechenschaft zu geben, eine Ausnahme. Wird hierinn, auf geziemen- de Anfrage, entweder keine hinlängliche, oder auch gar keine Antwort gegeben, ja solche, unter Beziehung auf iene Regel ausdrücklich verweigert, und die diesfalsige Anfrage für Beleidigung geachtet, so sieht man dies gemeiniglich für ein stilschweigendes Geständnis der beschuldigten Absichten an, wodurch die fragende Na- zion alle dagegen zu ergreifende Sicherheitsvorkehrungen gerechtfertigt glaubt a]. Ein freundschaftlich gesinnter Staat, der die geäusserten Besorgnisse des andern unge- gründet findet, sucht den fragenden daher auf alle Art zu beruhigen und sicher zu stellen. "Die Kaiserin von Rußland, hieß es 1784, hat auf die Anfrage wegen einiger Rüstungen in Schweden von dem Minister Gra- fen von Kreutz die Versicherung erhalten, daß der König von Schweden nicht die geringste Absicht habe, die freundschaftliche Eintracht in Norden zu unterbre- chen b]."
Die Antwort kan durch eben die Wege wie die An- frage geschehen, muß übrigens, so viel möglich klar und befriedigend seyn c], und da die mündlichen oft aller- hand Zweideutigkeiten unterworfen sind; so werden sie
mehren-
Von der Freiheit der Nazionen, ihre
der Regierung vorgelegt: ob, im Fall es zum offenbaren Bruch zwiſchen der Republick und dem Kaiſer kommen ſollte, Grosbritannien, den Tractaten gemaͤs, den Hol- laͤndern beiſtehn, oder ein muͤſſiger Zuſchauer bey einem Kriege verbleiben wolle, in den das Intereſſe aller euro- paͤiſchen Staaten verwickelt ſey?
§. 26. Antwort darauf.
In den vorbemerkten Faͤllen leidet die Regel des natuͤrlichen Voͤlkerrechts: daß kein freies Volk ſchuldig ſey, dem andern von ſeinen Handlungen Rechenſchaft zu geben, eine Ausnahme. Wird hierinn, auf geziemen- de Anfrage, entweder keine hinlaͤngliche, oder auch gar keine Antwort gegeben, ja ſolche, unter Beziehung auf iene Regel ausdruͤcklich verweigert, und die diesfalſige Anfrage fuͤr Beleidigung geachtet, ſo ſieht man dies gemeiniglich fuͤr ein ſtilſchweigendes Geſtaͤndnis der beſchuldigten Abſichten an, wodurch die fragende Na- zion alle dagegen zu ergreifende Sicherheitsvorkehrungen gerechtfertigt glaubt a]. Ein freundſchaftlich geſinnter Staat, der die geaͤuſſerten Beſorgniſſe des andern unge- gruͤndet findet, ſucht den fragenden daher auf alle Art zu beruhigen und ſicher zu ſtellen. “Die Kaiſerin von Rußland, hieß es 1784, hat auf die Anfrage wegen einiger Ruͤſtungen in Schweden von dem Miniſter Gra- fen von Kreutz die Verſicherung erhalten, daß der Koͤnig von Schweden nicht die geringſte Abſicht habe, die freundſchaftliche Eintracht in Norden zu unterbre- chen b].”
Die Antwort kan durch eben die Wege wie die An- frage geſchehen, muß uͤbrigens, ſo viel moͤglich klar und befriedigend ſeyn c], und da die muͤndlichen oft aller- hand Zweideutigkeiten unterworfen ſind; ſo werden ſie
mehren-
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Von der Freiheit der Nazionen, ihre
*]
der Regierung vorgelegt: ob, im Fall es zum offenbaren
Bruch zwiſchen der Republick und dem Kaiſer kommen
ſollte, Grosbritannien, den Tractaten gemaͤs, den Hol-
laͤndern beiſtehn, oder ein muͤſſiger Zuſchauer bey einem
Kriege verbleiben wolle, in den das Intereſſe aller euro-
paͤiſchen Staaten verwickelt ſey?
§. 26.
Antwort darauf.
In den vorbemerkten Faͤllen leidet die Regel des
natuͤrlichen Voͤlkerrechts: daß kein freies Volk ſchuldig
ſey, dem andern von ſeinen Handlungen Rechenſchaft
zu geben, eine Ausnahme. Wird hierinn, auf geziemen-
de Anfrage, entweder keine hinlaͤngliche, oder auch gar
keine Antwort gegeben, ja ſolche, unter Beziehung auf
iene Regel ausdruͤcklich verweigert, und die diesfalſige
Anfrage fuͤr Beleidigung geachtet, ſo ſieht man dies
gemeiniglich fuͤr ein ſtilſchweigendes Geſtaͤndnis der
beſchuldigten Abſichten an, wodurch die fragende Na-
zion alle dagegen zu ergreifende Sicherheitsvorkehrungen
gerechtfertigt glaubt a]. Ein freundſchaftlich geſinnter
Staat, der die geaͤuſſerten Beſorgniſſe des andern unge-
gruͤndet findet, ſucht den fragenden daher auf alle Art
zu beruhigen und ſicher zu ſtellen. “Die Kaiſerin von
Rußland, hieß es 1784, hat auf die Anfrage wegen
einiger Ruͤſtungen in Schweden von dem Miniſter Gra-
fen von Kreutz die Verſicherung erhalten, daß der Koͤnig
von Schweden nicht die geringſte Abſicht habe, die
freundſchaftliche Eintracht in Norden zu unterbre-
chen b].”
Die Antwort kan durch eben die Wege wie die An-
frage geſchehen, muß uͤbrigens, ſo viel moͤglich klar und
befriedigend ſeyn c], und da die muͤndlichen oft aller-
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/336>, abgerufen am 22.02.2025.
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